sich im Sein des Künstlers, ohne aber durch die Gestaltung ihre absolute Gestalt zu verlieren. Das Gefühl an sich wird wahr, wird Erlebnis, wird absolut, und der Künstler kann unbekümmert um
handwerksmäßige Formen nach unmittelbarstem Ausdruck seiner Wesenheit und ihrer Stellung zur Umwelt ringen. Daß dies Ringen ein schmerzlicher Prozeß auf technischem und geistigen Ge
biet wird, daß Gleichgiltigkeit gegen Einheit von
Zeit Raum Handlung zu Gunsten rythmisch erlebter und gefühlter Zusammengehörigkeit heute oft Härten der Darstellung mit sich bringt, kann uns nur hoffnungsvoll dem Morgen entgegensehn lassen. Jede Jugend muß radikal sein, um sich Klarheit zu schaffen. Gegen die Kunstverständigen wendet sich deshalb auch unsre schärfste Stellung
nahme, wirjjwollen nicht nur anerkannt sein, weil der Bourgeois sich vor den nächsten Jahrzehnten zu blamieren fürchtet. Er denkt da an die bisher srereotype Verkennung des Genialen, an Wagner; Bruckner, Strauß, Ibsen, Hauptmann, und konstruiert aus Hemmungen und dem Bedürfnis, gescheiter zu sein als die anderen, aus Toleranz und Un
verständnis seine Kunstkritik, die nun ihrerseits Handbücher des Wissenswerten herstellt und das historisch Gewordene anpreist. Wir sind nun aber nicht historisch oder anderswie geworden.
Wir sind, wir sind heutig, nur Gegenwart. Wir wollen nicht als Resultat anerkannt sein. Das Notwendige wird erlebt, nicht gemacht.
Die jetzige Zeit spricht zum Menschen ganz absolut. Jeder wird früher oder später auch zum Absoluten des Ausdrucks kommen. Der Augen
blick des Bewußtseins: Seele gegen Umwelt wird auf Methoden der Darstellung verzichten müssen, der Gegensatz von Ich und Werk, äußerlich ge
sprochen : Mensch und Raum muß zu Reibungen führen, die scheinbar unüberwindbar sind. Ge
trieben, gehetzt, zur letzten Klarheit gestoßen sucht der Künstler nicht den Ausdruck, sondern greift ihn aus sich, absolut und unvergleichlich. Wieder wird das Technische nebensächlich, trotzdem wir Anfänger sind. Der Wille ist hier die Kraft zur Zukunft, nicht auf Können, sondern auf Fühlen kommt es an. Das Können ist, wie die wechselnde Form, Angelegenheit der Epigonen. Geniale Kraft kann dilettantisch sein.
Nichts wird oder ist gesucht, das Leben und die Gestaltung sind durchdrungen vom Absoluten, es ist innerstes Gesicht, — schon deshalb wird das Schaffen visionär. Man wirft sofort vor:
Notwendigerweise wird dann absolutes Gefühl chaotisch. Irgendwann werde die Linie, der Kreis, die Farbe psychologisch wirksam fixiert, und da
mit eine Begrenzung der Erscheinung geboten. Ich glaube nicht, daß die heutige Graphik bewußt die reinen Reflexwirkungen von Linie und Kreis so stark betont, daß Eindruck und Ausdruck zum
Wesentlichen des Kunstwerks werden. Vielmehr rührt der Maler heute an kombinatorische Mög
lichkeiten des Sehens, das chaotische Vielfache wird zur Einfachheit, zum einfachsten Sein, zur Gestalt durch unbewußte Reilexwirkung. Wollte
man sich darüber klar werden, so müßte der Maler auch hier sich manifestieren und populari
sieren, — er müßte Volkskurse für Gefühl veran
stalten, um schließlich durch ein Kollegium Intellektueller ein Zeugnis seines Wollens zu erdisputieren. Wir wollen keine Dialektik, die rubriziert und deutet. Man sehe, — oder sehe nicht!
Das Literarische im Expressionismus hatte zunächst wesentlichere Schwierigkeiten zu über
winden, hier konnte nicht ein Zurückgehen auf innerste Gestaltung ausschlaggebend sein, weil die technischen Mittel nahezu die gleichen blieben. Auch das dargestellte änderte sich nur in Be
zug auf den Einzelmenschen, es war plötzlich innerste Angelegenheit jedes Lesenden, während man bisher es als Ding an sich, als wirkliches Geschehen von menschlichen Beziehungen zu lösen getrachtet hatte. Eine Grenze zwischen Expression und Impression läßt sich wohl finden, sie entstand aber nicht organisch. Als klarstes Beispiel der Loslösung gelten uns die ungezählten Manifeste und Forderungen, die endlosen Formu
lierungen und Programme, mit denen die neue Kunst, die neue Literatur ihren Anspruch auf heutiges Leben begründet. Es wäre verkehrt, auch nur eine solche Forderung als ausschlaggebend zu bezeichnen. Allen Richtungen gemein
sam ist Empörung und Aufruhr gegen herrschende Maximen, lapidare Forderung wahrster Gestaltung, rücksichtslose Aufrollung innerster Tat. Der Mensch steht wieder ganz in sich, in seinem Schmerz, er sucht Befreiung seiner chaotischen Gestaltungs
kräfte. Ihn durchgdringt die Großstadt, die Not, die Zeit, ihn überkommt im Angesicht schmerz
licher Wirklichkeit das Gefühl letzter Befreiung.
Er formt das Unmittelbare aus sich, ein Ekstatiker des Maschinellen oder Geistigen. Dazu kommt für uns alle heute der Begritf des größeren Vater
lands, der weitesten Heimat Welt, dies Gefühl, das Tat fordert und ist, Protest gegen Mord und Irr
sinn, gegen Zeit und willkürliche Begrenzung des freien Menschen. Alle neue Kunst ist aktivistisch, und muß es sein, denn sie ist Zeugnis der herein
brechenden Zukunft, der jungen Generation, die
über diese kleine Gegenwart hinaus will und
muß.


Anton Walten




Anton Waranoff.


Des unbestimmten Studenten Anton Waranoff Schwester Hanni ist in allem weiblichen Fleisch der Erde enthalten. Die Palmblätter in der Woh
nung sind abgestaubt. Den Vater läßt man, als wüstes Kapital für sich, auf dem Sofa, einen Zahn
stocher im Bart. Hanni trägt Hebbels Briefe und Tagebücher um, ihre Reinheit ist nicht auszuhalten. Zum Glück gibt es heute nackmittag Frauen mit fremdem Blut auf der Straße. In einem Gesicht sind flüchtige Friedhofwinde markiert und die Erwartungen der Dame Bovary, sodaß er fühlt : o Diese. Leider kann ich Nichts, nicht einmal Erbsen mit Messer und Gabel aufnehmen. Viel
leicht macht sie eine Kur. Gut, ich nicht. Nun, wie Madame Bovary die Treppe zur Untergrund
bahn nimmt, ist es doch Hanni. Den Anton Waranoff soll das Kaiserpanorama trösten: brasilische Leute, im offenbar gleichgültigsten Augenblick ihres Lebens aufgenommen; aber ein
schmutziger Komponist, der am Fenster Tomatensalat verzehrt, lädt ihn zu sich. An seinen vier Wänden rauschen Ballerinnen auf uud ab, Brandung zum Gespräch von seiner Oper. . . . eine Oper, vollbracht zu haben, es ist so Viel. Auch ein Invalide zum Beispiel ist anzustaunen, er hat Ortskrankenkassen, Rathaus, Bezirksamt, Unter
schriften hinter sich. An gewissen Tagen wurde so Abschreckendes überwunden. Und die armen Minister oder (Oberbürgermeister tun millionenmal
mehr, als Anton Waranoff ausdenken kann. Der Meister setzt sich für ihn ans Klavier und ihm, der eine Landschaft besah, schlägt das Spiel an : Schwarzwald, wo Tannen mit wechselndem Licht
durchzug von Wiesen wegloen. In Steinbrüchen hängen Appollofalter, und sonnige Himbeeren,
voll von Würmern, bewahren sich auf. Dann geht er, bewußt: wie Gatilina schnell und langsam durch die Vostadt; in einem Steckerief müßte es heißen: gut gekleidet. Beim Abendessen zeigt sich die Einsamkeit des Vaters von Neuem. Anton legt dem Dicken erregt ungerechte Antworten hin. Nach zwei Tagen möchte Anton dringend Reisegeld; weil er voraussichtlich hören wird : „Du
bist verrückt“, läßt er es. Schließlich wird seine Zeit einmal anbrechen, daran ist nicht zu zweifeln.
Original-Holzschnitt von Felixmüller, Dresden Autorenportraits des Felix Stiemer Verlag:


Felix Stiemer


Gründer und Leiter des Verlags, Herausgeber der Zeitschrift „Menschen“. Freiburg i. B, Schwarzwaldstr. 29.


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