Partie. Tome 1. Preuves. Paris Plon Fréres 1849. Mit einer Einleitung von CLXII Seiten, 512 Seiten Text und 71 Seiten Register. Gross 8°. Von G. Е. Waagen. (fortsetzung.) in das Wesen seines Meisters die kunstlerische Bedeutung des~ selben doch etwas zu hoch angeschlagen hat. Die Ausdriicke, deren er sich zur Bezeichnung seiner Eigenthiimlichkeiten und seines Werthes im Allgemeinen bedient, sind doch zu unbe- 4110$, selbst wenn es sich nur um den Vergleich mit andern gleichzeiligen Meistern der Heimat handelt. Der Verf. stellt ihn gelegentlich mit A. Kraft parallel, namentlich bei dem muth- masslich letzten Werke Riemenschneider’s, einer grossen Re- Hiefdarstellung der Klage tber dem Leichnam Christi; wahrend er meines Erachtens gerade in diesem Werke (von dem ein trefflicher Kupferstich vorliegt) gegen die volle Lebenskraft, die starke Enischiedenheit Kraft’s, sogar gegen dessen Grésse des kiinstlerischen Sinnes, nicht ganz unerheblich zuricksteht. Riemenschneider méchte vielleicht mehr als ein liebenswiirdi- ger, denn als ein grosser Meister zu bezeichnen sein. — Ueberhaupt aber macht es einen cigenthiimlichen Eindruck auf unser Gefithl, wenn wir nach langerer Entfernung von unsrer mittelalterlichen Kunst nach Beschaftigungen, die das Bedirf- niss einer unsere Seele ausfiillenden, unser Sein und Wollen kraftigenden kiinstlerischen Ganzheit in uns rege gemacht, zu jener zuriickkehren. Sie giebt unserm gereiften Bedirfniss keine volle Befriedigung mehr, wir finden jene Ganzheit nicht. Grosse begabte Meister haben sich in einzelnen gliicklichen Momenten emporzuraffen gewusst: die Gesammtkunst jener Zeit ist eine Psyche mit gebundenen Fligeln. Das soll freilich nicht hindern, dass wir ihr Streben und Traéumen, schon weil es unsre Vater waren, die gestrebt und getrdumt, nicht mit Liebe auffassen sollten; aber ebenso darf uns unsre Pietat die Beschranktheit jener Existenaz nicht verkemmen taspen. FI, Fiugier. Ich gehe jetzt zur Betrachtung der Maler ber. Wenn die Zahi derselben, welche sich gegen 400 belauft, anfangs in Erstaunen setzt, so wird dieselbe doch durch eine nahere Betrachtung aller der Gegenstaénde, welche damals in das Ge- biet derselben fielen, einigermassen erklarlich. Ausser dem Ausfiihren von eigentlichen Bildern von bleibendem Kunst- werthe und den Miniaturen in den Handschriften, wurden viele Krafte zum Beschaffen von weitschichtigen, decorativen Male- reien erfordert, welche zur voriibergehenden Verherrlichung der pradchtigen und grossartigen, von jenen alten Herzégen gelegenilich veranstalteten Feste dienlen, wie z. B. das, wel- ches Philipp der Gute den 17. Februar 1453 zu Lille feierte, wobei 26 Maler gegen Tagelohn beschaftigt wurden. Eins der glanzendsten Beispiele dieser Art aber war die im Jahre 1468 zu Briigge gefeierte Vermihlung Karl’s des Kiihnen mit der Margaretha von York, wobei eine ansehnliche Zahl von Malern gegen ein Taggeld von 12 Sous angestelli waren. Arbeiten &bnlicher Art kommen auch bei Begrabnissfeierlichkeiten vor, wie z. B. bei denen, welche Philipp der Gute zu Brigge fir den Grafen von Never veranstalten liess. Andere der hier auf- gezahiten Maler, welche an den Wanden der Zimmer die Wap- pen und Devisen der Herzoge malten, erheben sich offenbar minht Shee deer Rasy wee nunen avtigan Gtishawsolee. Ein wot ches Feld fanden die Maler fir ihre Thatigkeit damals endlich in dem Bemalen yon Bannern, Fahnlein, Harnischen von Mann und Pferd, Zelten, Kleidern, Masken, Wagen, Tafelaufsitzen und Wappen. Hiebei wurden Gold, Silber und kostbare Far- ben, wie Ultramarin, in reichemi Masse verwendet. In der Regel halten die Herzoge von Burgund einen in allen diesen Gegenstinden besonders erfahrenen Meister mit einer festen Besoldung an ihrem Hofe, welchem dann der ganze kiinstle- rische Theil bei einem Fest, einem Turnier, einem Zuge oder einem Begrabniss tibertragen wurde. Ihm blieb der Ankauf der prachtigen Stoffe aller Art, der Farben elc., so wie die Beschaftigung der erforderlichen Kiinstler und Handwerker uberlassen, und er erhielt eine Gesammtsumme, wovon er den ihnen bedungenen Lohn auszahlte. Diese Stelle bekleidete un- ler Philipp dem Kithnen Melchior Broeederlein, unter Johann ohne Furcht Jehan le Voleur, unter der langen Regierung Phi- lipp des Guten aber Hue de Boulogne, Colard le Voleur, Jehan de Boulogne, Sohn jenes Hue, und der schon oben als Bild- hauer angefiihrte Pierre Coustain. Letzterer beweist, dass un- ter den fir diese Zwecke angestellten Personen sich auch ge- legentlich Kiinstler im héheren Sinne des Wortes befanden. Unter der spirlichen Zahl der Maler, von denen gemeldet wird, dass sie cigentliche Bilder ausgefiihrt haben, ist. Jehan de Hasselt, welcher im Jahre 1485 fiir cin fir die Kirche der Cordeliers zu Gent gemaltes Altarbild vom Herzog Philipp dem Kiihnen die Summe von 60 Livres erhalt, der frihste. Zu- nachst begegnen wir dem ,,Meister Vranque“ zu Mecheln, dem fir das Bildniss der Catharina von Burgund, Tochter Johann’s ohne Furcht, die sehr massige Summe von 6 Frances 15 Sous ausgezahlt wird. Dann aber kommt Jan van Eyck in Betrach- tung, und hier erhalten wir tiber seine Lebensereignisse, zu- mal tiber sein Verhaltniss zu dem Herzog Philipp dem Guten, ganz neue und schr merkwiirdige Auischlisse. Yon der gréss- ten Wichtigkeit ist der erste ihn betreffende Веас ), welcher 1) №. 699. 5. 206 Е Das auf der achten Kupfertatel des Werkes abgebildete Stein- bild ,,.Maria mit dem Kinde“ ist aus dem Besitze des Herrn €. Becker in den des Herrn Rudolf Weigel abergegangen. Indem wir unsern Lesern dasselhe in beiliegendem Stiche mit- theilen, fiigen wir das in dem Werke p. 18. No. 20 daritber Gesagte hinzu: „Еш lebensgrosses Steinbild‘*‘ — heisst es — », Maria mit dem Kinde auf der Mondsichel stehend, befand sich friiher an der Aussenseite einer ehemaligen Stiftscurie in Wirzburg. Wahrseheinlich ist diese Skulptur von dem Chor- herrn des Neumiinsterstifts, Balthasar Viseher, welcher dieses Haus zu Riemenschneider’s Lebzeiten bewohnte, gestifiet worden. Dieselbe war in spateren Zeiten mehrmals mit einem dicken Ucberzug von Oelfarbe versehen worden, wodurch die Feinheit des Werkes verdeckt war. Nach Besei~ tigung dieser Tiinehe stellte es sich heraus, dass die Figur urspringlich bemalt war, und zwar: die Haare vergoldet, der Schleier weiss, der Mantel blau und das Unterkteid roth. Diese Madonna, welche sich dureh ungemeine Lieblichkeit und kiinst- lerischen Tiefsinn als die gelungenste Darstellung unter den Madonnenbildern des Meisters auszeichnet, fallt offenbar in die Periode von 1520—25.“ — Von jedem Ucberzuge gereinigt, hat der jetzige Besitzer dem Bildwerke cin einfaches Piedestal geben lassen, auf welchem es sich in seiner natirlichen Stein- farbe sehr vortheilhaft ausnimmt. D. R. Raunstiitersatur. Les ducs de Bourgogne. Etudes sur les lettres, les arts et Vindustrie pendant le XV° siecle et plus particulierement dans les Pays-Bas et le duché de Bourgogne par le comte de Laborde, membre de VTinstitut. Seconde