handig geschriebene Evangelistarium in der Kénigl. Bibliothek
zu Minchen ein sehr rihmliches Zeugniss ab. Es enthalt 81
Blatter und ist auf einem schmaien Folio mil einer grossen und
starken Minuskel in einer Columne geschrieben. Auf den er-
sten vier Blittern sind die vier Evangelisten dargestellt. Nach
der Schrift in goldnen Capitalen: Ds, propitius esto Udalrico
peccatori, welche unter den sich auf zwei einander gegentiber-
stehenden Seiten befindlichen Matthaus und Lucas hinlauft, bin
ich geneigt, den Bischof auch fir den Urheber der Bilder zu
halten. Diese zeigen nun eine von localbyzantinischer Kunst
unabhingige, antike Auffassungsart. Die Motive sind sprechend
und eigenthiimlich, bei dem Johannes, welcher in der Linken
sein Evangelium, die Rechte gegen den Kopf begeistert empor-
schaut, ist die ganze Bewegung selbst frei und graziés. Alle
erscheinen wesentlich in dem Typus, welcher meist noch im
11. und 12. Jahrhundert iiblich blieb, jung und unbartig. Die
Verhaltnisse sind schlank, die Hande und die nackten Fiisse
fiir die Zeit ungewoéhnlich gut gezeichnet und bewegt. Die an-
tiken Gewandmotive sind meist sehr mechanisch behandelt. Die
Farben der Gewdnder sind bei Matthaus und Johannes zimno~
berroth und dunkelblau, bei Lucas und Marcus ein schénes Griin
und lichter Purpur. Zwischen den, jeden einfassenden beiden
corinthischen Saéulen mit reichem Blattercapitellen und schén-
farbigen Stémmen, goldene Stangen, von welchen nach antiker
Art Teppiche herabhingen. In den Archivolten sehr hibsche
Verzierungen von anlikem Motiv, in den Bogenfeldern die vier
bekannten Zeichen der Evangelisten. In den Zwickeln Gebaude
von spatantiker Form. Die Griinde sind nicht golden, sondern
griin und blau. Die Behandlung in Guasch ist dusserst sauber
und nett, mit sorgfaltiger Angabe von Schatten. Der Localton
des Fleisches ist gelblich mit weisslichen, sorgfaltig vertriebe-
nen Lichtern, griinlichen Schatten und braéunlichen Conturen.
Blatt 5. a. enthalt auf purpurnem Felde ein grosses C von brei-
tem, aber schén angeordnetem Geriemsel in Gold und Silber,
mit meist grimen, aber auch blauen Fiillungen, und einem Rande
mit derselben Verzierung, wie die Archivolten. Ausser ver-
schiedenen ahnlichen Initialen und Randern ist noch Blatt 31. b.
eine vortreffliche Darstellung von dem Kampf des Engels Mi-
chael mit dem Drachen vorhanden. Die schlanke Gestalt des
Engels, wie er die Lanze in den Rachen des Drachen bohrt,
ist sehr lebendig bewegt, die Hande fassen gut, selbst der
Ausdruck des Ernstes ist in dem tbrigens typischen Kopf wohl
gelungen. Der, Grund ist hier Purpur mit goldenen Sternen.
Fir Franken ist aber ein Evangelistarium in einem dem
Quart sich naherndem Folio wichtig (IV. 2. b.), welches etwa
um das Jahr 1000 in einer sehr grossen und dicken Minuskel
in einer Columne geschrieben worden ist und 136 Seiten ent-
halt. Fir die Oertlichkeit spricht die grosse Uebereinstimmung
mit den bekannten, auf Geheiss Kaiser Heinrich II zu Bamberg
ausgefiihrten Manuscripten, welche so weit geht, dass einige
Bilder in dieser, und dem Missale B. 7. jener Handschriften,
offenbar von demselben Kinstler herriihren !), welcher indess
in der letzteren, wahrscheinlich im Jahre 1114 geschriebenen,
einen offenbaren Fortschritt zeigt. Im Ganzen aber haben Schrift
wie Bilder unseres Codexes ein etwas alteres Ansehen. Na-
mentlich zeigt von den vier Hinden, welche sich darin unter-
scheiden lassen, jene, auch in jenem Bamberger Codex vor-
kommende, einen entschiedneren byzantinischen Einfluss, und
verrath die Hand, welche S. 14 zuerst auftritt, im Typus der
Kopfe viel Uebereinstimmung mit den friiheren Denkmalen von
rein romanischem Charakter, und halt in den Gewandern sehr
	1) So unter anderen in dem fraglichen Manuscript das Bild auf S. 1

und das oberste auf S.2; in dem Bamberger Manuscript die Krénung des
Kaisers B. 14. a.
	Rudolf sind drei Arbeiten abgebildet: Achill und die Pentesilea,
die Sandalenbinderin und die Spinnerin, Zeugnisse eines herr-
lichen, leider so frih abgerufenen Talents. Von den Arbciten
anderer Kimstler sind der Bildermappe noch angefiigt: das Denk-
mal Rudolf’s, von seinem Vetter Emil Wolff, in der Kirche
Santo Andrea delle Frate zu Rom und einige Federzeichnungen
von Prof. Kolbe zu Transparenten bei Kiinstlerfesten und zu
einem Gedicht, welches Géthe 1817 dem Berliner Kiinstler-
Verein zu seinem Jahresfeste gewidmet hatte.

Das ist der Abriss des ktinstlerischen Wirkens Schadow’s.
Er stellt sich dar, als Einer, der voran war in dem Streben,
den locker gewordenen, ja gering geschatzten Bund der bil-
denden Kunst mit der Natur auf’s Neue zu befestigen und un-
verbriichlich zu halten. War es von ihr, dass er auch jene
Einfachheit und Herzlichkeit des Wesens empfing, die thn so lie~
benswirdig als Menschen machte? Niemals verlaugnete er eine
heitere Freundlichkeit, die auch den lauten Klang der ungebun-
densten, aber stets von ihm beherrschten Jovialitét, so gut an-
zuschlagen wusste. Unvergesslich wird seinen Freunden das
lebendige, kinstlerisch gesellige Treiben seines Hauses sein
und den Kiinstlern seine muntere, immer rege und junge Theil-~
nahme an ihren Festen, denen selten seine stets gliicklich im-
provisirten Reden fehlten. Denn er hatte immer ein Kernwort
bei der Hand, das den Nagel auf den Kopf traf. Dabei war
er slets gewohnt, mit dem biedersten Freimuthe seine Gedanken
auszusprechen, und es sicherten ihm diese Eigenschaften ein
fortdauerndes freundliches Verhaltniss, in welchem er nachein-
der zu drei Kénigen des Landes von den vieren stand, deren
Regiment er erlebte. Ein wie wackerer Bundesbruder ein sol-
cher Charakter den Freimaurern sein musste, das werden die-
jenigen wissen oder ermessen, die diesem Bunde angehdéren.
Nie, auch im spatesten Alter nicht, hat er es verlernt, mit der
jungen Kinstlerwelt zu verkehren; er machite keine Umstande
und brauchite gern ohne Weileres das vaterliche , Du“ gegen
alle seine Schiller. Blinder Parteieifer fir oder wider eine
kinstlerische Richtung war ihm fremd, Vielmehr den richtigen
Werth einer jeden anerkennend, stand er trotz seiner strengen
und scharfen Beobachtung zur mitlebenden Kinstlerwelt in einem
ausgezeichneten Verhaltnisse. Nicht weniger liebenswiirdig war
er im Familienverkehr, wobei er bis zuletzt immer der freund~
liche Alte blieb, um den sich gern Alles versammelte; er wurde
niemals miide, den Enkeln zuzuschauen und in ihr Treiben und
Thun einzugehen, dem er gern die freieste Bewegung gestattete.

Verheirathet war Schadow zweimal. Wir haben der beiden
Sohne aus der ersten Ehe oben gedacht. Im Jahre 1817 ver-
mahlte er sich zum zweitenmale mit einer Tochter des Staats-
rathes Rosenstiel, einer Frau, die wegen ihrer rastlosen Theil-
nahme und Férderung alles Guten und Schénen in dem be-
sten Andenken steht. Kinder aus dieser Ehe sind die Gattin
Eduard Bendemann’s und der Maler Felix Schadow, der sich,
anfangs in Dresden unter der Leitung seines Schwagers, der
Historien- und Portraitmalerei gewidmet hat.
	Nachtrage zur zweiten Ausgabe von Kugler’s Handbuch
der Geschichte der Malerei, vornehmlich in Beziechung auf
Deutschland, und ganz besonders auf Béhmen.

Von G. F. Waazen,
		Deutsche Miniaturen des 9. und 10. Jahrhunderts.
(Schluss.)
Fir Augsburg legt das von dem heiligen Ulrich, welcher

von 923—973 daselbst den bischdflichen Stuhl inne hatte, eigen-