Aeitung fic bildende Kunst und Baukunst, Organ der deutSchen Kunstvereine, Unter Mitwirkung von ugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Disseldorf — Schnaase in Berlin — Schulz in Dresden — F@rster in Miinchen — Eitelberger v. Edelberg in Wien Die Aesthetik fiir Kiinstler. Die Frage nach dem rechten Verhaltniss des Kiinstlers zur Kunstwissenschaft im Allgemeinen ist bereits in der ersten Nummer dieses Blaties angeregt und in einer Weise beant- wortet worden, dass wohl jeder geneigte Leser mit den gege- benen Erérterungen einverstanden sein, vielleicht auch Man- cher eine Fortfihrung derselben in die einzelnen Gebiete der Kunst - Wissenschaft hincin wiinschen wird. Der Kiinstler denkt in Formen, der Philosoph in Begriffen, wie vereinigt dies sich zur Kunstphilosophie? Die Formen des Kiinstlers lassen sich auch begreifen, d.h. also in Begriffe fassen. Es ist aber die fir uns wesenlliche Frage, in wie fern lassen sich die Formen als Begriffe fassen, und erhalten wir dadurch mehr als eine blosse nutzlose Abstraction von den concreten Formen? Wird durch eine solche Abstraction die kiinstlerische Form nicht in einen blossen Schatten verwandelt, so dass den gewonnenen Begriffen alles und jedes Leben fehlt und der Kiinstler sich ihnen von vorne herein und fir immer enifremdet fiihlt? Wir miissen solche und ahnliche Fragen rundweg verneinen, auf Grund folgender Betrachtung. Die Formen, welche der Kiinstler darstellt und in denen ег deshalb schaffend denkt, sind in sofern schon, weil — und nach dem Masse als ihnen die Idee des Schénen einwobnt. (Kein Kinstler wird diesen Satz, in welchem die wahrhaft ideale Seite der Kunst ausgesprochen ist, bestreiten.) Indem nun der Kunstphilosoph diese Formen zu begreifen d. h. in Begriffe zu fassen sucht, hat er keine andere Aufgabe als die: zu erfor- schen und darzulegen, in welchem geistigen Zusammenhange die Idee mit den Formen steht; er hat die Natur beider dar- zulegen um ihre Verbindung begreiflich zu machen. Denn es ist offenbar, dass ein Connex zwischen Idee und Form vor- handen sein muss, weil sie mit einander in Wechselwirkung — die hdchste und innigste Art des Connexes — stehen; aus den Formen des Schénen erkennen wir die Idee, und nach der Idee wie durch sie werden die Formen geschaf- fen. Dieser Connex aber, d.i. die Wechselwirkung von Idee und Form, in so fern sie in der Sphare des menschlichen Gei- stes sich befindet, muss auf dem Wege der philosophischen, niher der psychologischen Forschung nachzuweisen sein. Ist dies die Aufgabe der Kunstphilosophie, so lasst sich gleich yorausschen, welche Bedeulung und welchen Nulzen sie fir redigirt von Dr. EB. Hgegers in Berlin. Montag, den 18. Februar. den Kunstler haben wird. Bevor wir diese naher erértern und begriinden, nur noch dies: An den beiden dussersten Enden, an der héchsten und nie- drigsten Gattung kiinstlerischer Schépfung, ist die Méglichkeit, Kunstformen in Begriffe zu fassen, am leichtesten erkennbar. An der Baukunst, besonders der einfachen, sogenannten niitzlichen, und an der Poesie. Ein einfach schénes Gebaude lasst sich mit blossen Begriffen, also in Worten dergestalt darstellen, dass es der unmiltelbaren Anschauung nicht bedarf, um ein ganzes und vollstindiges Bild davon in der Seele zu erhalten. Hier kann man die Formen ganz und gar durch Be- griffe wiedergeben. Nicht so bei einem Gemalde oder einer Statue, wo jede, auch noch so fleissige, Schilderung die un- mittelbare Anschauung nie ersetzen wird; die blossen kalten Begriffe erzeugen der Phantasie kein Bild, wie es sich in den hoheren lebendigen, volleren Formen ausgepragt hat. Von der andern Seite aber hat die Poesie gerade in ihrer héchsten Form, der von keinem Gesange oder Spiele begleiteten Rede im Drama, kein anderes Element als eben Worte, welche in formeller Beziehung von den blossen Begriffen nur um ein Geringes entfernt sind. Hier sind die Formen der Kunst wieder ganz in den Formen der Begriffe und Worle enthalten und ersché- pfend dargestellt. Hier kann es nicht schwer sein, die kinstle- rische Form des Gedankens in der Gedankenform selbst zu erkennen, oder nachzuweisen, in wiefern und wodurch dieser bestimmte Gedankeninhalt, in Worten ausgedriickt, eine Kunst- form an sich hat und darstellt. Erinnern wir uns endlich noch daran, dass es auch poetische Gedanken giebt, d. h. Ge- danken, welche, ganz gleich ob sie in diesen oder jenen Worten ausgedriickt werden, an und fiir sich schén sind, so wird es uns immer mehr klar, dass die Form des Schénen oder die schéne Form, durchaus nicht bloss ein sinnliches, sondern viel- mehr ein rein geistiges Element sei; als solches aber muss es auch von dem denkenden Geiste ohne Einbusse seiner Ho- heit und Reinheit seiner Fille und Lebendigkeit erfasst wer- den konnen. Geschieht dies nun von Seiten der Aesthelik, sucht sie die Idee des Schénen aus den einzelnen Erscheinungen derart zu gewinnen, dass sie aus jedem einzelnen und besonderen Kunstwerke die Idee, welche es darstellt und tragt und von welcher es wiederum getragen und zum Schénen gemacht wird, heraushebt, und von diesen besonderen und einzelnen schénen Ideen zur héchsten aulsteigt, sucht sie dann wiederum 7