in dem Geschmack der obigen Handschriften, die Bilder zeigen
dagegen eine sehr geschickte Nachahmung bestimmter, byzan-
tinischer Vorbilder. So die Kreuzigung, S. 46, sowohl in der
bekannten Auffassung, als in den mageren Formen, dem griin-
lichen Fleischton und dem ganz goldnen Grunde. Der Rand
enthalt wieder ein schénes a la Grecque. Dasselbe gilt von
der Geburt 5. 59, wobei indess bei der Verkiindigung der Hir-
ten darunter ihre Verwunderung iber die Erscheiuung des En-
gels sehr lebendig und eigenthiimlich ausgedritckt ist. Eine
merkwiirdige Vorstellung sind die drei Frauen am_ heiligen
Grabe. Dieses ist hier wie eine Art Capelle mit einer griin-
lichen, byzantinischen Kuppel aufgefasst, welche von drei Pur-
pursaulen getragen wird, deren Zwischenwande, so wie der
Sarcophag, als von Porphyr dargestellt sind. Bei der in der
Auffassung dem Bilde in No. 338 abnlichen Darstellung der Aus-
giessung des heiligen Geistes, S. 217, ist der Rand, welcher
auf einem Grunde von Purpur ein Rosagehange mit einem hell-
griinlichen und blaulichen Bande umwunden enthalt, wieder von

dem Reiz pompejanischer Ornamenie.

Endlich muss ich noch eines Codex dhnlichen Inhalts
(No. 340) erwihnen, welcher ebenfalls in Quarto auf 799 Seiten
in einer starken Minuskel geschrieben ist. Wenn dieser sich
in den Initialen, den Randern und einigen Bildern, z. B. der
Kreuzigung 8. 226, eng an den Codex 338 anschliesst, so stimmt
er in anderen Bildern, z. B. den Frauen am Grabe, wieder sehr
mit dem vorigen No. 341 tiberein, obschon er mehr byzantini-
schen Einfluss als der erste verrdth, ist er doch nicht in dem
Maasse davon abhingig, wie der zweite. Wenn der Vortrag
hier roher, aber auch im antiken Sinne breiter ist, als in bei-
den, so ist dieser Codex zugleich beiden an Zahl der Vorstel-
lungen tberlegen. Besonders zeichnet sich die Geburt Christi
(S. 242) aus. Das Motiv, wie die Maria das in Purpur einge-
wickelte Kind halt, ist von deutscher Erfindung, die Stellung
des sitzenden Joseph mit unbekleideten Fissen frei und natir-
lich, die vier verehrenden Engel in der blauen Luft gut ge-
dacht, die Formen véllig, die meist kihlen Farben von grosser -
Kraft. Das Ganze hat noch einen Anhauch antiker Kunst. Da-
gegen ist die Himmelfahrt Christi (S. 375) offenbar eine уег-
отбреце Copie eines Vorbildes von localbyzantinischem Character.

Die Farben sind durchweg ohne Glanz.
Schon dem Ende des 10. Jahrhunderts mochte eine Hand-

schrift der Hymnen des heiligen Notker angehéren (No. 376),
welche auf besonders feinem Pergament in Quarto 433 mit einer
statken Minuskel beschriebene Seiten enthalt. Hier tritt namlich
schon der allgemeine fahle und helle Ton, jene zartfarbigen Hin-
tergriinde, jene geringe Angabe von Licht und Schatten ein,
welche wir in den auf Veranlassung Kaiser Heinrich II ausge-
fiihrten Miniaturen finden. Doch nehmen die Figuren kitnstle—
risch eine héhere Stelle ein, als die in jenen Handschriften.
Der thronende h. Notker (8.92) mit der feierlich erhobenen
Rechten, von verhdltnissmasig guter Zeichnung, in der Linken
das Buch seiner Hymnen, ist eine wiirdige Gestalt, und die
feingemachten Umrisse des Kopfes haben einen individuellen
Anflug. Der Rand enthalt eine Verzierung von einem hiibschen
antiken Motiv. Bei der Kreuzigung (S.191) von gemassigt
byzantinischer Auffassung, ist das Motiv der Maria, wie sie die
Rechte an der Brust, die Linke mit dem Purpurgewande er-
hebt, sehr sprechend, die Falten der Gewinder bei ihr und
dem Johannes noch von antikem Wurf. Christus als Welthei-
land in der harmonisch farbigen Mandorla (S. 198) im bartigen
Typus, mit weissbléulicher Tunica und griiner Toga, von sehr
bestimmtem und stylgemassem Gefalt, bekleidet, ist eine schlanke
und edie Gestalt, deren nackte Ftisse gut gezeichnet und be-
wegt sind. Er hat die Rechte nach byzantinischem. Ritus seg-

 
	nend erhoben, und halt in der Linken das goldne Kreuzes-
scepter. Der Kopf von mildem Character, ist von weicher und
doch breiter Behandlung und mit zarter Angabe der Schatten.
In der mit dem Kinde thronenden Maria mit schwarzen Schu-
hen (S. 319) macht sich bestimmt die byzantinische Auffassung
geltend. Die Initialen haben noch wesentlich den Character
von denen in den Handschriften 340 und 341; nur sind hier
die Fiillungen fast ausschliesslich grin, und wird der ganze
Buchstabe schon von einer farbigen Umgebung eingefasst, wie
es vom 11. bis 13. Jahrhundert in der Regel iiblich ist.

Diese Leistungen der Malerschule von St. Gallen wahrend des
10. Jahrh. haben mich noch mehr in der Ueberzeugung bestarkt,
dass wihrend dieser fiir die Ausiibung der Kunst im Ganzen
so wenig ginstigen Epoche kein anderes der Abendlander sich
darin mit Deutschland messen kann, welches wohl vornehmlich
seine Ursache in der kraftigen und segensreichen Herrschaft
des sdchsischen Kaiserhauses hat. Kein anderes Land hat na-
mentlich so sicher beglaubigte Handschriften aus dieser Zeit
aufzuweisen, welche jene Behauptung fiir die verschiedensten
Gegenden desselben beweisen. Unbedingt das reichste und
schénste Denkmal dieser Art, welches mir fiir Deutschland be~
kannt geworden, und worin sich die Prinzipien antiker Kunst
Ofter in tiberraschender Reinheit erhalten haben, ist das auch
bei Kugler (1. 141) mit gebiihrendem Lob erwahnte Evangelia-
rium des Erzbischofs Egbert von Trier (978—993) auf der
dortigen Stadtbibliothek. (Schluss folgt.)
	Zur Kunde und zur Erhaltung der Denkmaler.
	 

Die ,Hinladungsschrift der Kénigl. polytechnischen Schule
in Stuttgart zu der Feier des Geburtsfestes Sr. М. des Kénigs
Wilhelm von Wirttemberg, den 27. September 1849%, enthalt
eine ,Abhandlung tiber die mittelalterlichen Bau-
denkmale in Wirttemberg von J. M. Mauch‘, die das
  Material unserer vaterlindischen Denkmiélerkunde auf willkom-
mene Weise vermehrt. Der kundige, mit den Wechselgestal-
tungen des Bauwesens wohlvertraute Meister giebt uns hier
eine anschauliche und fassliche Uebersicht der wichtigeren, dem
romanischen Baustyl bis zur Uebergangs-Periode angehérigen
Bauwerke Wiirttembergs, von deren einzelnen. erst wir bis jetzt
eine nahere Kunde besassen. Die Notizen tber die Denkmale
der folgenden Epochen sind spaterer Mittheilung vorbehalten.
Der Abhandlung sind vier Blatt bildlicher Darstellung, von Mauch
eigenhandig und also in gediegenster Weise auf Stein gezeich-
net, beigefiigt: 1) zwei Saulenkapitéle, aus der Stiftskirche zu
Ellwangen und der Kirche zu Brenz; 2) ein sehr interessanter
Altartisch aus der der Josephskirche zugehérigen Michaelska-
pelle zu Heilbronn; 3) die reich ornamentirte Schlussrosette
des Gewélbes derselben Kapelle, in ihrem Blattwerk die in
einzelnen wenigen Fallen auch iber Deutschland verstreute
Form des direkt arabischen Blatt-Ornamentes nachahmend; 4) ein
Theil von dem Aeusseren der Kirche zu Plieningen bei Stuttgart.

Der Verfasser spricht zu Anfang sein schmerzliches Be-
dauern dartiber aus, dass zum Schutze der auf schwabischem
Boden befindlichen Denkmale keine allgemeinen (also von der
Regierung ausgehenden) Massregeln vorhanden sind. Eine em-
pfindliche Rechtfertigung seiner Klage scheint die am Christ-
abend 1848 aus reiner Vernachlassigung erfolgie Zertriimme-
rung des grossen kupfernen und vergoldeten Kronleuchters der
ehemaligen Abteikirche zu Comburg, eines Kunstwerkes aus
	der Zeit des zwilften Jahrhunderts, zu gewahren.
Gewiss ist es, wie ich mir hierbei zu bemerken erlaube,
	wiinschenswerth und nothwendig, dass zur Erhaltung der Denk-