namentlich in Berlin, wo man gern die Wirklichkeit zur Bedin-
gung der Wahrheit macht und einen persénlichen Verkehr zwi-
schen Homer und Sophokles, eine Gemeinschaft zwischen Apelles
und Phidias auf Erden nicht leicht gestattet; auch anderwarts,
wo Homer und Hesiod von ihren Géttern und Helden ernstere,
michtigere Bilder als die hier erscheinenden in die Seele ge-
legt und wo ein Phidias, der von seiner Achillesstatue zu den
Gottern aufblickt, keinen Glauben findet, wenn er damit sagen
will, die griechische Kunst sei unter dem Einfluss homerischer
Gesinge von der Bildung der Heroen zu der der Gétter em-
porgestiegen. Aber all dieser Widerspruch wird niedergeschlagen
durch die Fille der Schénheit in Formen, Bewegungen, Grup-
pirung, die tiber das ganze Werk ausgegossen ist, und die,
wie aus der Anordnung klar hervergeht, durch die Farbung
und Beleuchtung, ja schon durch die heitere, sonnige Stimmung,
in welcher es gedacht ist, bedeutend gehoben werden wird.
Schon die schénen Nereidenleiber in der griinen Fluth, dabei
die weissen Schwane, die edien Mannergestalten,. die weite
Landschaft, und tiber allem der warme siidliche Himmel, das
alles in der Hand Kaulbach’s sichert dem Gemilde eine siegende
Wirkung. Er wird aber im kommenden Sommer nicht daran,
sondern an der Zerstérung Jerusalems malen.

Nachstdem ist Kaulbach beschaftigt mit den Entwiirfen fiir
die stereochromischen Gemalde an der Aussenseite der neuen
Pinakothek in Miinchen. Er macht dazu ziemlich ausgefiihrte
Zeichnungen und Farbenskizzen in Oel, die Figuren etwa 14
Zoll hoch. Der Konig Ludwig hat fiir diese Stelle Gemalde
aus der Geschichte der neuen Kunst bestimmt und Kavlbach hat
die Aufgabe mit poetischer Freiheit aufgefasst und behandelt.
Vierzehn grosse Raume fir ausfihrliche Darstellung und vier-
zehn kleinere fiir einzelne Gestalten sind ihm angewiesen. Der
Kampf gegen den alten akademischen Kunstgeschmack, die Wan-
derungen nach Italien, die dortigen Studien und des Kénigs Ruf
in die Heimath, des Kénigs Thatigkeit fir Kunstsammlungen,
die Wirksamkeit der Maler, der Bildhauer und Erzgiesser, der
Architekten u. s. w., auch die grossen Kiinstlerfeste bilden den
Stoff, den Kaulbach mit Geist und guter Laune behandelt. Da
sieht man auf einem Bilde die deutschen Kiinstler in Rom, wie
sie nach Modellen malen, Gruppen aus dem Volksleben auf-
nehmen, auch wohl katholischen Herzensangelegenheiten sich
hingeben; ein andermal, wie sie nach der Antike studiren, oder
sonst beschaftigt sind und nun die Botschaft empfangen von den
grossen Arbeiten, die ihrer harren; wieder dann, wie der Ké-
nig umgeben ist von den Mannern, die ihm die Schatze der
Glyptothek und der Pinakothek zufiihren; oder auf einem an-
deren Bilde, wie Klenze, Garmmer, Ziebland wu. A. Фано sind,
grosse Bauten auszufiihren u.s.w. Die Ausfihrung in Stereo-
chromie ist dem Maler Nilson wbergeben, und dieser hat mit
Hilfe des Maler Echter einen Carton (die Berufung der Kinst~
ler) vollendet und einen zweiten (die Rémerfahrt) begonnen und
wird im Laufe des Sommers 1850 beide Gemilde vollenden.

Endlich hat Kaulbach noch einen Carton gezeichnet, der
bestimmt ist als Oelgemilde fiir das Stidel’sche Institut in Frank—
furt ausgefiihrt zx werden. Das Thema ist dic Beendigung des
Krieges der Sachsen und Franken unter Karl dem Grossen. Es
giebt Viele, die jede neueste Arbeit eines Meisters fir seine
beste halten; ich gehdre nicht dazu. Aber von dieser Zeich—
nung sage ich mit Zuversicht, dass sie zu dem Besten gehort,
was Kaulbach hervorgebracht, und in Klarheit und Geschlossen—
heit des Gedankens sie von keiner anderen yon ihm tibertroffen
wird. Es ist ein ganz vorziigliches Werk, ausgezeichnet noch
durch eine ganz neue Auffassung des Gegenstandes und durch
vorurtheilslose Wirdigung der unterliegenden Partei, In der
Mitte steht der Held Karl, sich haltend an das Kreuz, dag er

 

 
	mit dem Schwert in der Hand aufgerichtet; es ist der welitliche
Herrscher, der die sichere Stitze dieser Herrschergewalt er-
kannt. hat und beide verbunden halt. Zu ihm tritt Wittekind
und ergreift die Hand, deren Uebermacht er mit gebrochenem,
aber doch noch nicht ersticktem Trotze anerkennt. In der Um-
gebung dieser beiden Gestalten spricht sich die ganze Leiter
der Empfindungen aus, die das Ereigniss begleiten mussten.
Zuerst hinter Karl stehen die Helden seines Heeres, die Pala-
dine mit den Haimonskindern, alle mit dem Ausdruck der Be-
friedigung nach siegreich tiberstandenem Kample, einige der
niederen Kampen mit der Miene des Hohns, wie sie der Ge-
fallene zu oft sieht; Erzbischof Turpin tragt das Evangelium und
wendet sich damit an gefangene Sachsenpriester, die in stolzem
Schmerz sich abwenden, wahrend andere tiber die zerschlagene
Irminsaul niederfallen und verzweiflungsvoll sich gegen Witte-
kind wenden, dass er muth~ und treulos sie und den alten
Sachsengolt verlassen. Diese Empfindung steigert sich in eincr
Gruppe alter Frauen zu heftiger Verwiinschung und Wuth, zu-
mal da die Leiber der erschlagenen Ihrigen vor ihnen um Rache
schreien. In tiefe Trauer aber versunken, im Bewusstsein Ehre,
Freiheit und den alten Glauben an eine neue, unbekannte, jeden-
falls feindliche Macht hingeben zu miissen, steht hinter Witte-
kind seine Familie. Im Hintergrunde rechts wird ein Christen-
tempel aufgefiihrt, und links verbrennt sich selbst eine der
sichsischen Priesterinnen auf ihren heiligen Wagen. Dieser
Carton ist vollendet und wird, wie bereits erwahnt, zu einem
Oelgemalde dienen, das aber in sehr viel grésserem Massstab
	ausgefthrt werden soll. (Fortsetzung folgt.)
	Au aiteren Kupferstichkunde.
	Von Sotzmann.
(Schlufs.)
	О. Kiassifikation und Technik. Zuvérderst miissen

wir sehen, welches die Blatter sind, die unter den Kupfersti-

chen des 15. Jahrhunderts, wie schon oben im Eingang bemerkt

worden, mit dem so eben beschriebenen in Form und Einrich-
tung ubereinstimmen. Es sind dies namentlich folgende:

1. cine Reihe von Vorstellungen der Schépfungstage, von
der einige Blatter in der Kupferstichsammlung Paul Behaims in
Nurnberg befindlich waren,- die er in dem handschriftlichen Ver-
zeichniss derselben, jetzt in dem Kupferstich-Kabinet des hie~
sigen Museums, p. 75 unter dem Monogramm T folgendergestalt
ай. »Was Gott den andern Tag erschaffen hat vnnd wie die
bésen engel in die Hélle verstossen werdten. Ao. 1485. hoch
folio. Wie Gott wasser vnnd die Erdt erschaffen hat. Ао. 1485
aussgangen. hoch folio.“ Bartsch hat diese Folge nicht gekannt;
der fiinfte Tag aus derselben mit Erschaffung der Thiere und
Voégel, ist aber im Besitz des hiesigen und ein andrer mit dem
von Behaim erwahnten Fall Luzifers, im Besitz des Dresdner
Kupferstich-Kabinets. Besonders merkwiirdig ist diese Folge,
weil sie, neben den lateinischen, auch niederdeutsche, nicht
hollandische Zettelinschrifien hat. So heisst die auf dem hiesi-
gen Blatt: In den viifden daghe maeckde got voghele en vessche
op dat he twater met vesschen en die locht met voghelen sier-
den. Dies Blatt ist hoch 8 8”, breit 6’ 10  und scheint das
Wasserzeichen ein Einhorn zu sein.

2. mehrere Geschichten Simsons auf einem Blatt, hoch 8
9”, breit 6  9”, dessen Wasserzeichen ein Paar iberkreuzgelegte
Schliissel mit einem Kreuz in der Mitte zu sein scheinen. Dic
Schrifizettel sind hier nur lateinisch. Auch dieses Blatt, wel-
ches bei Bartsch nicht vorkommt, ist in der hiesigen Sammlung.

3. die alte Volkssage vom Jungbrunnen, mit mehreren zum