Todes, tiber den jetzt das Kreuz sich siegreich crhebt ). Auf
den Eggersteinen bei Héxter in Westphalen ist unter dem
Kreuze ein Menschenpaar, Mann und Weib von einem Drachen
umschlungen, dargestellt, anscheinend also die Hélle oder
die Siinde symbolisirt. Das Kreuz ist zuweilen wie ein Pal-
menstamm gebildet als Symbol der Lebenserneverung oder auf
Gemilden grin und mit Rinde bedeckt*), als Zeichen seiner
fortdauernden Kraft. Oefter scheint Christus frei am Kreuze
zu stehen, indem er der Jungfrau oder Johannes die Hand
reicht*). Gewdhnlich dagegen ist er mit Nageln angeheftet,
aber bald mit vier, bald mit drei Nageln, indem dann beide
Fiisse tibereinander gelegt und von Einem Nagel durchbohrt
sind. Vier Nagel sind die altere Form; soviel soll die Kaiserin
Helena gefunden haben und man hatte an diese Zahl allerlei
symbolische Erklarungen geknipft. Uebrigens brauchten, wie
es scheint, im 13ten Jahrhundert Ketzer Crucifixe mit drei Na-
gen; daher eiferten denn die Zeitgenossen dagegen*). In-
dessen gestallete auch die Dreizahl fromme Deutungen, die
Symboliker liessen daher beide Formen gelten*) und die Kunst
entschied sich fiir die geringere Zahl*), die eine bessere Hal-
tung des Kérpers hervorbrachte. Gleichzeitig anderte sich auch
die Tracht des Gekreuzigten, die lange Tunica, welche friher
den Kérper ganz verhillte, wird schon im 12. Jahrhundert
kirzer, im 13. und noch allgemeiner im 14. vertritt ein Schurz
um die Hiiften ihre Stelle. Auch wird der nunmehr grossen-
theils unbekleidete Kérper mehr und mehr natiirlich und leben-
dig, der Kopf mehr zur Seite gewendet und geneigt, der Leib
nicht mehr wie sonst aufwarts gebogen, sondern mehr ein-
gezogen.

In throno, wie Durandus sagt, also als verklarter Hei-
land und Herr der Welt, wird Christus bald in der Glorie nur
von Engeln oder von dem Zeichen der Evangelisten umgeben,
bald mit grésserer oder geringerer Ausfihrlichkeit in der ent-
wickellen Scenerie des jiingsten Gerichts gebildet. In beiden
Fallen hat er gewohnlich die rechte Hand aufgehoben, in der
linken das Buch; dus seinem Munde gehen zwei Schwerter
nach beiden Seiten aus. Die Zweischneidigkeit des Schwer-
tes, von welcher in Apocal. 19, 15 gesprochen wird, war schon
yon Albertus Magnus ausgelegt, als die doppelte Macht, durch
welche die Gerechten vertheidigt, die Ungerechten bestraft
werden, spitere Auslegung machte daraus zwei Schwerter,
das Schwert der Gnade zur Rechten, das der Verdammniss zur
Linken?) und die Kunst nahm diese Lehre, welche ihr eine
	1) So auf einem im Museum der Ritterakademie zu Liineburg ап е-
wahrten sehr ausgezeichneten Fusse eines Crucifixes aus dem 12. oder 13.
Jahrh, Das Gestell auf vier Lowenfiissen ruhend, ber denen vier Jing-
linge, die Paradiesesstrome audeutend, Urnen ausgiessen, hat oben eine
Wolbung und bedeutet, wie die Inschrift ausdricklich meldet, den Erdkreis
(assignans orbem). Auf der Héhe desselben liegt Adam im Sarge und die
Inschrift besagt: Adae morte novi redit Adae vita priora (sic!).

\ 2) Jenes auf deu Korssuuschen Thiren in Nowgorod, auf Elfenbeinreliefs
in Monza (Millin, Reise in die Lombardei. I. 603), dieses auf Glasgemalden
in mehreren franzésischen Kirchen (Didron, p. 421).

3) Auch dies wieder auf den Korssunschen Thiiren (vgl. Adelung ther
dieselben), ferner auf cinem Taufbecken in Elsass (Caumont, cours d’Anti-

quités. VI. p. 44 und p. 87).
4) Hurter im Leben Innoc. Ul. Th. TE. 231. Lucas Tudensis und der Pabst

selbst erklaren sich fiir die Vierzahl.

5) Wilh. Durandas (im Ration. lib. VL De die parasceves) fiihrt die Er-
klarungen fiir beide an. Die drei Nagel bedeuten den dreifachen Schmerz
des Herrn, den kérperlichen, den geistigen und den des Herzens. Der
rechte Fuss musste oben, der linke unten liegen, um die Herrschalt des

Geistigen fiber das Sinnliche anzudeuten.
6) So schon im 13. Jahrh. an der L. Fr. Kirche zu Trier, in Schulpforta,

am Freiburger Minster, an der Lorenzkirche u. s. f.
7) Rupertas, Abt von Deutz, bei Jourdain und Duval tiher das Portal

des Doms zu Amiens in Caumont’s Bull. monum. Vol. XIL.
	Diese vierle Form hinzugerechnet wird 41е Вешегкипо 4е5 вут-
bolikers durch die Denkmaler bestaétigt: andere Momente aus
dem Leben des Erlésers kommen wenigstens an den bedeutsa-
mern Stellen der Kirchen nicht vor, diese aber sehr haufig,
ja sie dirfen in gréssern Kirchen nicht fehlen.

Gehen wir dic Eigenthimlichkeiten dieser Hauptdarstellun-
gen durch, so ist zunachst die Tracht des Erlésers in allen er-
wahnten Momenten, so verschieden sie sind, in der Regel und
wenigstens in der frihern Zeit dieselbe; eine einfache lange
Tunica mit langen Aermeln, unbedecktes Haupt und unbeklei-
dele Fiisse. Alle Personen der Gottheit, so wie die meisten der
Propheten und sdmmtliche Apostel wurden so bekleidet; die an-
like Tracht, welche man bei diesen altesten Gestalten mit treuer
Beobachtung der Tradition beibehielt, wurde auch das Zcichen
einer héhern Wiirde.

Das Christuskind auf dem Schoosse der Jungfrau wird, we-
nigstens in der ersten Halfte des Zeitalters, nicht von ihr ge-
halten, sondern silzt frei und aufrecht auf ihren Knien, ,,re-
sidet“*, wie Durandus bezeichnend sagt, ,,in gremis matris‘:
es thront schon hier. Auch ist es in Ziigen und Formen mehr
ein kleiner Mann, als ein Kind, bekleidet, ernsthaft vor sich
blickend, die Weltkugel in der Linken, die Rechte segnend
oder lehrend erhoben ). Im 13. Jahrhundert wird die Scene
allmahlich menschlicher, die Mutter umfasst das Kind; es halt
noch Globus oder Buch, segnet noch und ist bekleidet, aber es
ist kleiner und in Haltung und Mienen kindlicher. Im 14. Jahr-
hundert geht man in dieser Richtung weiter, namentlich die
stehenden Statuen der Jungfrau werden immer freier und driicken
das Kind recht innig und miitterlich an die Brust. Die Bahn
ist damit gebrochen und der Uebergang zu der hauslichen Auf-
fassung der heiligen Familie, dic spaler beliebt wurde, ge-
macht.

Die Kreuzigung, welche die altchristliche Kunst ver-
mied, kommt jetzt tiberaus haufig in allen Dimensionen, For-
men und Stoffen vor. In den grossen Reliefs der gothischen
Portale ist sie gew6hnlich mit dem drilten Hauptgegenstande,
dem Gericht, in Verbindung gebracht, so dass neben dem Kreuze
in zwei Reihen iibereinander, unten die irdischen Zeichen des
Hergangs, oben die Apostel und Heiligen als Theilnehmer der
himmlischen Glorie angebracht sind. Bei den kleinern sehen
wir ausser der Jungfrau und dem Evangelisten Johannes haufig
die symbolischen Gestalten des Judenthums und der Kirche,
jenes mit verbundenen Augen, diese mit Kreuz und Kelch. Oft
strémt dann in diesen Kelch das Blut aus den Seitenmalen, um
die Kirche als Inhaberin des wahren Blutes, das sie im Abend-
mahle spendet, zu bezeichnen?). In Wechselburg halt ein am
Boden liegender Mann diesen Kelch, wahrscheinlich Joseph von
Arimathia, nach der Sage vom Gral. Endlich steht das Gefass
auch ohne Weiteres unter den Fiissen Christi?). Nicht selten
sieht man unter dem Boden des Kreuzes cine Leiche im Grabe,
es ist Adam, welcher der Sage zufolge auf der Schddelstalte
bestattet war‘), der Reprasentant des durch ihn eingefthrten
	libro clauso in manibus, quia nemo inyentus est dignus aperire illum nisi
leo de tribu Juda. Et quandoque cum libro aperto, ut in illo quisque legat
quod ipse et lux mundi et via, veritas et vita. Beide Darstellungen finden
sich gleich oft.

1) Der Gedanke, in dem Kinde die géttliche Weisheit durcbleuchten zu
lassen, ist sehr dentlich ausgesprochen in der Inschrifé auf einem Relief
(— aus der abgebrochenen Kirche zu Beaucaire; vgl. Mérimée midi p. 336
und Caumoat im Bull. mon. XI. —): In gremis matris residet sapientia patris.

2) In den Miniaturen des Hortus deliciarum reitet die Gestalt der Kirche
auf cinem Thiere, dessen 4 Kapfe die Zeichen der Evangelisten zeigen, En-
gelhardt, Herrad S. 40.

3) So auf einem Elfenbeinrelief aus dem 11. Jahrh. bei Didron p. 277.

4) Jacobus a Voragine сар. 53.