65 gebracht haben? Ist es erwiesen, und womit, dass diese Zeich- nungen bei ihm bestellt wurden? Das Grosse, Gediegene und wahrhaft Meisterhafte in der Kunst wird in des Kinstlers Seele vom schaffenden Genius erzeugt und befruchtet, und der wahre Kistler denkt gewiss nicht bei dieser psychischen Em- pfangniss an den Markt und den Preis, der ihm wird, wenn sein Werk vollendet vor das Auge der Welt tritt. Sollten Du- rer, Cranach, Burgkmair und andere grosse Meister ihrer Zeit alle ihre Bilderreihen fiir den Holzschnitt nur auf Bestellung entworfen haben? Wir bezweifeln dies, und glauben, dass Viele diese unsere Ansicht theilen werden. Es kam nun das Jahr 1848 mit seinen machtigen politischen Erregungen, mit seinem Zwiespalt, der zur Einheit fahren und hindringen wollte mit seiner Einheit, die in tausendfachen Zwie~ spalt auseinanderlief, wie die Bauleute vom Thurme Babels. Der Literatur, dem Buchhandel wurden kaum verwindbare Wun- den geschlagen, waren es doch Schriftsteller und Buchhandler in genugsamer Zabhl, die zur Verwirrung und zum allgemeinen Wirrsal die Hinde mit boten und Bausteine trugen. Da erschien Ж. Auch ein Todtentanz aus dem Jahre 1848. Erfunden und gezeichnet von Alfred Rethel. Mit erkléarendem Text von R. Reineck. Ausgeftihrt im akademischen Atelier fir Holzschneidekunst zu Dresden, unter Leitung von H. Burck- ner mit den Denkzeilen gleich auf dem Titel: Du Birger und du Bauersmann, Schaut recht euch diese Blatter an! Da seht ihr nackt und ohne Kleid Ein ernstes Bild aus ernster Zeit u. s. w. Preis 15 Sgr. Leipzig. Georg Wigands Verlag. Querfolio. Nur sechs Bildblaitter, im Ganzen mit Titel und Text nur acht Blatter, aber inhaltreicher als manches vielblattervolle Buch. Voll gross— artiger Auffassung, ernst und gewaltig, wie die Blatter Andrea Andreani’s, Hugo da Carpis, A. de Mantegna’s, aber deutsch durch und durch, vom Geist eines Diirer beseelt, rollen diese Blatter sich vor unsern Augen auf, so reich, so durchdacht, dass sich nicht minder tiber sie, wie tiber Hogarths Bilder, ein umfangreicher und ernster Commentar schreiben liesse. Wir tiberlassen aber billig jedem, in dessen Handen sich Rethels T. T. befindet, sich den Commentar selbst zu machen. Die Volksstimme entschied alsbald tber den Werth, den kimstle- rischen wie den poetischen, der in einfachen, aber erschiitternd wahren Reimzeilen die Bilder begleitet, eine Auflage folgte der andern und bald genug war derselbe Todtentanz , ME. Ein Todtentanz aus dem Jahre 1848 auf einem Riesenblatt, ein achtes fllegendes Blatt, zu billigem Preis, nur 5 Sgr., zu haben, in wahrhaft voiksthimlicher Weise, an Stubenthiiren zu befestigen, wie man sonst in Deutschland und Italien mit den grossen Flugblattern gethan, und auch hie und da noch thut, eine Sitte, die auch in Frankreich heimisch ist. Ein ernster Warnungsspiegel gegen die Ueberstiirzungen in den Bestrebungen fir eine von der Masse des Volks ganz~- lich missverstandene Freiheit, war dieser T. T. und seine Wir- kung eine nicht geringe. Da glaubte denn die Gegenpartei, aus der eine Einzelstimme Rethels genialen T. T. als einen in Verse gebrachten Artikel der Kreuzzeitung bezeichnen zu miis~ sen glaubte, wie sie allseits rege ist, auch auf diesem Gebiete, dem der schépferischen, warnenden und belehrenden Kunst — schnell in Holzschnittmanier auf Stein ein Gegengewicht in die Schale legen zu mitssen, und es erschien MER. Noch ein Todtentanz. Sechs Blatter mit er- klérendem Text. Ausgefiihrt in der Kunstanstalt der Verlags- handlung. Preis 54 Xr. rhl.— 15 Sgr. (mitsste heissen 02} Xr.) Verlag von Emil Roller in Miinchen. Eiwurf Erwahnung сезсмев, 50 beweisen diese nichts fir und nichts gegen des Herrn Verfassers Annahme. Wir haben eine zu Anfang des 16. Jahrh. geschriebene Bilderhandschrift vor uns, deren Herausgabe wir vorbereiten, den sogenannten Monachus Vessraensis, darin ist eine gleichzeitig gemalte Reihe der Grafen und Grafinnen y. Henneberg in der Hof- und Prunk- iracht jener Zeit abgebildet. Die Frauen erscheinen theils ohne Giirte] und Mieder, theils mit ersterem, also mit und ohne Taille, eine sogar auffallend entblésst. Die Manner, hier lauter ,, di- stinguirte Personen“, tragen meist Spitzschuhe, die zum Theil noch den Uebergang von Schnabelschuhen in erstere zeigen, zum Theil aber auch rund abgeschniliene Schuhe, und im Uebri- gen meist weite Récke mit weit offenen faltenreichen Aermeln, Schellengurte, Harnische unter Manteln, und sehr mannigfaltige Kopfbedeckungen. Den ,,Indicienbeweis*, der alle Zweifel, dass Holbein der Urheber dieses T. T. sei, lésen und beseitigen soll, wird von dem Herrn Verfasser darin erblickt, dass der Wiederhersteller des T. T. Hug Kluber sein eigenes Bild an die Stelle des Ma- lers gesetzt, dass er die urspriingliche Mutter mit dem Kinde durch seine Ehefrau mit der kleinen Wiege unterm Arm ersetzt, und dass jedenfalls auch der Maler bereits yor H. Kluber’s Erneuerung vorhanden gewesen und den Schluss der Bilder- reihe gemacht habe, wodurch auch Holbein die Idee erhalten (oder sie wiederholt), seinen Holzschnitt-T. T. mit dem Maler abzuschliessen. Der junge farbenreibende Tod mit den kné- chernen Handen auf dem Bilde des Malers, eine allerdings kecke humoristische, Holbein zuzutrauende Gestalt wird in Verbindung gebracht mit des Malers Wappen am Schluss der Holbein’schen Т. T.~Holzschnitte, das zwei Knochenarme als Habgier krénen, und es wird behauptet, der Steinklumpen, welchen die Kno- chenhinde haiten, sei derselbe Reibstein, mit dem dort auf dem Basler T. T. der Tod die Farben reibt, und vom Kiinstler mit Absicht als sein Wahrzeichen angebracht. Allein der Stein ist offenbar kein Reibstein, sondern ein eckigroher Klumpen, der auf den Sarg polternd, den Schlussstein der irdischen Herr- lichkeit abgeben und andeuten soll. Also auch dieser ,,Indicienbeweis* iberzeugt uns noch nicht véllig und wir firchten, es werden unsere Zweifel auch von Andern getheilt werden. Wir fiirchten es, weil es uns erfreuen wirde, wenn Herr Prof. Fischer Recht behielte, wenn wir uns auch den Gross-Basler T. T. als ein Werk Holhein’s denken diirften, wenn die allgemeine Annahme im Publikum der Nichtkenner dadurch ihre Bestatigung erhielte. Wir wiirden dann gern der Firma Hasler & Comp. in Basel das oben aus- gesprochene strenge Urtheil abbitten, aber dann um so uner- bittlicher jede Eigenmichtigkeit in der Nachbildung und kinst- lerische Verballhornung der T. T.-Bilderreigen riigen. Fern von den Urbildern, fern von den reichen in Basel zu Gebote stehenden Quellen, fihlen wir, dass wir der innern Ueber- zeugung des kundigen Verfassers nicht mit kalter abstracter Verneinung entgegentreten diirfen, aber ebenso wenig kénnen wir auf die Méglichkeits-Schliisse yom kimstlerischen Stand- punkt aus, beim Mangel aller urkundlichen Schriftnachweise hin, uns unbedingt beipflichtend erkléren. Es ist hier eine fiir die Kunstgeschichte so anziehende und wichtige Frage angeregt, dass sie jedenfalls mehrseitiger Beleuchtung bedarf. Noch dussert am Schluss seiner Schrift Prof. Fischer: dass Holbein sicherlich ebenso wenig zur Bestellung seiner Holz- schnitizeichnungen, als wir zu den wundervollen Holzschnitten gekommen, wenn er nicht als Meister des Basler Todtentanzes bekannt gewesen ware. Sollte aber nicht ein Kinstler, wie Holbein, selbstschépfe- risch den unvergleichlichen T. T. fir den Holzschnitt hervor-