und schon irtihe sieht man Satan in grésserer Dimension im Innern der Holle sitzen und die Sinder zermalmen. Ausgefihrte und kiinstliche Allegorien kommen wohl in den Miniaturen’), nicht aber in der kirchlichen Plastik vor. Da- gegen finden sich hier die in den Metaphern und Gleichnissen der Bibel genannten Personen wie historische dargestellt. So Abraham, der die Auserwdéhllen in Gestalt nackter Kinder im Schoosse halt*), so ferner tiberaus haufig die klugen und thé- richten Jungfrauen. Diese sind theils mit dem jingsten Gericht in Verbindung gebracht*), theils mit der Geburt Christi oder der Anbetung der Kénige‘). Sie sind meistens gleich gekleidet und unterscheiden sich nur durch die Haltung der Lampen, welche bei den thérichten Jungfrauen umgewendet sind, zum Zeichen, dass sie Jeer von Oel. Zuweilen ist aber auch ihre Tracht verschieden, indem die klugen Jungfrauen ziichtig, im Nonnenschleier verhiillt, die thérichten weltlich geschmiickt er- scheinen. Ein grelles Lacheln, dass man oft bei ihnen bemerkt, deutet nicht immer auf die Eitelkeit der Letzten hin, da es auch an heiligen Gestalten als ein verfehlter Ausdruck der Freundlichkeit zuweilen vorkommt. Am grossen Portal zu Amiens ist den klugen Jungfruven ein kraftiger, mit Blatlern und Friichten bedeckter Baum beigegeben, an welchem Lampen hangen und in dessen Laub Vogel sitzen, den thérichten aber ein entlaubter, in dessen Stamm die Axt steckt. Offenbar der gute Baum und der schlechte, welcher abgehauen und ins Feuer geworfen werden soll, von welchem Mathaus in der Bergpredigt und Lucas bei dem unfruchtbaren Feigenbaum sprechen, Andere haufig vorkommende Personificationen sind die be- reits erwahnte der Kirche und Synagoge, jene mit Kreuz und Kelch oder mit dem Buche, diese mit verbundenen Augen. Ferner die Tugenden und die sieben freien Kiinste. Beide erscheinen fast immer in weiblicher Gestalt, wie Durandus sagt, weil sie besanftigen und nahren®). Die Paradiesesilisse als halbnackte mannliche Gestalten mit Urnen, werden haufig 1) Mehrere der Art in dem Hortus deliciarum, deren Beschreibung und theilweise Abbildung in dem angefihrten Buche von Engelhardt, z. B. Chri- stus als Fischer, der mit der Angel seines Kreuzes die Képfe der Patriar- chen und Propheten aus dem Rachen Leviathans hervorzieht. Mithin eine Allegorie des Descensus ad inferos. In einem Manuscript (liber pontificalis) der Bibliothek yon Rheims findet sich eine gelehrte Darstellung der Musik. Aér, die Luft, mit ausgestreckten Armen und Beinen, ist in der Mitte eines Kreises, neben seinem Haupte die Sonne mit sieben, der Mond mit vier Strahlen. Zwischen seinen Armen Pythagoras und Arion, zwischen den Beinen Orpheus (vielleicht als musikalische Reprasentanten der drei andern Elemente), ringsumher im Kreise die neun Musen, und endlich in der Ecke des Blatts die vier Winde. 2) Im Manuscript der Herrad sitzt er auf eimem Throne zwischen Palmen. 3) So am Dome zu Basel, an dem zu Rheims am Nordportal, an dem zu Rouen (portail des libraires), in St. Denys, am S. Germain, l’Auxerrois in Paris, am Siidportal des Strassb. Minsters. 4) So an der L. Fr. Kirche zu Trier und am Nordportal des Domes au Chartres. Am Dom zu Amiens sind beide Beziehungen verbunden, denn auf dem mittleren Thirpfosten ist die Jungfrau mit dem Kinde, im Tympan des Portals aber das jiingste Gericht (Jourdan und Duval, Beschreibung diescs Portals in Caumonts Bull. monum. ХИ. p. 101). Die Beziehung auf das jiingste Gericht ist klar und in der Schrift (Matth. c. 25) begriindct; die auf die Geburt ist dunkler und scheint darauf hinzudeuten, dass nur durch die Geburt Christi in der Seele, jene himmlische Klugheit verlichen werden kénne. 5) Virtutes in mulieris specie designatur, quia mulcent et nutriunt. Lib. 1, с.3. Der Grund passt auch auf die Wissenschaften, die freilich im Sinne des Mittelalters eine Art der Tugenden sind. Doch giebt es auch Ausnahmen von jener Regel; in Moissac, Civray, Parthenay und an andern Orten in Frankreich sind die Tugenden (in Moissac zufolge der beigefiigten Inschrif- ten) als bewalfnete Manner dargestellt und gewiss hat man haofig bei den Kampfen zwischen Maunern und Thicren an den Kampf der Tugend gegen das Laster gedacht. fliessenden Barte, und unterscheiden sich dadurch, dass sie Schriftrollen, wahrend die Apostel Biicher halten; man wollte dadurch andeuten, dass jene nur unvoillkommene, verhiillte, diese die klare und entfaltete Kenntniss des Heils besassen ). Die einzelnen Apostel und Propheten wurden keineswegs sorg- faltig unterschieden, bei diesen geben die meistens gedffneten Schriftrollen Gelegenheit, ihren Namen oder prophetische Stel- len anzufihren, bei den Aposteln fehlten solche Mittel. Petrus und Paulus sind durch Schliissel und Schwert, Johannes schon oft durch den Kelch bezeichnet; die andern Apostel sind mei~ stens ohne Attribut, die Beiftigung der Marterinstrumente ist keineswegs gewéhnlich; es kam mehr darauf an, die Schaar der Apostel im Ganzen, wie es ihre Geschichte mit sich brachte, als sie einzeln darzustellen. Die Patriarchen dagegen sind verschieden behandelt; so ist Moses durch die Hérner, Aaron durch priesterliche Tracht, David durch Harfe bezeichnet, und andere in ahnlicher Weise, Ebenso verhielt es sich mit den spatern christlichen Heiligen, da die Verehrung derselben sich aber meistens auf gewisse Gegenden beschrankte, oder doch in denselben vorherrschte, so muss bei der Deutung ihrer Attribute auch meistens diese locale Tradition bericksichtigt werden. Die Engel endlich werden, wie es fir Mittelwesen dieser Art und Sendboten der Gottheit fast bei allen Vélkern her- kommlich war, mit Fliigeln abgebildet. Man band sich dabei aber nicht genau an die biblische Beschreibung der Cherubim, sondern liess es gewéhnlich bei zwei Fligeln bewenden. In- dessen blieb doch jene Tradition nicht ganz unbenuzt, und man findet in einzelnen Fallen Engel mit vier oder sechs Fligeln *), in andern wenigstens an Stelle der Beine die Gewander in Fligel endigend*), oder doch so flatternd, als ob sie nur einen Oberkérper verhillten. Selbststandige Darstellung erhalt der Erzengel Michael, ausserdem kommen die Engel nur in Schaa- ren, als Begleiter Gottes. oder Christi, als ein Theil der himm- lischen Glorie vor. Auch werden die verschiedenen Klassen und Chére der Engel in der Regel nicht unterschieden‘). Sie sind immer bekleidet und zwar mit einer einfachen langen Tu- nica und tragen, wenn sie ohne andere Bedeutung in der Glorie vorkommen, Kronen, Palmen, Rauchgefasse oder musikalische Instrumente. Der Erzengel Gabriel bei der Verktindigung fiihrt bekanntlich eine Lilie. Michael erscheint schon frihe beim jungsten Gericht mit der Wage; die rillerliche Riistung, die ihn als Vorkampfer der himmlischen Heerschaaren bezeichnet, méchte sich wohl nicht vor dem 14. Jahrhundert finden. — Teufel erscheinen meistens im jiingsten Gerichte, in plum- per menschlicher Gestalt, noch wenig ausgebildet. Die Pforte der Hdlle éffmet sich haufig in Form eines weiten Rachens, 41) Durand. Rat. Lc. 3. Ante Christi adventum fides figurative ostende- hatur et quoad multa implicita erat. Ad quod ostendendum patriarchae et prophetae pinguntur cum rotulis, per quos quasi quaedam imperfecta cognitio designatur. Quia vero apostoli in Christo perfecte edocti sunt, ideo libris, per quos designatur congrue perfecta cognitio, uli possunt. 2) Auf einem Altar (IIeideloff, Ornamentik des M. A. Lief. 8. pl. 3.) ein Cherubim mit vier Fligeln. Mit sechs auf einer Sculptur am Dom zu Char- tres, wo iiberdies die mittleren Flageln mit Augen besdet sind, und der Engel auf einem Rade steht. Didron in den Annal. arch. vol. I. p. 156. 3) So auf dem jtingsten Gerichte des Orcagna im Campo santo zu Pisa. In Deutschland habe ich diese Form nicht gefunden, vielmehr haben simmt- liche Engel hier immer den ganzen menschlichen Kérper. Auf deutschen Kupferstichen des 15. Jahrh, kommen auch Engel mit ganz begliedertem Кбтрег vor. 4) In der byzantinischen Kunst ist dies gewohnlich. In Frankreich be- merkte Didron wenige Beispiele, am Stidportale und ausserdem auf einem Glasgemilde des Domes zu Chartres, in Vincennes in der saint Chapelle, in Cahors in einer siidlichen Kapelle des Doms.