beiden Nagethiere (Tag und Nacht) beibehalten; in seiner Krone sitzen die Stande der Menschen, geistliche und weltliche; die Katze, das tempus edax rerum, ist hier der Tod, der grimmige Vertilger alles Lebendigen auf Erden. Was Gliick und Tod, die Gegenstande der beiden Seiten- vorstellungen, vermégen, das will uns der fromme Minch, der zugleich der pictor ist, nun in der Mitte an einem recht in die Augen fallenden Beispiel zeigen und er wahlt dazu den unlangst am 27. Marz 1482 erfolgten Tod der Marie von Burgund, Ge- malin Maximilians 1, welcher der Sohn und Erbe Kaiser Frie- drichs II und seit 1477 mit ihr vermahlt war. Fir diese Maria intissen wir nehmlich die Leiche halten, welche in der Mitte unten in der Grube, aller irdischen Pracht entkleidet liegt, denn auf wen anders kénnten sich, nach allen begleitenden Umstanden, die Verse des pictor beziehn, in denen er von der Person sagt, die er uns als speculum in tumba sepultum vorhalt, amore emicuit et vanitate simul, oder von ihren Augen quae totum guondam micare per orbem, oder von ihrer nun dahingegan- genen pompa spricht. War sie nicht die schénste und reichste Prinzessin ihrer Zeit, um welche die stolzesten Kénige und Fiirsten warben und die, nachdem ihr Vater Karl der Kithne vor Nancy den Tod gefunden und sie plotalich einsam und schutzlos dastand, nicht ohne Antheil des Herzens, dem jugend- lich schénen und kraftigen Maximilian die Hand reichte, der damals noch, mehr wie ein irrender Ritter und von Gelde ent- blésst, aber mit den Aussichten eines Kaisersohns im Hinter- halt, um sie freite und durch seine Persénlichkeit, allen Hin- dernissen zum Trotz, in ihr den herrlichsten Preis der Minne davontrug. Aus der Mitte ihres Gliicks entriss sie der Tod in ihrem 26sten Jahr, nachdem sie ihrem Gemahl vier Kinder ge- schenkt hatte, von denen aber zwei vor der Mutter wieder ge~- storben waren und mit einem finften schwanger ging. Sie starb in Folge eines Sturzes mit dem Pferde auf der Falken- jagd. In der jugendlichen gekrénten Figur, welche oben auf dem Gliicksrad sitzt, erblicken wir nun Maximilian, der, wenn er auch noch nicht Romischer Konig war, doch schon als Erbe Mariens auf eine Regentenkrone Anspruch hatte. Gewiss war der Landererwerb Maximilians durch seine burgundische Heirath einer der glicklichsten und folgenreichsten, den das habsbur- gische Haus durch Befolgung des Spruchs T u felix Austria nube machte. Noch augenscheinlicher, als in der oberen Figur des Glickrads, ist in der rechts aufsteigenden, wegen der beiden durch einen Liebesknoten verbundenen Herzen mit Monogram- men darin, eine bestimmte Person zu suchen, vielleicht ein vor- nehmer Edelmann, der durch eine Heirath, die zwei angesehene Familien mit einander verband, im Begriff war, sein Glick zu machen. Diese Person zu entrathseln muss ich jedoch den bel- gischen Alterthumsforschern tberlassen, denen die Spezial- geschichte der Hofhaltung und der Aristokratie in den burgun- dischen Landern unter Maximilian naher liegt als uns. Ebenso wie auf der linken Seite unsers Kupferstichs, sind auch aut der rechten Seite unter den im Lebensbaum sitzenden Figuren historische Personen herauszufinden; wir miissen nur nicht blos noch lebende, sondern neben diesen auch solche, welche der Tod schon mit seinen Pfeilen erlegt hat, darin suchen wollen, wozu wir um so eher berechtigt sind, als letztere sonst, wie in der Nachbildung unter D, vom Baum herabfallend wirden dargestellt sein. Ohne auf die tbrigen Figuren einzugehn, diirften wir also den Kaiser in der Mitte der zweiten Reihe fiir Friedrich Il (gestorben 1493), den Konig links neben ihm fiir Ludwig XI von Frankreich (gest. 1483), die Figur rechts im Kostiim Philipps des Guten (welche oben abgebildet ist) fir diesen, den Grossvater Mariens (gest. 1467) und die gekrénte Fiour weiter rechts fiir ihren Vater Karl den Kiihnen (gest. 1477) Modilicationen whberall und fir lange Zeit nicht allein in der Malerei, sondern auch in der Bildhauerei allgemein entgegen- tritt, so hat dagegen die, jenen irlandischen Manuscripten eigene, willkirliche Auffassung menschlicher Formen gliicklicherweise fast gar keine Nachfolge gehabt. Theils hat das Abschreckende, welches jene Gebilde fiir die Kunstanlage der germanischen Volker haben musste, davon abgehalten, theils wirkte die an- like Tradition der Gebilde altchristlicher, so wie byzantinischer Kunst einer solchen sehr kraftig enigegen. Nirgend diirfte sich nun jener Einfluss der irlindischen Verzierungsweise in so mannigfachen Abstufungen verfolgen lassen, als in einer Reihe von Handschriften der Bibliothek von St. Gallen. Ich hoffe dieses in meiner Geschichte der Miniaturmalerei im Einzeluen nach- zZuyweisen. Aur alteren Kupferstichkunde. Von Sotzmann. (Fortsetzung.) B, Allegorisch—-historische Bedeutung. Was dar- liber zu sagen ist, wird zunichst die Vorstellungen des Gliicks- rads und des Lebensbaums und nach diesem die historische Beziehung, in die diese Typen hier mit bestimmten Personen ge- setzt worden sind, betreffen. Es war einer der beliebtesten Gegenstande der mittelalter- lichen Kunst die verschiedenen Weltalter, oder die Stufen des menschlichen Lebensalters, oder die Verinderlichkeit des Glicks und Ungliicks, in Form eines sich drehenden Rades darzustel- len, an welchem sie durch entsprechende auf- und absteigende Figuren reprasentirt wurden. Solche Vorstellungen finden sich haulig, verbunden mit Inschriflen und allegorischem Beiwerk, an den Portalen gothischer Kirchengebiude in Stein, in den grossen runden Giebelfenstern derselben in Glasmalerei, in den Miniaturen der Bticherhandschriften und in Bicherholaschnitten. Die gewéhnlichste war die des Glicksrads, wie es Ingold in seinem Giildnen Spiel (Augsb. 1472 fol. BI. 7 Rickseite) be- schreibt: ,,der king solt gemalt han in sein sal ein ring, Zu oberest ist ein king, der siczt in seyner maiestat vnd spricht ich reichssen, Zu der linken hand einer velt herab vnd spricht ich han gereichssnet, vnd zu der rechten hand einer der fert hin auff vnd spricht ich will reichssen So leut (liegt) einer vnden an den riicken vnd spricht ich bin on reych.“ In derselben Art ist das Gliicksrad vorgestellt in einer deutschen Pergamenthandschrift von der konige Buch und andern Gedichten in 4 (N. 284) in der hiesigen Kénig]. Biblio- thek mit denselben Worten (regno, regnavi, regnabo und sum sine regno) und von der Fortuna, die ein schwarzes und weisses Doppelgesicht hat, gedreht. So auch in unserm Kupferstich, nur mit andern Inschriften und Veranderungen, wie noch sonst an vielen Orten, ja es ist das Gliicksrad sogar in die dltesten Bilder der italicnischen Tarokkarte tibergegangen. Den Baum des Lebens beschreibt Seb. Brant (Carmina Basil. 1498. 4) als Jahresbaum also: Es ist ein boum der hat 12 ast yeder ast hat bey trysig nist Ein nast hat vier vnd 2wentzig ey zwey vnd sechizig der vogel geschrey, Dis nagt eyn wisfs vnd swartzer ratz Boum, nast, ey, vogel frisfst die katz 0 gott wie sorglich ist diss wesen Wer mag vor diser kaizen genesen. In unserm Kupferstich ist der Baum auf das Schiff der Zeit gesicllt; von den kalendarischen Anspielungen sind nur die