15. November 1918. - Nr. 9.




MONATSSCHRIFT FÜR NEUE KUNST


Jüngste Literatur — Graphik — Musik — Kritik Herausgegeben von Heinar Schilling und Felix Stiemer.
Verantwortlich für den gesamten Inhalt:
Felix Stiemer, Freiburg i. Br., Schwarzwaldstraße 29.
Schriftleitung: Walter Rheiner, Berlin-Weißensee, Lindenplaß 1.
Einsendungen nur an die Schriftleitung direkt.
Rücksendung unverlangter Manuskripte nur bei genügendem Rückporto.
Die Zeitschrift erscheint 1919 am 1. und 15. jeden Monats. Bezug direkt vom Verlag oder durch die Buchhandlungen.
Abonnement 1918 (.10 Nummern) Mk. 5,80, 1919 halbjährlich (12 Nummern) Mk. 5,—. Einzelnummer Mk. 0,50 (zuzüglich Porto bez. Bestellgeld).
Die Monatsschrift „MENSCHEN“ ist als Flugblatt Ausdruck von Dichtern, Literaten, Malern und Musikern, denen Kunst ein Mittel zur Änderung des Menschen und Ruf zur Einung und Sammlung bedeutet. Von der Fixierung unseres Lebensgefühls, das man heute mit dem Worte EXPRESSIONISMUS bezeichnet, bis zur leßten Konsequenz, der Tat, enthält diese Folge vor
wiegend Beiträge, denen Cliquentum und Radikalismus bisher den Weg versperrten. Verbunden mit den uns nahestehenden der älteren Generation,
die wir als Vorausseßung unseres Handelns erkennen, hoffen wir auf die Propaganda derer, die ihrerseits in uns Jungen die Vollender (nicht die
Vollendeten) sehen.


FELIX STIEMER VERLAG, DRESDEN




Dresden-A. 20.




Theodor Däubler




Schlachtfeld


Am Schlachtfeld rasten lauernd Lagerflammen.
Der Tag war grausam und doch unentschieden. Ihr Sterne bringt den Menschen keinen Frieden, Und Tote müssen unverscharrt verschlammen.
Die finstern Welten, die um holde Sonnen fliegen, Sind Träume, schwerbealpt mit Seelenfrachten.
Wo ist ein Sieg? Wir kennen bloß verlorne Schlachten: Und doch, die sangerstarkten Völker siegen!
Die frommen Führer herrschen einst hienieden: So laßt uns dann voll Willigkeit entnachten. Wie weise wir die Metzelei betrachten:
Gehirn und Herz nun kämpft: wer bringt den Frieden?


Dietrich




Vincent van Gogh


Ich ging im dämmerfeuchten Buchenwald nah an dem Strand,
dicht neben mir van Gogh.
Erst stumm, fing er dann schüchtern an zu reden von Gruben, Grubenleuten in der Borinage
und zeichnete mir unbeirrbar hart viel Menschenbilder, harte Gesichter arbeitsgrauer Männer
und Fraun und Kinder rußig in den Stuben, bei späten Lampen-frühe müde Mütter, und einmal steigen alle in die Gruben,
und menschenlose Landschaft starrt zum Himmel: — Van Gogh allein mit Himmel und jder Erde . . . !
Da beginnt das Land zu leben,
da hat die Erde unzählige Gesichter,
und spähend südenwärts den Blick gerichtet, sieht er ein Leuchten aufgehn, wirft die Kohle fort, schaut farbenglutberauscht in ein gelobtes Eden. —
Nun ist er nicht mehr unter Menschefi, nicht mehr Mensch,
nun ist er in der Landschaft, ihrer selbst teilhaftig, er selber glühnd in tausend farbenprächtigen Gärten, heißblauem Himmel, purpurgrünen Hügeln : Arlesien!
Bis einmal er mit lichtzerbrannter Stirn
aufsteht aus aller farbenwilden Landschaft;
wie einst die Menschen, ihre Erde nun verlassend, wie einst die Kohle, nun die Farben von sich werfend, und nur noch Glut verlangend aufwärts flieht zur Sonne.---
Ich war in Dämmrung durch den grauen Wald gegangen, nun trat ich mit dem Tag ins bunte Tal,
hoch stieg die grausamglühnde Feuersonne.
Postscheck-Konto Leipzig Nr.33016.
Bankkonto:
Mitteldeutsche Privat
bank, Dresden.
Auslieferung Leipzig: Robert Hoffmann, Kommissionsbuchhcllg., Querstr. 21/23.