stimmung des Gefasses zart und liefsinnig darstellen. Da sieht
man an den Rauchgefissen die drei Manner im feurigen Ofen,
deren Gestalten daran erinnern, wie aus der Flamme des Her-
zens das inbriinstige Gebet, dem Weihrauchdufte gleich, zum
Herrn emporsteigt, welehes dann noch durch einen Engel auf
der obern Spitze des Gefaisses versinnlicht ist ). So sind an
Taufbecken die ParadiesesstrOéme mit den Tugenden, die Aus-
giessung des heiligen Geistes mit Wundern und Zeichen, die
sich durch Wasser ausserten, in sinnreiche Verbindung ge-
bracht?). Ebenso fand diese Symbolik auf die Malerei Anwen-
dung, besonders in Wand- und Deckengemalden, wo dann
die Form der Kreuzgewélbe, deren vier Kappen jedesmal ein
Ganzes bilden und doch wieder sich an die benachbarten Kreuz-
gewélbe anschliessen, eine giinstige Gelegenheit geben, ein
grésseres Ganzes in mehreren Absehnitten von relaliver innerer
Einheit, gleichsam ein Gedicht in mehreren Gesdngen darzu-
stellen*), Auch in Miniaturen finden sich zuweilen symbolisch
zusammengestellte Bilder +). Schon die gewéhnliche Anordnung
der miniirten Breviarien, wo den evangelischen Hergingen ohne
Veranlassung des Textes die entsprechenden vorbildlichen Histo-
rien des alten Testaments zur Seile gestellt sind, gehdért in
dies Gebiet. Es ist schon ein raumlicher Parallelismus. Be-
sonders geistreiche Zusammenstellungen finden sich dagegen in
Glasgemalden, namentlich spit romanischer Kirchen, wo die
Fenster noch keine inneren Eintheilungen durch Masswerk er-
hielten und dennoch zu gross waren, um durch ein einzelnes
Bild ausgefillt zu werden. Denn hier wurden nun шейтеге
gréssere und kleinere Bilder in versehieden geformten Umgren-

zungen bedeutungsvoll gruppirt, so dass jedes fiir sich einen
geschichilichen Inhalt hatte, mehrere zusammen in symbolischer
Beziehung standen, und das Ganze dieser Gruppen endlich einen
wichtigeren Gedanken andeutete, wahrend es zugleich durch
die geometrische Anordnung dem Auge Befriedigung gewéahrte.
Als Beispiel fiihre ich ein Fenster des Doms zu Bourges an,
welches die Leidensgeschichte Christi mit symbolischen Bezie-
hungen enthalt. In der Mitte der Héhe des Jang und schmal
gestreckten Fensters sieht man in einem Medaillon die Kreuzi-
gung, daneben auf der einen Seite die Kirche, das Blut auf-
fangend, auf der andern die Synagoge. Oberhalb und unterhalb
dieser Gruppe sind gréssere Medaillons und zwar in Gestalt
eines Vierblatis, in welchem in dem innern Kreise des obern
die Auferstehung, in dem des untern die Kreuztragung in grés-
sern Bildern dargestellt, und beide von je vier symbolisch dar-
auf bezogenen alttéstamentarischen Hergangen im kleinern Mass-
stabe umgeben sind®). Diese beiden Gruppen nehmen, die erste
	4) So an einem kupfernen Gefasse bei Didron, Annal. areh. IV. p. 293.

2) z, B. das Taufbecken im Dome zu Hildesheim (Kratz d. D. z. H. IL
S. 195), das in S. Bartholomai zu Lattich (Niederl. B. 8. 533. Didron, Annat.
arch. V. p. 27 #f).

3) Ein ausgezeichnetes Beispiel geben die Gemalde der (nunmehr abge-
brochenen) Kapelle von Ramersdorf bei Bonn, die ich in einem im Kaél-
ner Domblatt 1846 No. 24 und im Taschenbuch vom Rhein (Esser 1847) ab-
gedruckten Aufsatze beschrieben habe. Vgl. Kugler, Handb. der Gesch. d.

Mal. 2. Aufl. [. 192.
4) In einem Evangeliarium zu Bamberg aus dem (1. Jahrhundert, Christus

in der Glorie, in derselben Uranus ein hellblau-grauer miannlicher, unten
Tellus ein brauner weiblicher, rechts Sol ein rother mannlicher, links Luna
ein blauer weiblicher Kopf, Also die vier Elemente in Beziehung auf Stelle,
Geschlecht, Farbe polarisch entgegengesetzt. Kugler im Muscum 1834 S, 163
und im Handb. d. Gesch. d. Mal. 4. Aufl. IL 9.

5) Neben der Auferstehung die Erweckung der Tochter der Wittwe in
Sarepta durch Elias; Jonas aus dem Rachen des Fisches kommend; David
mit dem Pelikan; endlich der Léwe vom Stamme Juda oder auch mit Be-
ziehung auf die Sage, dass der Lowe seine Jungen durch Gebriill ins Leben
rufe. Bei der Kreuztragung das Weib mit dem Holze. 3 Kon. K. 17 y, 8—13;
	das Osterlamm: Abrahams Opfer; Abraham auf dem Gange dazu.
	colossale Gestalt Christi, rings umher die der 12 Apostel; unter
Christus Lowe und Drachen, Aspis und Basilisk, also das Bése
von ihm iiberwiltiget; unter den Aposteln in 24 Medaillons
Tugenden und darunter Laster, an den Thiirpfosten selbst noch
in kleinen Reliefs senkrechter Ordnung die klugen und thé-
richten Jungfrauen. Im Bogenfelde dann das jiingste Gericht,
in einer grandiosen, ernsten Darstellung; in den Bogen die
himmlische Glorie, zuerst Engel, welche gerettete Seelen auf-
nehmen, dann die bekannte Reihenfolge seliger Schaaren, Jung-
frauen, Martyrer, Bekenner (jene wohl wegen der Verwandl-
schaft mit den Engeln ihnen zunachst gestellt), dann die 24
Alten der Apocalypse, zuletzt alttestamentarische Gestalten.
Das dritte Portal endlich giebt die Geschichte der Kirche, re-
prasentirt durch die Legende eines Localheiligen, des h. Fir-
min, der auf dem Mittelpfeiler steht und von andern Heiligen
umgeben ist. Hier also ist die Geschichte Christi recht strenge
als der eigentliche Kern der Heilslehre zwischen die Prophe-
zeiung und die Kirche gestellt. Bemerkenswerth sind die Dar-
stellungen in den Medaillons unter den Statuen; am Portale
der Jungfrau enthalten sie allegorische Beziehungen auf diese,
an dem mittlern, wie erwahnt, die Tugenden und Laster, an
dem letzten endlich die Zeichen des Thierkreises; also 2uerst
prophetische Poesie, dann die ernste Moral, endlich das Na-~
turleben mit Einschluss der durch die Sternbilder als Repra-
sentanten des Verlaufes der Zeit angedeuteten Geschichte.

Zu den reichsten Werken der Skulptur gehéren die Vor-
hallen der Kreuzschiffe am Dom zu Chartres, welche zusam-
men nach Didron’s Berechnung, freilich mit Einschluss der
kleinen Statuetten, mehr als achizehnhundert Figuren enthalten.
Sie stellen nach der Auslegung dieses Archéologen die ganze
Encyclopédie, das ganze Gebaude historisch religiésen Wissens,
dar.. Die siidliche Halle ist rein historischen {nhalts; sie be-
ginnt mit der Aussendung der Apostel, umfasst die Geschichte
einiger Heiligen und endet mit dem jiingsten Gerichte. Da-
gegen ist die nérdliche Halle sehr eigenthtiimlich. Sie giebt
ndmlich die vorchristliche Geschichte bis zum Tode der Jung-
frau, mit Einschluss der physischen und geistigen Naturge-
schichte; sie beginnt also mit der Schépfung, betrachtet dann
nach der Austreibung aus dem Paradiese die Natur in ihrer
Beziehung auf den Menschen, den Kalender mit dem Weehsel
der Landarbeiten, die Handwerke, die Kiinste, geht darauf die
Tugenden*) durch und gelangt nun erst zur heiligen Geschichte,
welche auch das Leben Christi umfasst und mit der Krénung
der Jungfrau schliesst. Es ist sehr merkwiirdig, dass auch
hier, wie in Freiburg, die Jungfrau mit dem Naturleben in
Verbindung gebracht ist.

In diesem Falle, wie in vielen andern, gab also die ge-
waltige Anhdufung der Statuen nur eine Art von chronologi-
scher Encyclopadie, ahnlich den grossen Sammelwerken der
Wissenschaft. Allein auch dies beruhte auf symbolischen Mit-
teln; auf der Symbolik des Raums und auf der Uebung, leise
	Andeutungen und die kirzesten Abbreviaturen zu gebrauchen
und zu verstehen.

Diese Symbolik war nicht auf die Plastik an der Architektur
beschrankt, sondern machte sich bei allen andern Kunstleistun-
gen geltend. Sehr bedeutsam und sehén erscheint sie nament-
lich an Kirchengeraéthen, wo oft aus dem phantastischen
Spiele der Ornamente, Gestalten hervortreten, welche die Be-
	) Die Tugenden erscheinen in sehr grosser Zaht. An 14 grossen Statuen
derselben befanden sich Inschriften, von denen: Virtus, Libertas, Honor,
Velocitas, Fortitudo, Concordia, Amicitia, Majestas, Sanitas, Securitas kenn-
bar waren. Eg sind also mehr Ejigenschaften, als Tugenden in unserem
Sinne des Worts.