oben, die zweite unten, den gréssern Raum des Fensters ein, wahrend die Kreuzigung in der Mitte wieder mit zwei halben Medaillons, die unten am Fusse und oben in der Bogenspitze des Fensters angebracht sind, in symmetrischer Beziehung steht’). Das Ganze zeigt also fiinf Abtheilungen, zwei grossere, getrennt und begranzt von drei kleineren; die gréssern und die kleinern wie durch ihre Form so durch den Inhalt verbun- den, und die mittelste Abtheilung durch die Verbindung des Gekreuzigten mit Kirche und Synagoge gleichsam den Schliissel der ganzen Composition enthaltend ?). Diese Beispiele werden geniigen, um die Bedeulung dieser Raumsymbolik zu zeigen*). In manchen Fallen mag man sie als ein miissiges Spiel des Scharfsinnes ansehen, welches das Gemiith kalt lasst. In andern entsteht nur eine blosse Samm- lung von allerlei Wahrheiten und Nachrichten. Wenn aber diese Bildergruppen in einem wahrhaft kiinstlerischen Sinne ge~ dacht, wenn sie mit geistreicher Benutzung der symbolischen Abbreviaturen ausgefihrt sind, ist ihnen eine grosse eigenthiim- liche Schénheit nicht abzusprechen. Ich will zugeben, dass diese Schénheit nicht eine ausschliesslich plastische ist, allein sie gehdrt doch der bildenden Kunst an; sie beruht auf einer Durchdringung plastischer und architektonischer Elemente. Denn nur eine grosse Feinheit des architektonischen Sinnes machte es méglich, vermége der Stellung der einzelnen Figuren oder Gruppen ihre innere Beziehung zu einander auszusprechen. Wie kraftlos ist eine wértliche Auseinandersetzung der Herginge gegen den Eindruck, welchen die Seele durch das Auge em- pfangt, wenn es von oben nach unten geleitel, den Gegensatz des Irdischen und Himmlischen, oder in den symmetrischen Be- ziehungen die innere Verbindung verschiedener Gegenstande, ihre Vermittelung durch einen dritten Hergang wahrnimmt. Man besass dadurch ein Mittel, die tiefsten Gedanken mit plastischer Klarheit auszusprechen, Gedanken, welche einer andern Kunst- richtung unzuganglich geblieben waren. In der That gelangte die Kunst des Mittelalters erst dadurch auf die Hohe ihrer Zeit. Die sentimentale oder ruhige Frém- inigkeit einzelner Gestalien erschépfte das religidse Gefiihl des Mittelalters nicht. Dies beruhte ganz auf jenem grossen Ge- danken, nach welchem die Scholastik auszog, mit welchem die Mystik rang, auf jener festen Ueberzeugung, dass alle Dinge ihren Massstab und ihr Ziel in der géttlichen Offenbarung hat- ten, dass daher alle Kreise und Gebiete des natiirlichen und geistigen Lebens nur das Spiegelbild jener héchsten Wahrheit seien. Die Kunst vermochte es allein, diesen grossen Gedan- ken ohne schwerfallige scholastische Formeln in lebendiger An- schauung der Seele vorzufiithren. Sie besass darin vor jeder naturalistischen Kunst einen Vorzug, der fiir manche Mangel 1) Tas untere scheint keine andere Bedeutung zu haben, als das Metzger- gewerk, als Stifter des Fensters, 2u bezeichnen. Auf dem obern sind Filti Joseph dargestellt, Ephraim dem Manasse vorgezogen, 1. Mos. Cap. 48 у. 14, also eine Erinnerung an den Gegensatz der Kirche gegen die Synagoge, der geistigen Erwahlung gegen das aussere Recht des Alters. 2) Ygl. dieses und andere dhnliche Glasgemalde in dem Prachtwerke von Martin und Cahier, Monogr. de la Cathedrale de Bourges; Paris 1841—1844. 3) Im Dom von Canterbury ist auf einem Glasgemalde die Hochzeit zu Canaan dargestellt, daneben avf einer Seite die sechs Menschenalter, auf der andern die damit parallelisirten sechs Weltalter (Adam, infantia; Noé, pueritia; Abraham, adolescentia; David, juventus; Jeremias, virilitas; und endlich Christus, als das Ende des weltlichen Lebens, senectus). Auf der Hochzeit sind sechs Kriige und die Umschrift sagt nun: Hydria metretas capiens est quaclibet aetas, Lympha dat historiam, vinum notat allegoriam. Der Krug, der die Flassigkeit fasst, gleicht jeglichem Alter; Wasser ist seine Geschichte, der Wein ihre Allegorie. Die Geschichte jenes Wunders ist also das Symbol der Symbolik selbst, die auf jeglichen irdischen Verlauf Anwen- dung findet. entschadigt, zumal da er mit diesen Mangeln zusammenhangt. Denn nur dadurch wurde die Ausfihrung dieser grossen gedan- kenvollen Werke méglich, dass der Sinn tiber manche Anfor- derungen leicht hinwegsah und mit einer kindlichen Naivetat auch in unvollkommenen Formen grossen Aufgaben nachging. Aetwune. * (Wren, 20. Jan. Die Neubauten, welche demniichst hier in Angriff genommen werden sollen, beschaftigen lebhaft die Kiinst- ler und das Publikum. Dieses erwartet durch dieselben eine nicht unwesentliche Verschénerung der Residenzstadt, welche in den letzten Jalrzehnden theils durch die Lassigkeit des Gou- vernements, theils durch misslungene Regierungsbauten weit hinter anderen Staddten ersten Ranges zuriickgeblieben ist. Mit der Vernachlissigung der Architektur verfielen auch natiirlich die anderen Kiinste, die hier insbesondere zu Zeiten des Prin- zen Eugen von Savoyen, Carl VI. uad Maria Theresias — in- soweit die damalige Geschmacksrichtung ihre Anwendung auf Architektur begiinstigte — einen nicht unerheblichen Aufschwung, vorztiglich nach ihrer gewerblichen Seite, genommen haben, seit der Zeit aber ganz verkiimmert sind. Jetzt natitrlich, wo un- aufschiebbare Bediirfnisse zu Bauunternehmungen drangen, fangt man auch hier zu fiihlen an, dass die Architektur jene Kunst ist, an die sich alle anderen anlehnen. Im Innern der Stadt werden die Neubauten im Gefolge von Erweiterungen der Stadt auftreten, Diese sollen an zwei Punkten stattfinden, zwischen der Augustiner- und Wasser- kunstbastei und zwischen dem Stubenthore und der Biberbastei. Auf diese Weise will und wird man Terrain gewinnen. Was die erste Vergrésserung betrifft, so soll diese in folgender Art vor sich gchen. Man will die Escarpemauern vom Palais des Erzherzogs Karl, so wie jene vom Palais Colovrat in gerader Richtung verlangern, bis sie sich jenem Punkte nahern, an dem in der Richtung der Karnthnerstrasse das neue Karnthner- thor gebaut werden soll. Das alte Hofbauamt, das jetzige Karnthnerthortheater, die Gebaude an den jetzigen Basteien des Karnthnerthores und das Thor selbst sollen abgebrochen wer- den, Dadurch wird ein grosser Raum gewonnen, der vorerst zur Erbauung eines neuen Opernhauses benutzt werden soll, die neuen Basteien selbst sollen gegen das Innere der Stadt zu mit Verkaufsliden (Hallen?) versehen werden. An diesem Punkte im Innern der Stadt stehen uns also zwei bedeutende Bauten bevor, das neue Karnthnerthor und das Opern- gebaude. Fir beide sollen dffentliche Conkurse ausgeschrie- ben werden. Nur scheint man iiber die Ausdehnung des Con- kurses nicht einig zu sein; einige wollen allgemeine Conkurse fir alle Kiinstler Oesterreichs und Deutschlands, andere wollen die nichtésterreichischen Kinstler ausgeschlossen, und wieder andere wollen nur einen Conkurs unter jenen Personen, die als anerkannte Nolabilitaten bekannt sind. Dass tiberhaupt ein Conkurs nothwendig ist, scheint man — Gott sei Dank! — end- lich auch in den Bureaus anerkannt zu haben. Die Kosten zu diesen Gebauden hofft man durch Vermielhung der Verkaufs- gewolbe, durch Verkauf von 1800 Quadratklaftern Baugrundes u. s. f. hinlinglich gedeckt zu haben. Durch diese Baulen wiirde die Stadt sich der Vorstadt Wieden sehr nahern, um so mehr, als durch die Regelung des Wienflusses dieser und die neue Briicke in geringer Enlfernung von dem neuen Karnthnerthore liegen wirde. Das Stubenthor auf der nordéstlichen Seite der Stadt soll erweitert, und zwischen dem neuen Zollgebaude und dem neucn Postgebiude, das durch Verlingerung nach beiden Seiten hin eine ansehnliche Vergrésserung erhalten wird, ein