woof tlw. Organ der deutSchen Kunstvereine. Zeitung fiir bildende Kunst und Baukunst. Unter Mitwirkung von Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Disseldor! — Schnaase in Berlin —~ Gchulz in Dresden — FGrster in Minchen — Bitelberger v. Edelberg in Wien гед1о14 уоп Ог. Е. Eggers in Berlin. Aé Il. Montag, den 18. Marz. 1850. Johann Gottfried Schadow und seine Werke. Von Fr. Eggers. Das war fast auf allen Todtentinzen zu sehen, von denen wir eben einen ganzen Reigen betrachtet haben (und schon kiin- digt sich wieder ein neuer an), dass der Tod auch dem Kiinstler das Werkzeug aus der Hand windet und ihn mitgehen heisst in der allgemeinen Pilgerfahrt zur Ewigkeit. Mitten in der Ar- beit ruft er den Einen ab, am Feierabend den Andern, den Sohn heisst er vor dem Vater hinausgehn; wo er am wenigsten erwartet wird, da erscheint er schnell, wo man ihn schon gegenwiarlig wahnte und sein hartes Regiment schmerzvoll an~ erkannt hatte, da ist er gar nicht gewesen, da ist er eben nur voriibergeschwebt. Das ist so seine Art. Niemand weiss seine Regeln und Gesetze und Niemandem auf Erden giebt er Rechen- schaft dartiber. Dem wackern Meister, dessen Andenken diese Zeilen gewidmet sind, hat er vergénnt, sein irdisches Tagewerk ganz zu Ende zu thun und abzuschliessen. Es ist als ob der- selbe sich bei seinem Ordnungssinn und seinem Thatigkeitstriebe jeden friheren Einspruch verbeten hatte, um sich ganz und gar herauszuarbeiten, um nach einander den Meissel, den Zei- chenstift und die Feder zur Hand zu nehmen und ein rundes und abgeschlossenes Resultat seines Wirkens und Schaffens zu hinterlassen. . Johann Gottfried Schadow wurde am 20. Mai 1764 in Berlin geboren. Sein Vater, der das Schneiderhandwerk trieb, war von Zossen nach Berlin gezogen. Dort hatte auch seine Mutter bei einem Oheim, welcher ein Buchdrucker war, einige Bildung empfangen; sie las gern in Biichern und hatte einiges Geschick im Zeichnen. Die Eltern hatten mehrere Kin- der und mussten daher bei allem Fleisse in eingeschrankten Verhialtnissen leben. So konnte der Zeichnenunterricht im grauen Kloster, dessen untere Klassen Schadow mit seinem Bruder besuchtc, nicht benutzt werden, weil er besonders zu bezahlen war. Es musste also auf andere Weise versucht werden, der Neigung zum ktinstlerischen Streben zu geniigen. Unter den Gehiilfen des Bildhauers Tassaert, eines Niederlanders, den Friedrich der Grosse nach Berlin gerufen hatte, befand sich ein unbedeutender Bildhauer, der zugleich ein Schuldner von Scha- dow’s Vater war. Dieser wurde aufgefordert, durch Unterrichts- stunden, die er dem Sohne geben sollte, zu bezahlen. Das geschah und es hat der Lehrer wenigstens das Verdienst, das Talent des Knaben erkannt und ihn in das Haus des Meisters Tassaert gebracht zu haben, wo er zuerst als der deutsche Gesellschafter der Kinder fungirte und dafiir von Madame Таз- saert im Zeichnen unterrichtet wurde, bis er auch die Auf- merksamkeit ihres Gatten erregte, der ihn alsbald unter seine Eleven aufnahm und ihn in seiner Werkstatt nach Gips zeichnen und bossiren liess. Dabei hatte er auch Gelegenheit, den Unter- richt von Le Sueur zu geniessen. Wahrend dieser Lehrzeit ereignete es sich, dass der im Bau begriffene, schon weit vor~ geriickte Thurm der deutschen Gensdarmenmarktkirche ет- stirzte und bei etlichen stehen gebliebenen Sdulen den Berli- nern den ungewohnten Anblick einer malerischen Ruine gewihrte. Auch Tassaert benutzte diesen vielfach von der zeichnenden Kunst ausgebeuteten Fall und liess von dem {7jahrigen Schadow yon einem dazu gemietheten Fenster aus eine Zeichnung anfer~ tigen. Dies war, nach der Mittheilung des Kiinstlers sein erstes Debat vor der Oeffentlichkeit, wodurch, wie er sich ausdrickt, »die Kunstfreunde erfuhren, dass ein solcher Bursche vorhan- den sei. Er erhielt nun Zutritt zu den ausgezeichneten Fa- milien der Stadt, und bildete sich eifrig an jeder Gelegenheit weiter fiir Kunst und Leben aus, so dass er in seinem 19. Jahre schon mit einem Gehalte von 450 Thir. in die Stelle eines der in seine Heimath zuriickgegangenen Gehiilfen des Ateliers ein- trat. Tassaert hatte ausserdem die Absicht, ihn seiner Tochter gu vermahlen, wodurch der junge Kistler wahrscheinlich schon frih zu einer bequemen Stellung daheim gekommen wire. Allein das Schicksal nahm die weitere Entwickelung in die Hand und schickte ihn plétzlich an der Hand der Liebe nach Rom. Einundzwanzig Jahr alt entfloh er mit einer Geliebten zu deren Eltern nach Wien, vermahlte sich dort mit ihr und wurde von seinem Schwiegervater zu einer Reise in die ewige Roma ausgeriistet. Das war nun freilich eine andere Welt, als die beim Meister Tassaert, der, in der damals herrschenden franzésischen Schule befangen, die manirirte Grazie tber die einfache Schénheit der Antike stellte. Diese Letztere machte dagegen Schadow zwei Jahre lang zu dem Gegenstand seines eifrigsten Studiums und befahigte sich dadurch, als Mithewerber im Concorso di Balestra aufzutreten. Er gewann durch eine in Thon gebrannte Gruppe des Perseus und der Andromeda ) die goldene Medaille. Als bald darauf der Meister Tassaert bei den Entwiirfen zu dem Thonmodell fiir das Grabdenkmal des 1) Meusel’s Archiv. II. 94—111, wo sich eine Beschreibung davon findet.