67 Fur reisende Franzosen und Englander scheint denn auch das ganze Werk, da die friiheren Ausgaben der Nachbildungen sich wohl mégen vergriffen haben, berechnet, und mégen jene in wohlthuender Einbildung, Hans Holbein’s Todtentanz in sehr schénen Lithographien auf weissem Papier und gut gebun- den fir 14 Gulden rh. schwarz auf weiss zu besitzen, diesen Basler Todtentanz getrost nach Hause tragen. Der griindliche Deutsche wird nach dem ungleich billige- ren, ungleich kiinstlerischer ausgestatteten Werke Massmann’s uber die Basler T. T. greifen, und der englische und franzé- sische Kenner wird wohl ohne Zweifel dasselbe thun. BM. Ueber die Entstehungszeit und den Meister des Groshbasler Todtentanzes von Prof. F. Fischer. (Aus dessen Denkschrift zur Einweihung des neuen Museums in Basel.) Kaum war von uns die Besprechung des vorhergehenden Werkes aus der Hand gegeben, als uns diese anziehende Schrift vor Augen kam, welche, das gebend, was das Hasler’sche Werk vermissen lasst, den Gegenstand mit Kenniniss und Griindlichkeit aufs Neue erfasst, priifend zergliedert und kri- tisch beleuchtet. Es ist in dieser Schrift von nur 19 Viertel- bogenseiten eine Fiille griindlicher Forschung niedergelegt, und jeder Kenner, jeder, welcher dem Basler T. T. einigen Antheil widmet, wird sie mit Befriedigung lesen. Diese Schrift mildert gar sehr das strenge Urtheil tiber den an der vorhin bespro- chenen neuen Hasler’schen Ausgabe geriigten Missbrauch, Hol- bein’s Namen als Aushingeschild vor den Basler T. T. zu seizen, ja sie entkraftet dasselbe véllig, wenn die Behauptung, welche das Ergebniss der vor Augen gelegien Forschung bildet, sich als unumstdsslich wahr erweisen sollte. Es ist allerdings allbekannt, dass Holbein’s d. J. Name im Volksbewusstsein nicht blos der Einwohnerschaft von Basel, sondern allgemein, mit dem , Tod von Basel*, dem T. T. auf der Kirchhofmauer des Predigerklosters innig verschmolzen ist. Der Herr Verfasser setzt das Verhaliniss dieses T. T. mit sei- nen Erneuungen und Ausbesserungen zu den T. T.-Holzschnitten Holbein’s, deren freier Nachschnitt von C. 8. schon 1576 frih genug und dann immer aufs Neue von Speculanten fiir die Bas- ler Mauerbilder ausgegeben wurden, véllig ins Klare, erwahnt die fortdauernden Verwechselungen, die auch dem Glauben an den Holbeinschen Ursprung des Basler T. T. stets neue Nahrung gaben, und fihrt iberall auf die vorhandenen Schriftquellen zu- riick, die freilich meist schwankend und unbestimmt die alte Verwirrung niahrien. Der Grund lag eben darin, dass schon bald nach dem Erscheinen und der ungeheuren Verbreitung der Holbeinschen T. T.-Holzschnitte sich die Speculation des Basler Т. Т. bemachtigte, um mit ihm bei Holbein borgen zu gehen, und mit seinem Credit einen ergiebigen Markt zu machen. Diess ist denn auch gelungen bis auf unsere Tage. Die Kunstkenner waren anderer Ansicht; ihnen konnte nicht unbewusst bleiben, dass lange vor Holbein schon einer oder mehrere T. T. zu Basel vorhanden waren, deren Enistehung man, nicht ohne Wahr- scheinlichkeit, doch auch nicht ohne Willkiir, in die Zeit des Basler Concils und des Pestjahres 1439 setzte. Sind auch un- umstéssliche, datirte, urkundliche Beweise fiir diese Annahmen nicht vorhanden, wenigstens noch nicht aufgefunden und bei- gebracht, so diiften sie doch auch nicht unbedingt verworfen und beseitigt werden, um neueren Ansichten vélligen Raum mm geben. Der Hr. Verfasser kommt auf Prof. Massmann’s oben von wns erwahntes Werk iiber die Basler T. T. zu sprechen, und erortert niher die Verhalinisse und Zeitunterschiede zwischen dem Klingenthaler T. T. (in Klein-Basel) und dem Gross-Basler, welche der Massmann’sche Atlas neben einander stellt, wobei seine Ansicht von jener Massmann’s etwas abweicht. Prof. Fi- scher stellt den Klingenthaler T. T. in den Anfang des 14. Jahr- hunderts, was auch eine friiher vorhanden gewesene Jahrzahl, 1312, die mit Worten geschrieben war, bestatigt, wozu Selbst- anschauung der geringen noch erhaltenen Ueberreste, — die sich urspriinglich jedenfalls weniger zartlinig zeigen werden, als die geatzten Umrisse, und vor allem die Tracht der Bilder — be- rechtigen. Ueber diese Tracht wird Anziehendes mitgetheilt, und dann der Gross-Basler T. T. dem 16. Jahrh. zugewiesen. Diesen lJetztern T. T. nun méchte der Hr. Verfasser — ob- schon ersterer eine zeit- und trachtengemiss verjtingte. Ueber- tragung des Klingenthaler (neben mancher wesentlicher Umar- beitung und der Schépfung neuer Figuren) ist und bleibt, — als wirkliches Werk Hans Holbeins des Jingern hinstellen. Der Beweis dieser Behauptung wird mit Vorliebe, Scharf- sinn und Kenntniss gefiihrt, und wir folgen mit Antheil dem leitenden Fithrer, wenn wir auch noch manches Bedenken, manchen bescheidenen Zweifel hegen. Die genaue Anwendung der zu Holbein’s Zeit tiblichen Tracht, wie sie auch die T. T.-Holzschnitte uns zeigen, die manchen Figuren gegebene Fiille und Kérperrundung, der da- durch sich aussprechende Humor, das Alles scheint unserm Ver- fasser fiir H. Holbein und nur fiir diesen zu sprechen, so dass er sogar fragt: ,welcher Ktinstler — — ausser Hans Holbein, hatte diese runde hehagliche Kochsgestalt zeichnen kénnen?“ Darauf wiirde sich doch, ohne Holbein, den wir ja selbst aufs Héchste verehren, im Entferntesten zu nahe treten zu wollen, antworten lassen: Begegnen uns nicht solche humo~ ristischfette Bursche zahlreich bei A. Diirer: Bad (der Trinkende, rechts), grosse Passion 6. (der mittelste Zuschauer im Vor- grund), 12. (der schlafende Grabeshiiter rechts), Leben der Ma~ ria, 4. (wieder der Mittelste der Zuschauergruppe), 6. der Handler im Tempel mit dem untbertrefflich schlauen Gesicht, — bei L. Cranach in den Apostelmartern aus dem Hort. animae Bi. 2. die Figur in der Mitte, und auf andern Blattern. Bei Scheuflein mehrere Figuren im Passional, sogar in der Abend- mahlsgruppe, Bl. 9(?). Diirfen wir an H. Baldung’s schlafenden Stallknecht erinnern? — Ueber den Humor, den die T. T.-Bilder aussprechen, sagt der Verfasser: ,es mag uns der Humor derselben kalt lassen, ja anwidern® — er nennt diesen Humor ,zweideutig“ und fiigt hinzu: ,Indessen scheinen Holbein selbst die springenden und tanzenden Todtenfiguren entleidet zu sein; denn in seinem Holz- schnittwerke verwandelt er die Tanzspriinge des Todes in Ein- griffe ins Menschenleben.* — Eine sehr klare, einleuchtende Ansicht! Fiir entscheidend, dass der Gross—Basler T. T. ganz bestimmt der Meisterhand H. Holbein’s d. J. zugewiesen — werden diirfe, fiihrt der Verfasser die neu hinzugekommenen Figuren der Kénigin, der Herzogin und des Rathsherrn an, und leitet seinen Beweis abermals aus der Tracht. Die Tracht aber bestimmt doch wohl nur die Zeit, nicht den Meister. Malten nicht alle Zeitgenossen Holbein’s die Personen, die sie dar- stellten, im Gewand ihrer Zeit und der herrschenden Mode, nur bisweilen mit Ausnahme solcher heiligen Personen, die nicht gerade ritterliches Gewand trugen? Verwandtschaften der Kleidung auf dem Gross-Basler T. T. mit der Gewandung im Holzschnitt-T. T. lassen sich allerdings auffinden — allein beweisen sie mehr, als dass die Entste- hungszeit des Basler T.T. und jene der Holzschnitte nicht fern yon einander liegen? oder mehr, als dass Holbein einiges vom Gross-Basler T. T. entlehnt, oder dessen Erneuer von Holbein? Uebrigens ist héchst anziehend und belehrend, was Prof. Fischer uns, in die Frauentracht jener Zeit eingehend, mittheilt, und wir stimmen ihm vollkommen bei in seiner Zeitbestimmung. у! as die Sc hn abe 15 ch uh е betrifft , de ren als ыы mdglich с er