guren und Gruppen giebt der Kiinstler in seinem Werke: ,,Kunst-
werke und Kunstansichten* etc. S. 63 ff.

Bei der ausserordentlichen Sicherheit, womit Schadow das
Charakteristische zu erfassen und wiederzugeben vermochte,
war es wohl sehr natiirlich, dass er durch tberaus zahlreiche
Leistungen auf dem Felde der Portraitbiste beschaftigt war.
So hatte das Handelshaus Pearson in Riga bei ihm die Biste
Wielands bestellt, was im J. 1802 Veranlassung zu einer Reise
nach Weimar gab, welches dazumal in der vollen Bliithe seiner
geistigen Bedeutsamkeit stand. Hier traf er denn auch wiederum
mit Géthe zusammen, dem er schon friher in Rom begegnet
war, ohne dass sich daraus ein besonderes Verhiltniss entspon-
nen hatte. Wir kénnen uns nicht enthalten, an dieser Stelle
den Kiinstler selber reden zu lassen: ) ,,Kleinstddtisches lasst
man passiren, wenn darin bedeutende Figuren auftreten; der
Schauplaiz war Weimar, die Zeit 1802 im September, und die
Handlung: die Biiste von Wieland.“ Nachdem nun die Veran-
lassung der Reise, das Unterweges und der erste Eintritt unter
die Weimarer Notabilitaten erzahlt ist, heisst es weiter:

»Unser dritter Besuch war bei Hrn. v. Géthe, wo uns Meyer
gemeldet hatte; der Bediente fragte, ob G. Schadow dabei sei,
er Offnete den Saal und Meyer erschien. Man besah eine Copie
Titians von Burg, illuminirte Blatter aus der Farnesina und eine
Biiste der Unzelmann. Hr. v. Géthe trat auf, schnellen Schrittes.
»sie wollen mir das Vergniigen ihres Besuches geben“, sagte
er, und befahl, uns Stihle zu geben. Seine erste Frage war
nach Zelters Befinden, von dem ich ihm einen Brief gab, wobei
das Gesprach blieb und er wenig sagte. Ich wollte auf was
Anderes kommen und benahm mich ungeschickt, indem ich
fragte, ob er verstatten wiirde, mit dem Zirkel die Masse neh-
mend, seinen Kopf zu zeichnen? Dies sei bedenklich, sagte er,
denn die Herren Berliner waren Leute, die daraus Manches
deuten méchten — in Weimar wire einer gewesen, der Galls
Lehre anhinge, nimlich der Dr. Froriep, der grade verreist sei.
Zugleich erschien sein Bedienter, der ihn abrief* u. s. w.

Ohne Zweifel musste fiir Schadow, der sich damals schon
im Geiste mit dem Werke beschaftigte, das nachher unter dem
Titel ,,Polyktet* herauskam, ein Kopf, wie Géthe’s, wichtig sein.
Der Poeten-Altmeister befand sich aber niemals gegen Berlin
in besonders guter Laune; zudem hatte er kurz zuvor in den
Propylaen das Kunsttreiben daselbst als prosaisch geschildert und
war dabei auf den Widerspruch Schadow’s gestossen. Dieser
bemerkt: ,er war damals dergleichen Dreistigkeiten nicht ge-
wohnt.* An einer andern Stelle heisst es: „пи Kunstfache sollte
Alles mit seinem Wissen geschehen, es gehére zu seinem De-
partement, und so habe er auch die Biiste’ Wielands 2u besor-
gen gehabt.“ Diese war naémlich ohne ihn durch direkten Ver-
kehr des Kiinstlers mit dem beriihmten Oberonsdichter in Angriff
genommen. Schadow hat dem Dichterfiirsten aber jenes Pradi-
kat nicht vergeben und schildert noch in seinem Buche (S. 70 ff.)
den damaligen Stand der Kunst, um zu zeigen, wie ungerecht-
ferligl der Ausdruck ,prosaisch* gewesen sei. (Fortsetzung folgt.)
	Nachtrage zur zweiten Ausgabe von Kugler’s Handbuch
der Geschichte der Malerei, vornehmlich in Bezichung auf
Deutschland, und ganz besonders auf Bohmen.

Von G. F. Waagen.

1.
	Da ich glaube voraussetzen zu konnen, dass obige vor-
treffliche Umarbeitung jenes Werkes von Dr. Burckhardt, unter
	1) Kunstwerke etc. S. 66.
	Mitwirkung des Yerfassers, allen Knnstireunden hinlanglich be-
kannt ist, so diirfte ihnen eine Anzahl dasselbe ergdanzender,
kunsthistorischer Thatsachen nicht unwillkommen sein. Ich habe
mich indess dabei bemiiht, nur solche zu erwadhnen, welche
dem Standpunkt entsprechen, von dem aus das Handbuch bear-

beitet worden ist.
	Die Miniaturmalereti in Irland.
	So viel mir bekannt, bin ich der erste, welcher auf die
sehr merkwiirdige Higenthtimlichkeit der Miniaturen in altangel-
sachsischen Handschriften aufmerksam gemacht hat ). Spatere
Forschungen haben mich indess zu der Ueberzeugung gebracht,
dass sowohl die Entstehung, als die grésste Ausbildung jener
Eigenthtimlichkeit eigentlich in Irland zu suchen, und dieselbe
	‘von dort aus erst nach England verpflanzt und bei den Angel-
	sachsen in Aulnahme gekommen ist. Bekanntlich hatte das Chri-
stenthum in Irland schon vom Jahr 432 ab durch den heiligen
Patrick festen Fuss gefasst, und war dort bereits bis zum Jahr
500 ziemlich allgemein verbreitet. Im Laufe des 6ten Jahrhun-
derts zeichneten sich aber die Geistlichen der dortigen zahl-
reichen Kléster durch Gelehrsamkeit, wie durch Frémmigkeit
und Religionseifer so sehr aus, dass sie eine der bedeutendsten
Pflanzschulen zur weiteren Verbreitung des Christenthums wur-
den. So lebte der heil. Columban lange in Frankreich und war
als Apostel in Schwaben und namentlich in der Gegend von
Bregenz am Bodensee thatig. Besonders segensreich und weit-
verbreitet war aber eine solche Wirksamkeit der irischen Ménche
im Laufe des 7. Jahrhunderts, in welchem St. Aidan (von 635
—651) und Finan im nérdlichen England, Lievin in Belgien,
Willebrord in Friesland, Kilian in Franken das Christenthum
mit Erfolg verbreiteten und der h. Gallus, ein Schiller Colum-
ban’s, der Griinder des bertthmten, nach ihm genannten Klo-
sters, St. Gallen, in der Schweiz wurde. Ja noch im 8. Jahr-
hundert war eine Ire, Fergal, oder Virgilius, Bischof in Salz-
burg. In den zahlreichen Handschriften, welche in diesen irischen
Kléstern geschrieben wurden, bildete sich nun allmahlig jene,
in dem Figtirlichen so schematisch-barbarische, in den Orna-
menten an schénen Erfindungen so reiche, in der Feinheit der
calligraphischen Technik so bewunderungswirdige Miniaturma-.
lerei aus, welche ich an den angefiihrten Orten mehr im Ein-
zelnen characterisirt habe. Das dlteste, in der Zeit sicher be-
glaubigte Denkmal dieser Art ist jenes Evangeliarium in der
Nationalbibliothek zu Paris, welches der heilige Willebrord be-
sessen hat, von mir aber, wegen seiner grossen Uebereinstim-
mung mit dem sogenannten Cuthbertsbook im britischen Mu-~
seum, als von angelsichsischer Kunst beschrieben worden ist.
Bei einem spateren Besuch von Paris habe ich mich aber tiber-
zeugt, dass die Schrift sicher irlandisch ist, was ja auch am
nachsten liegt, da es jenem irlandischen Apostel gehért hat.
Dass dasselbe nun auch von dem bildlichen Schmuck gilt, ist
schon an sich héchst wahrscheinlich, wird aber ausser Zweifel
gesetzt durch den Vergleich mit einigen Handschriften in der
Bibliothek des von dem Iren gegriindeten Klosters St. Gallen.
Eine ungefahr mit dem Pariser gleichzeiltige Handschrift da-
selbst (No. 60.), mit héchst interessanten Elfenbeinsculpturen
auf dem Einbande von Eichenholz, deren Betrachtung ich in-
dessen einem anderen Orte vorbehalte, ist ebenfalls in irlindi-
schen Characteren geschrieben, und enthilt vor dem Evange-
lium des Johannes die Figur desselben ganz in der obigen
Kunstweise, nur noch ungleich barbarischer. Denn ausser den
héchst einfachen Gesichtsziigen ist nichts von einer eigentlichen
menschlichen Gestalt mehr zu erkennen. Die Arme werden
	1) S. Kunstwerke u. Kénstler in England und Paris. [. 5. 134 ff. UL. §. 241.
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