selbst zu laulern verstehl! Pollaks Gemalde ist hier tiber Ge-
bihr belobt und besungen worden. Es ist so ganz und gar
modern, und salonfahig, dass es wohl zu begreifen ist, warum
eine gemalte Rekapitulation von Riedels ,,Sokuntala‘ ausge-
stattet mit allen kleinen Reizen, die, so wenig sie bedeuten, so
viel Altraktionskraft doch besilzen, mit so grossem Beifall be-
grusst wurde. Doch hat seit der Ausstellung der Melusine sich
die holde Nymphe in das Dunkel ihrer Grotte zuriickgezogen,
und ist so aus den Augen und Sinn des Volkes gekommen,
wahrend der Kiinsiler in einem Fach, das er viel mehr zu be-
herrschen versteht, im Portrait, die kleine Scharte langst wie-
der gut gemacht hat.

Anders ist es mit dem Bilde Dittenbergers. Dieses kolos-
sale Bild mit seinen weit tiber lebensgrossen Figuren macht
grossere Anspriiche an sich, es hat grésseren Anforderungen
zu geniigen. Es ist eine Arbeit von mehr als vier Jahren, in
einer Richtung, die hier sellten betreten wird. Um das Bild in
seiner Konzeption zu verstehen, muss man auf die Zeit seiner
Entstehung zurtickkommen. Es wurde vom Kaiser Ferdinand
bestellt, es sollte ein ,,ésterreichisches“ Bild sein. Aber was
war damals Oesterreich, was konnte, was durfte es sein? Ein
Oesterreich ohne Verfassung, ohne Landtagsordnung, ohne Be-
lagerungszustand, war jedenfalls ein ,,frommes“ Oesterreich,
und es ist daher gar nicht zu verwundern, dass der Kiinstler den
religidsen Standpunkt in den Vordergrund stelite. Der Stand-
punkt, von dem man damals Oesterreich allein beurtheilen
konnte, war der glaubige. Diesem Zug des damaligen héheren
Lebens folgend, hat Dittenberger, der es sich zur Aufgabe
setzte, von einem tiberblicksfahigen Standpunkte aus, den Segen,
den Reichthum und die Macht Oesterreichs darzustellen, die
Volkssage vom heiligen Severin zum Mittelpunkte seines Ge-
miildes gemacht. Oesterreichs Apostel, der heilige Severin,
dessen Wirken sich der Sage nach um Wien konzentriret, der
in den der Residenz benachbarten Orten, Heiligenstadt und
Sievering (der Name des Dorfes soll von dem dsterreichischen
Apostel herstammen) gelebt haben soll, tritt auf diesen nahen
Héhen Wiens auf, mit seinen segnenden Handen Wien, das
Herz Oesterreichs, gleichsam umfassend und segnend. Ihn be-~
gleiten Chorknaben mit den Symbolen des Christenthums, Ver-
schiedene gréssere Gruppen zeigen die materiellen und geisti-
gen Schalze des Kaiserstaates. Acker- und Gartenbau, Berg-
bau, Jagd und Fischerei, Handel, Wissenschaft und Kunst, die
der Kistler der Wahrheit gemiss jugendlich dargestellt und
in den Hintergrund gestellt hat, sind durch selbstindige Figuren
dargestellt, die sich zu Einer Gruppe verbinden. Auf der an-
deren, der rechten Seite des Bildes eréffnet uns eine Gruppe
das Bild des Volkscharakters, des treuen frohen heiteren Sin-
nes des Oesterreichers. Ueber diesen drei Gruppen, in deren
Hintergrunde der Leopolids-, Kahlenberg so wie der Donau-
strom zu sehen, jene Ebene durchschneidend, auf denen der
erste Habsburger den stolzen Sinn des Czechenkénigs Ottokar
gebrochen, auf denen Napoleon zum ersten Male durch Oester-
reichs Vollkraft besiegt wurde, tiber diesen Gruppen zieht ein
weiter Bogen von Portraten durch die Luft, verschwindend auf
dem Kahlen-, Leopoldsberg. Nach der Richtung hin begegnet
uns das tapfere hochherzige Geschlecht der Babenberger, weiter
das Geschlecht der Habsburger, darunler der kluge haushil-
terische Rudolph I, der ritterliche Max, der grosse Karl V,
die edle Maria Theresia und endlich ihr grosser Sohn, der
cinzige wahrhaft volksthimliche Regent Joseph Il, Im Vor-
dergrunde bringt eine Gruppe den Gedanken des ganzen Bildes
zum Abschlusse; die Reprdsentanten dreicr Stamme, der Slaven,
Magyaren und Italiener knieen auf dsterreichischer Erde, ihre
Kénigskronen liegen auf Ocsterreichs Fahne. Und die Deut-
	schen? wlirde jemand fragen, wo sind diese? — Die Antwort
ist das ganze Bild, Severin ist ein deutscher Apostel, alle
Firrsten Oesterreichs sind deutsche Fiirsten, und der Boden,
auf den Slaven, Magyaren und Italiener huldigend knieen, ist
deutscher Boden, und wird es hoffentlich bleiben immerdar.

So viel vom Gegenstande des Bildes. Ueber die Bedeutung
und den Werth des Bildes ware vieles zu sagen, Es ist unter
allen Umstinden keine leichte Aufgabe ein Gemilde zu Stande
zu bringen, das im eigentlichen Sinne des Wortes historisch
nicht sein kann und allegorisch nicht sein will, es gehért auch
kein geringes Studium, kein geringer Grad von Bildung dazu,
ein Gemalde von solchem Reichthum, von solcher Menge von
Figuren durchzufiihren. Jeder Vorurtheilsfreie, zu deren Zahl
hier grossentheils die Kiinstler gehéren, wird gestehen, dass
Dittenberger mehr geleistet hat, als man yon ihm erwartete.
Alles oder wenigstens Vieles, was man mil Verstand, in einem
Alter, wo man eher geneigt ist, abzuschliessen als vorwarts
zu schreiten, zu leisten im Stande ist, hat der Kinstler gelei-
stet: Perspektive, Sonderung der Gruppen, Gleichmissigkeit der
Behandlung. Jedoch damit ist zwar Etwas aber nicht alles ab-
gethan. Dem Bilde fehlt vor Allem Warme, tiefes inneres
Leben, und jene tiefpoetische Auffassung, die in der Verkdr-
perung nicht zwischen dem Ideale und einem Naturalismus in
der Mitte stehen bleibt, dem zu geniigen, die Technik nicht
im Stande ist. Wie eine solche Aufgabe gelést werden soll,
erlauben Sie mir ein andermal zu beantworten, wo auf den
Standpunkt einzugehen mir gestattet sein wird.

Schliesslich noch eine kleine Nachricht! Sie wissen, dass
Dach und Thurm der Augustinerkirche bei dem Bombardement
Wiens am 31. Oktober 1848 abgebrannt ist. Ueber diesem
Thurm schwebt ein wahrer Unglticksstern, Urspriinglich nicht
fertig gebaut, wurde er im Jahre 1805, wo ein Sturmwind
seine Rokokospitze weglrug, mit ciner neuen Spitze in ahn-
lichem Style yersehen. Wie jelzt die Restauration vor sich
gehen wird, weiss man nicht. Jedenfalls scheint man mit den
Gedanken umzugehen, den Thurm in der Weise zu restauriren,
dass er im Einklange mit dem Innern der Kirche steht. Unge-
wiss ist es nur, ob dariiber ein Konkurs ausgeschrieben wird,
wie es in einer so hacklichen, ein feines Stylgefihl voraussetzen-
den, Sache von der Architektenversammlung der hiesigen Aka-
demie vorgeschlagen wurde, oder ob die Baubehérden den Bau
selbst leiten werden, welche sich jetzt mit einigen Uichtigen
Kraften, den Kiinstlern Kierschner, Bavritius und Endlicher
verstérkt haben. Auch Dr. Heider, der jiingst eine kleine Bro-
schire ther Thiersymbolik verdffenilichte, hat die nun ganz
verwaiste Akademie der bildenden Kiinste verlassen, und ist
als Konzipist in das Ministerium der Bauten iibergetreten.
	Oruffel, im Jan. (Priv.-Mitth.) Nicht ganz so, befriedigend
und tadellos, als es Ihr Berichterstalter in No, 2. beschrieb, det
wahrscheinlich eine nicht griindlich genommene Anschauung durch
die Benutzung von Programmen unterstitzt hatte, ist das grosse
Kiinstlerfest vom 5. Jan, in seinem Verlaufe gewesen. Doch
hat der Hauptfehler wohl in den zu grossen Posaunen gelegen,
welche nach allen Richtungen hin vorher in Klang gesetzt wur-
den, und immer ist viel Schénes und Lobenswerthes tiber die
Unternehmung zu sagen. — So steht es allerdings fest, dass
tiber 100,000 Frs. auf die Tombola verwendet wurden. Es sei
mir erlaubt, heute nur einige der hervorragenden Kunstwerke
derselben zu nennen. Ein sehr bewundertes Gemalde ist ,,der
	zerbrochene Fiedelbogen“ von Gallait. Hine an die Erde ge-
	stellte Laterne beleuchtet die Figur eines armen jungen Savoyar-
den, den Hintergrund bildet eine kahle, graue Mauer. Der
Knabe weint tiber sein zerbrochenes Instrument, das ihm sein