schritte, einerseits als ein neuer Zweig der zeichnenden Kunst
unter dem Einfluss der Maler, andererseits als ein neuer Zweig
des gewerblichen Verkehrs, unter den Einfliissen der verwand-
ten Vervielfaltigungsktinste des Holzschnitis und Buchdrucks,
in’s Licht zu stellen. Zu diesem Behuf sind, neben der chro-
nologischen Anordnung der ersten Kupferstiche nach den Mei-
stern, auch andere Zusammenstellungen nach verschiedenen Ge-
sichtspunkten néthig, besonders unter den anonymen Kupfer-
stichen des 15. Jahrhunderts, von denen Bartsch die wenigsten
gekannt hat, und zu deren Verzeichniss bei ihm spatere Ent-
deckungen eine so reiche Nachlese geliefert haben. Gerade
diese sind aber fiir den Forscher um so interessanter, als sich
unter iknen manche befinden, welche den Anschein erster An-
fange der Kunst, oder andere Eigenthtimlichkeiten an sich tra-
gen, die bei naherer Untersuchung zu wichtigen Folgerungen
fiihren kénnen. Ich nehme hier eine zwar nur kleine Anzahl
heraus, die aber gleich auf den ersten Blick unsere Aufmerk-
samkeit an sich zieht. Es sind dies gewisse schon durch ihre
Foliogrésse hervorstechende Blatter, in denen mehrere unter
sich zusammenhangende Vorstellungen aus der Geschichte oder
Sage, entweder in eine bestimmte abgeschlossene Reihe oder
in ein einziges Bild kombinirt, und durch eine Menge von
Schriftzetteln oder andern Inschriften an verschiedenen Stellen
desselben, erliutert werden. Theils dadurch, theils durch ihren
Stich haben diese Blatter zugleich ein sehr alterthiimliches Ge-
prage, welches an die ersten xylographischen Bicher und flie-
genden Blatter der Briefdrucker und Briefmaler erinnert, denen
sie sich zunichst anschliessen. Thre Zahl wird durch ein Blatt
vermehrt, welches mir vor Kurzem bei einem hiesigen Kupfer-
stichhandler zu Gesicht gekommen, aber wegen des dafiir ge-
forderten hohen Preises yon 1000 Franken leider nach England
gegangen ist. Dieses ganz unbekannte Blatt, welches ich da-
her fiir das einzige noch iitbrige Exemplar halten muss, ist nicht
nur fir die Gruppe, zu der es gehért, sondern auch an sich
und historisch so merkwiirdig, dass ich nicht umhin kann, fol-
gendes ausfihrlicher dariiber mitzutheilen und meine Bemer-
kungen iiber die ganze Klasse der gleichartigen Kupferstiche
daran anzukniipfen.

A. Beschreibung. Der Kupferstich innerhalb des Ran-
des, der aus einfachen Einfassungsstrichen hesteht, ist hoch
8 Zoll 3 Lin., breit 11 Zoll 3 Lin. (altes pariser Fussmass), die
Plaite aber auf jeder Seite um eine Linie grésser. Er befand
sich auf der innernen Seite des abgeschnittenen vorderen Holz-
deckels eines Foliobuchs aufgeklebt. Ob dies Buch ein Manu-
script oder einen alten Druck und welchen Inhalts enthalten
habe, war also nicht zu ersehen, und eben so wenig das Pa-
pierzeichen des aufgeklebten Blattes. Unten in der Mitte sieht
man in einer Grube ausgestreckt eine Leiche, das Leichentuch,
welches sie umhiillt, ist halb offen und macht nur den schénen
und edlen Kopf und den Oberkérper sichtbar, wahrend das Ge-
schlecht zweifelhaft bleibt. Die Hande sind in der Mitte des
Leibes iibereinandergelegt. Ueber der Leiche steht in einem
Zettel: Reveriatur pulvis in terram unde erat et spiritus redeat ad
	insum gui dedit ilum. ecclesiastes 2°.*) Unten vor der Grube.
	eben so in einem Zettel: St quis esset stultus qui nolet credere
verum hic oculos leuet et respiciendo credet. Oben in der Mitte,
dicht unter dem oberen Rande, steht in einem Zettel und in
	  drei Zeilen, wie foleende Schriftprobe zeigt:
	sten Abdruck auf chinesischem Papier das Alphabet nebst dem
oben erwahnten Facsimile der alten Firma Hans Liitzelburgers
vor Augen, eine wahre Augenweide, uniberirefilich schén und
um so schitzbarer, da es fiir Sammler nach den erhaltenen
Andeutungen fast unméglich scheint, Originale dieser Buchstaben
im Ganzen oder Einzelnen ohne Letternsatz auf der Riickseite
zu erlangen. Auch jenes in der Note 121 des vorhin bespro-
chenen Buches angezogene, von Fiorillo erwahnte Exemplar
in Coburg hat sich dort noch nicht wieder auffinden lassen.
Also in 9 Jahren 14 mehr oder minder mit kiinstlerischer
Meisterschaft ausgefiihrte, mehr oder minder wissenschaftlich
oder poetisch erlauterte Todtentinze, falls nicht dieser und
jener unserer Aufmerksamkeit noch entgangen sein sollte! Eine
reiche Zahl und eine Birgschaft, dass dieser Zweig am Baume
der Kunst, Literatur und Poesie nicht leicht abdorren werde.
	Zur alteren Kupferstichkunde.
	Von Sotzmanhkh.
	Die Entstehung und das erste Aufbliihen des zum Abdruck
bestimmten Kupferstichs im 15. Jahrhundert liegt noch sehr im
Dunkeln. Deutschland und Italien streiten sich um die Ehre
der Vaterschaft, in Italien ist es Toskana und die Trevisanische
Mark, besonders Florenz, Padua und Venedig, in Deutschland
sind es die Niederlande mit den benachbarten rheinischen und
westphalischen Landern, welchen der meiste Anspruch zusteht,
aber die Frage, wo die neue Bahn zuerst in Angriff genommen
worden, und ob und in welcher Verbindung die ohngefahr gleich-
zeitigen ersten Schritte auf derselben dies- und jenseits der
Alpen mit einander gestanden haben, ist noch unentschieden.
So wie nun die Untersuchung und Vergleichung der Denkmale
selbst fiir die Geschichte der alten Kunst iberhaupt den sicher-
sten Leitfaden giebt, so gilt dasselbe auch hier, und es ist da-
her ein grosser und dankbar zu erkennender Gewinn, dass wir
durch Bartsch in mehreren Banden seines Peintre graveur ein
kritisches und raisonnirendes Verzeichniss der Kupferstiche und
zum Theil selbst der Holzschnilte aus den beiden ersten Jabr-
hunderten nach ihrer Erfindung erhalten haben. Demohnge-
achtet lasst seine Arbeit noch viel zu wiinschen und zu thun
tbrig. So unentschieden die obige Frage in Bezug auf Deutsch-
land und Italien ist, so ist sie es auch, Deutschland fir sich
betrachtet, in Bezug auf die Anspriiche der oben angegebenen
zunichst dabei betheiligten Lander. Ohne diese, ja ohne nur
das eigentliche Deutschland, die Niederlande und Frankreich
von einander zu unterscheiden, hat Bartsch die alten Kupfer-
stiche in Band VI bis IX, soweit ihre Meister namentlich oder
durch Monogramme bekannt sind, nach denselben chronologisch,
die anonymen in Band X aber nur nach den Gegenstanden ge-
orduet. Die Folge davon ist, dass sich das értlich Verwandte
von einander getrennt, und bei den anonymen Kupferstichen
das Friihere mit dem Spateren, das Gute mit dem Schlechten
bunt durcheinander geworfen findet. So unerheblich dies fir
die Befriedigung des Sammlers ist, so wenig kann sich der
Forscher damit begntigen, der sich bestrebt, das Ursprungsland
des Kupferstichs zu cntdécken, dessen Aufnahme und Verbrei-
lung geographisch~statistisch zu verfoloen, und dessen Fort-
	manet Hrectatee Мурсии ром Yugo mspe pistempefinias
пидор ад Воли, quabtate oc2ztt bome prma mashs huphna hipelas
	1) Ecclesiastes. Cap. 12. mit dem Unterschiede, dass daselbst ceum stalt epsem steht.