DA LOB ICH MIR




DIE GESCHÄFTSFRAU


EINE WÜRDIGUNG DER VIELEN, VERKANNTEN FRAUEN
Hinter dem Wort Geschäftsfrau verbirgt sich eine Leistling, die jeder, vor allem aber der Gatte und Geschäftsmann, restlos anerkennt. Man liebt es, von Selbst
verständlichkeiten nicht zu sprechen. Man nimmt sie hin, wie Geschenke des Himmels, wie die Gesundheit, den
Sonnenschein, das Leben, ohne viel nachzudenken. Nur hie und da, manchmal, in einsamen Stunden, wenn Krankheit oder ein Verlust uns Menschen nahegeht, dann gesteht man es sich ein, was man alles ihr, unserer nimmermüden, immerfrohen, sich abplagenden Geschäftsfrau verdankt. Zeitlich am Morgen, lange noch bevor der Tag erwacht, beginnt ihr Tagewerk. Häusliche Sorgen sind schon da! Was soll ich heute wieder kochen? Was ist heute zu be
sorgen, was muß heute gemacht werden? So ein Tag ist doch so furchtbar kurz. So vieles sollte man tun, für so wenig bleibt nur Zeit. Und doch soll und muß für Gatte und Kinder gesorgt werden, das Dienstpersonal richtig arbeiten, an so vieles gedacht werden.
Wir Männer überlegen gründlich, ja nicht selten gewissenhaft pedantisch alles. Wir machen unser Arbeits
programm, damit nur ja nichts vergessen werde. Die Frau, die Geschäftsfrau, bat alles im Kopf. Mit nachtwandlerischer Sicherheit teilt sie alles richtig ein. Man staunt, wie alles
reibungslos, richtig angepackt und zur Stunde verläßlich erledigt wird. Pünktlich steht das Frühstück bereit, pünkt
lich verlassen die Kinder, wohl gekleidet, das Haus, pünktlich steht das Mittagessen auf dem Tisch, trotzdem sie fleißig und fürsorglich, den ganzen Vormittag fast, im Geschäfte steht. Sie ist es, die dem Geschäfte — recht oft — ihre persönliche Note aufdrückt. Man sieht, man spürt es, da schaltet und waltet eine tüchtige Hausfrau. Alles so nett, so freundlich, so sonnig. Rein gefühlsmäßig, ohne lang
wierige Berechnungen oder Untersuchungen, trifft sie immer den Nagel auf den Kopf. Alles wird so selbstverständlich, so ruhig erledigt, besorgt, zugesagt. Und gar erst die Kunst der Kundenbedienung ...!
Nur eine Frau, vor allem aber die Geschäftsfrau, sie allein bringt die Geduld auf, ruhig zuzuhören, ruhig immer wieder zur Auswahl vorzulegen, sich über nichts zu wun
dern, auch über die törichsten Behauptungen keine Miene zu verziehen, gelassen zu antworten, auch dann oder just gerade dann, wenn wir Männer — seien wir doch ehrlich — längst fluchend das Weite suchen, weil ... wir es einfach nicht mehr aushalten!
Es wird Abend. Müde, zum Umfullen müde ist unsere Geschäftsfrau! Längst sind die Rollbalken geschlossen, das Geschäft gesperrt. Sie jammert nicht, keine Silbe dringt über ihre Lippen. Sie weiß nichts von der trostlosen Lange
weile, die andere Frauen plagen mag, von der entsetzlichen
Frage: „Ach, wo gehen wir nur heute wieder hin ..Gesellschaftliche Verpflichtungen sind ihr eine Last, freilich, man muß hingehen, schon aus geschäftlichen Gründen. Schweigend bringt sie auch das schwere Opfer!
Am liebsten beschließt sie den Tag im Kreise der Familie, denkt an die Zukunft, freut sich des Wohlergehens ihrer Lieben und dient still und glücklich!
„Geschäftsfrau“, dir gebührt vor allem Achtung! Verehrung, stille Bewunderung haben wir alle für dich. Es gibt wenige Berufe, die derartige Selbstverleugnung, derartigen Opfermut, ein solches Aufgehen in seiner Pflichterfüllung kennen wie dein Beruf, Geschäftsfrau, wo bleibt
für dich der Achtstundentag? Was weißt du vom Urlaub?
Wer, so wie wir, hie und da Gelegenheit hat, hinter die Kulissen sehen zu dürfen, der könnte Wunder des Alltags erzählen. Hier nur einige Beispiele:
1. Fall.
Da lebt in einer Großstadt eine Witwe. Ihr Mann starb vor einigen Jahren und hinterließ ihr eine kleine Werk
stätte, eine Metallwarenerzeugung, nebst zwei herzigen Kindern im Alter von sechs und acht Jahren. Damals wußte die Frau nichts vom Geschäft. Mit unerhörter Energie machte sich die Frau an die Arbeit. Als ich sie vor kurzem wiedersah, bestaunte ich ihr Werk wie ein Weltwunder. Die Werkstätte hat sich vorteilhaft verändert. Viel größer, freundlicher ist alles. Das Geschäft floriert, ist angesehen. Die Frau beherrscht die Materie mit einer Sicherheit, als ob sie die Technische Hochschule besucht hätte. Die Frau hätte allen Grund, stolz, ja hochnäsig zu sein. Sie ist es aber nicht. Im Gegenteil. Sie ist die verkörperte Liebens
würdigkeit, kurz gesagt eine richtige Geschäftsfrau und eine gute Mutter ihrer Kinder.
2. Fall.
Da lebt eine Frau als Handelsagentin. 67 Jahre ist sie alt, hat weit bessere Tage gesehen. Heute geht sie unverdrossen ihrem harten Brot nach, stundenlang zu Fuß, bei jedem Wetter, nur hie und da, wenn ein Geschäftsmann sie gar zu hart abweist, kaum anhört, trotzdem sie ihm Vorteile bringt, dann wird sie traurig, zerdrückt wohl still eine Träne, weil andere gar nicht wissen, wie gut es ihnen drinnen im Geschäft bei dem Hundewetter geht. Ihr Schick
sal heißt: „Geschäftsfrau!“ Ein Heldentum, dem wir unsere Achtung doch nicht versagen sollten.
3. Fall.
Zitternd hält eine Frau ein Telegramm in Händen. „Kommet sofort! Mann schwer erkrankt, liegt im Spital!“ Sie ahnt es bereits. Wenige Stunden später weiß sie es: Sie ist Witwe mit fünf unversorgten Kindern und einer be
deutenden Last von — Schulden!! Ihr Mann, ein kleiner Kommissionär, wurde vom Schlage getroffen. Sie murrt nicht, sie sagt nichts, greift zu, packt die Koffer und be
ginnt die erste, harte Reise. Niemals bisher war sie durch das Land gereist, niemals hatte sie die Kunden ihres Man
nes besucht. Mit den Koffern ausgerüstet (60 kg ist die Mindestlast) besucht sie nun die Kunden. Sie macht Fürch
terliches mit. Gute und schlechte Menschen lernt man kennen. Schuldner bestreiten Schulden, die zwar unzweifel
haft vorhanden sind, aber sich doch nicht beweisen lassen, weil der wichtigste Zeuge fehlt. Sie arbeitet, arbeitet und arbeitet. Jahre vergehen. Sie ist ein viel besserer Kauf
mann, als es jemals ihr Mann war. Ihr Geschäft ist hoch aktiv.
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Denken wir auch mit Dankbarkeit der vielen Frauen, die im Büro und in der Buchhaltung werktätig mitarbeiten, treu an der Seite des Mannes stehen, ja — gar nicht sel
ten — alle Sorgen tragen, woher das Geld nehmen, wie faule Zahler zum Zahlen bringen und doch dem Geschäft zu erhalten. Ihnen allen wollen wir danken, sie alle mögen wis
sen, wir Männer würdigen, verstehen die Arbeit und ihren Ehrennamen : Geschäftsfrau! R. S.