Die berüchtigte „Nasenlänge


„Meine Konkurrenz bringt mich zur Verzweiflung. Der Mann geht auf gemeinen Kundenfang aus, ruiniert sich und — mich, weil er mich zwingt, seine Manöver mitzumachen.
Jede Woche kommt er mit einem anderen Schlager! Er schreit mit großen Lettern in die Welt hinaus: .Allerbeste
Ware zu einem unerhörten Schundpreis!1 In Wirklichkeit handelt es sich um einen Bluff. Er führt nur zweite und dritte Qualitäten, lockt offensichtlich Kunden an und ich
komme in den Ruf, daß ich teuer bin. Das ist gar nicht wahr. Ich führe aber nur wirklich gute, anständige Ware, natürlich zu anderen Preisen!
Was läßt sich dagegen tun? Schreiben Sie mir, bitte, sofort! Mit Dank im voraus ...“
Wir haben geantwortet: „Aus Ihren Ausführungen geht hervor, daß Sie — leider zu Ihrem Nachteil — vollkommen in die Verteidigung gedrängt wurden. Das ist falsch, das müssen Sie sofort aufgeben. Die beste Verteidigung ist: der Angriff! Bleiben Sie ruhig bei der guten Qualität, bei Ihren anständigen Preisen. Rücken Sie aber vor allem und
immer wieder mit untrüglichen Beweisen, womöglich in überzeugendster Form, den Qualitütsgedanken in den Vordergrund.
Sie dürfen nicht nachhumpeln, sondern vorangehen, so daß er gezwungen wird, es Ihnen nachzumachen, wenn er sich durchsetzen will. Hier kann nur planmäßige Aufklärungsarbeit, also ehrliche, gute Reklame zum Ziele füh


ren. Wir empfehlen Ihnen, mit gutem Beispiele voran




zugehen, dann werden Sie ihn um weit mehr, als bloß um eine Nasenlänge schlagen. Im einzelnen wäre folgendes zu überlegen:...“ (Folgen Anregungen für den Fall.)




Das bieten nur Sie!


Nehmen wir an, es gäbe in einer Stadt nur einen einzigen Kaufmann, der — Zucker — verkauft. Da müßten also alle Einwohner dort einkaufen. Es ist klar, daß bei dieser Gelegenheit auch andere Artikel mitgekauft werden. So ein Geschäft müßte gut gehen. Stimmt’s?
Wer dieselben Waren führt wie hundert andere Geschäfte, der hat es natürlich schwer. Haben Sie Ihre starke Seite schon gefunden? Es gibt in jedem Geschäft, fast in jeder Branche Geschäfte, die Spezial
artikel führen, die besondere Vorteile bieten können. Hier ein Beispiel aus der letzten Zeit.
Unser Mitarbeiter wird zu einem kleinen Modewarengeschäft auf dem Lande gerufen. Der Kaufmann legt die Umsatzziffern vor, erzählt von den großen Schwierigkeiten (Stadtnahe, kleines Lager usw.). „Was soll ich tun, wie kann ich meinen Umsatz vergrößern?“ Das notwendige Kapital fehlt: wäre es vorhanden, wer weiß, ob das Ge
schäft besser ginge. Aber unser Mitarbeiter fragt weiter. So erfährt er endlich, daß Herren-Maßhemden ein guter Artikel wäre, der ausbaufähig erscheint. Die Landbevölke
rung kann Fertighemden nicht tragen, weil — staunen Sie? — die Ärmel zu kurz sind. Das kommt von der vielen Arbeit der Männer in der dortigen Gegend! Unser Berater hat schon die große Idee!
Durch drei Monate wurde also je ein Werbebrief hinaus


Aus Briefen und kleinen Erlebnissen, wie sie uns der Alltag bringt. (Die Redaktion.)




gesandt, in denen auf die besonderen Vorteile der Herrenhemden „nach Maß“ hingewiesen wurde. Das Geschäft hat sich gehoben. Die Leute kaufen Maßhemden sehr gerne, sie kaufen jetzt auch andere Waren. Es entwickelt sich.




Die Praxis beweist immer wieder, daß es viel besser ist, einen einzigen Artikel anzubieten anstatt vieler, wenn die




ser Artikel „richtig ausgesucht“ wird. Haben auch Sie einen „guten Artikel? Dann warten Sie nicht länger! Bieten Sie diesen richtig an, dann wird sich der Erfolg des ganzen Geschäftes bald einstellen!




Eine Preisliste stiftet Unheil!


Man sollte es nicht glauben, aber es ist schon so! Da sind zwei Kaufleute, die einen harten Konkurrenzkampf ausfechten müssen. Darunter leidet natürlich der anständige Kaufmann, der auf seinen guten Ruf, auf seine Zahlungsfähigkeit bedacht ist.
Dem anderen alrer ist es gleichgültig, ob er morgen oder in einem Jahr zugrunde geht. Er arbeitet hauptsächlich mit Preislisten. Die armen Kunden sollen auf seinen Leim gehen. Unser anständiger Kaufmann versendet ebenfalls Preislisten. Natürlich muß er höhere Preise einsetzen, weil er ganz andere, wirklich gute Qualitäten führt. Es ist sonnenklar, daß diese Preislisten des anständigen Kauf


mannes ihn in den Augen der gut rechnenden Hausfrauen schweren Schaden zufügen, weil er teurer ist und sein muß.


Eine Preisliste kann eben nicht mehr, als bloß eine Preissammlung sein. Sie kann Qualitäten weder richtig wiedergeben noch demonstrieren, vorführen oder nachweisen. In diesem Ausnahmefall muß man daher auf die Preisliste unbedingt verzichten. Es gibt ja genügend andere Werbemittel, z. B. Werbebriefe, Inserate, Flugblätter usw.
Wir sehen also, daß im Konkurrenzkampf, wenn es im wesentlichen darum geht, wer billiger oder teurer verkauft, die Preisliste das allerschlechteste, vollkommen untaugliche Werbemittel ist.


Ich wohn’ in einem Bienenhaus!


„Mein Geschäft befindet sich in einem großen Neubau! Dort herrscht ein ewiges Kommen und Gehen. Es ist mir gelungen, die Adressen neuer Parteien zu erhalten, die erst in einigen Wochen einziehen werden. Ich möchte also einen Werbebrief, um die neuen Parteien zu begrüßen und sie einzuladen, alle Einkäufe bei mir zu besorgen...“
Das ist eine ganz ausgezeichnete Idee! Lassen Sie es aber bei einem Brief nicht bewenden. Ein einziger Brief, das ist zu wenig, der bringt eben nur soviel, wie ein einmaliger Ausflug einer Biene. Senden Sie jeden Monat mindestens einen Brief aus. Bieten Sie jeden Monat etwas anderes an!
Kunden sind vergeßlich! Man muß sie immer wieder aufsuchen, zumindest mit Briefen! Nur der Kaufmann, der sich bei seinen Kunden in Erinnerung behält, macht das Ge
schäft. Bedenken Sie auch, daß Ihre Kunden ja gar nicht wissen, was Sie alles führen! Wie oft kommt doch jemand fragen: „Bitte, haben Sie auch das?“ Sagen Sie es unaufgefordert Ihren Kunden und — Sie werden gute Geschäfte machen! Robert Spraider.


Streiflichteraus der Praxis