die Ursachen enthalt, weshalb er vom Jahre 1425 an von je-
nem Firsten ein Jahrgeld von 100 Livres erhalt. Gleich aus
den Worten des Anfanges ,,A Jehan de Heik, jadis poinire et
varlet de chambre de feu M. S. le duc Jehan de Bayviére“,
erfahren wir, dass er schon friiher in Diensten jenes Firsten,
Oheims Philipp des Guten, gestanden, welcher im Jahre 1490
in einem Alter von erst 17 Jahren zum Bischof von Littich
erwahlt, wihrend seiner Verwaltung durch die furchtbare, bei
der Unterdriickung der Empérung von Liltich bewiesene Grau-
samkeit sich in der Geschichte den Beinamen Jean sans pitié
erworben hat. Héchst wahrscheinlich ist aber Jan van Eyck
erst, nachdem Johann yon Baiern jene Wirde im Jahre 1418
niedergelegt hatte, in dessen Dienste getreten, indem er, wohl
gewiss um 1396 geboren, im Jahre 1418 erst ein Alter von
22 Jahren hatte. Da Johann von Baiern im Jahre 1424, wie
es heisst auf Anstifien des Herzogs von Gloster, welcher seine
Nichte, die bekannte Jacqueline von Baiern, geheirathet hatte,
vergiftet wurde, so erhellt, dass Jan van Eyck bald nach des-
sen Tode in die Dienste Philipp des Guten getreten ist  ).
Wenn wir nun schon durch diese Stellung bei jenem Firsten
mit Sicherheit abnehmen kénnen, dass der Kiinstler schon sehr
frih zu einem namhaften Rufe gelangt sein muss, so wird die
hohe Achtung, worin er schon damals, sowohl als Kistler,
wie als Mensch, stand, noch ausdriicklich durch folgende Worte
hestatigt: ,,Lequel M. d. S. (d. h. mon dit Seigneur, die kurze
Bezeichnung des jedesmaligen Herzogs, in den Rechnungen,
hier Philipp des Guten) pour labilité et souffisance que par la
telacion de plusieurs de ses gens, il avoit oy et meismes sa-
voit et cognoissoit estre de fait de pointure en la personne
du dit Jehan de Heick. Jcellui Jehan, confians de sa loyauté
et preudommie, a retenu en son pointre et varlet de chambre,
aux honneurs, prérogatives, franchises, libertés, drois, prouf-
fis et émolumens accoustumez et qui y appartiennent. Et affin
ЧРИ soit tenu de ouvrer pour lui de pointure toutes les fois
qwil lui plaira, lui a ordonné prendre et avoir de lui, sur sa
recepte générale de Flandres, la somme de’ c liv. p.?) mon-
noie de Flandres, 4 deux termes par an, moitié au Noel et
Yautre moitié a Saint Jehan, dont il veult estre le premier
ensuivant et ainsi d’an en an et de terme en terme, tant qu il
lui plaira®), Aus der Bestimmtheit und Umstandlichkeit, wo-
mit darauf den Haushofmeistern und sonstigen Beamten ein-
gescharft wird, sowohl dem Jan van Eyck alle obigen, mit
jener Stelle verbundenen Rechle und Vortheile ruhig geniessen
zu lassen, als ihm das Jahrgehalt stets richtig auszuzahlen,
geht hervor, welchen grossen Werth der Herzog darauf legte,
den Kiinstler in seinen Diensten zu haben. Durch die Beru-
fung auf die Bestallung am Ende, als worin alles Dieses noch
	1) Siehe iiber Jean sans pitié Histoire de ШМесе раг Е. С. 4е Gerlache,
Briissel 1843, und Polain Histoire de ancien pays de Liege, Liege 1844.

2) Abkirzung fir parisis, eine damals sehr verbreitete Minze.

3) Fir Solche, welchen das Altfranzdsische nicht gelaufig ist, folgt hier
eine Uebersetzung: ,,Welchen (Jan y. Eyck) mein besagter Herr (Philipp der
Gute) wegen seiner Geschicklichkeit und Tuchtigkeit, von der er durch den
Bericht von mehreren seiner Leute vernommen, und von welcher er auch
selber wusste und Kenntniss genommen, dass sich Dieses in Betreff der Ma-
lerei in der Person des besagten Jan van Eyck also verhalte. Diesen Jan
hat er, vertrauend auf dessen Redlichkeit und Sachverstindigkeit als seinen
Maler und Kammerdiener die hergebrachten Ehren, Vorrechte, Freiheiten,
Rechte, Vorthcile und Einktnfte vorbehalten, welche einem solchen zukom-
men. Und damit er gehalten sei fir ihn zu jeder Zeit, welche ihm gefallen
mége, als Maler zu arbeiten, hat er ihn angewiesen von ihm auf seinem
Haupteinnahmeamt von Flandern jahrlich 100 Livres an flandrischer Miinze zu
empfangen und zwar die Halfte zu Weihnachten und die andere Halfte zn
Johannis; hievon soll nach seinem Willen die erste Zahlung alsbald und so~
fort von Jahr zu Jahr und von Termin zu Termin geleistet werden, so lange

als es ihm (dem {Terzoge) gefallen wird,“
	austinrlicher enthalten sei, erfahren wir, dass dieselbe vom
Herzog zu Briigge am 19. Mai des Jahres 1425 gegeben wor-
den ist *). Da, wie aus anderen Rechnungen hervorgeht,
die Arbeiten dem Kiéinstler noch besonders bezahlt wurden 2),
so erscheint eine Pension von 100 Livres fiir jene Zeit als
sehr betrachtlich, denn nach den genanesten dariiber ange-
stellten Berechnungen *) hatte ein Livre in jener Zeit unge-
fahr den Silberwerth von neun der heutigen Francs, so dass
die Pension etwa 900 Frances betrug; und hiezu kommt nun
noch der Unterschied des Geldwerthes von jener im Vergleich
zu unserer Zeit. Wenn sodann auch schwer nachzuweisen sein
diirfte, worin jene anderen Rechte und Vortheile, welche jene
Stelle mit sich brachte, eigentlich bestanden haben miégen, so
kénnen sie doch nach dem grossen Gewicht, welches darauf
gelegt wird, ebenfalls nicht ohne Bedeutung gewesen sein.
Was nun zundchst den Titel varlet de chambre (Kammerdiener)
anlangt, so war derselbe keineswegs eine besondere Auszeich-
nung, sondern den meisten Kéinstlern und Handwerkern ge-
meinsam, welche am Hofe der Herzoge von Burgund ange-
stellt waren. So fihrten denselben nicht allein die schon oben
erwahnten Maler, sondern auch Sticker, Schneider und Ktirsch-
ner‘). Einige andere Belige beweisen indess, dass er zu dem
Herzoge in einem naheren, persénlichen Verhaltnisse und bei
ihm in besonderem Ansehen stand. So halte er im Jahre 1434
bei einem Kinde des Kinstlers die Pathenstelle ibernommen °),
wobei er sich durch den Seigneur de Charny vertreten und
ein Pathengeschenk von sechs silbernen Schaalen zum Werthe
von 12 Mark machte. So brauchte er ihn verschiedentlich zu
zum Theil weiten Reisen, deren Zweck er ausdriicklich nicht
niher angegeben wissen will®). Da Philipp der Gute bekannt-
lich ein sehr grosser Liebhaber des weiblichen Geschlechts
war, so liegt es sehr nahe, dass van Eyck hier die Bildnisse
enlfernter Geliebten des Herzogs malen musste, bei welchen
ihm daran gelegen war, dass ein solches Verhaltniss nicht na-
her bekannt wiirde’). Auch liess er nach van Eyck’s Wahl
und Urtheil andere Kunstgegenstande machen, wie ihm denn
die Summe von 6 Francs und 6 Sous fiir die in Miniatur ge-
malten Initialen eines Buches ausgezahit werden®). Fiir die
ausserordentliche Gunst, worin der Kinstler hei dem Herzoge
stand, und als Beweis, wie sehr der First seine Dienste an~
erkannte, dient zundchst folgende Bemerkung, gelegentlich eines
ihm im Jahre 1428 gemachten Geschenks von 160 Livres: ,,A
Johannes de Eck, varlet de chambre et paintre de M. d. S.,
que icellui S. luy a donné tant pour consideration des services
quil lui a faiz, fait journellement et espoire que encor fera ou
tamps 4 venir ou fait de son dit office, comme autrement,
comme en recompensacion de certains voyaiges secrez que
par l’ordonnance et pour les affaires dicellui S. il a faiz et
du voyaige qu’il fait présentement avec et en la compaignie
de M. d. S. de Roubais dont il ne veult aucune declaration
	1) Im Original: ,,comme de tout ce que dit est puet plus @ р!аш арра-
roir par lettres patentes de mon avant dit S., sur ce svellées et ordonnées
en sa ville de Bruges le XIXe jour de may l’an mi CCCCXXV.“

2) So erhalt er 1433 fiir die Beschaftigung mebrerer Tage 76 Livres. Be-

lag 1135.
3) Unter jenen Herzogen yon Bxtgund schwankte die Mark Silber zwi-

schen 5 Livres 16 Sous und 6 Livres 8 Sous. S. A. Heylens von der Аса-
demie zu Briissel 1787 gekronte Preisschrift tiber die niederlindischen Mén-
zen des i4ten und iften Jahrhunderts.

4) Vergl. die Belige 239. 332 und 444.

5) Belag 1149.

6) Vergleiche hier die Belage 741. 814. 1186.

7) Fir die erste Reise, welche er im Jahre 1426 machte, erhalt er
Q1 Livres 5 Sous, fiir die zweite in demselben Jahre aber gar 360 Livres,
endlich fir die dritte im Jahre 1435 720 Frances.
	8) 5. Веае 1454.

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