noon fit att. Organ der deutSchen Kunstvereine. Aeitung fiir bildende Kunst und Baukunst. Unter Mitwirkung von Kugler in Berlin — Passavant in Frankfur’ — Waagen in Berlin — Wiegmann in Disseldorf — Schnaase in Berlin — Schulz in Dresden — FGrster in Minchen — Hitelberger v. Edelberge in Wien redigirt von Dr. F. Hegers in Berlin. Montag, den 8. April. Ein Kunstwerk darf nicht mehr zeigen, als es enthilt, und der Betrachtende muss sich hiiten, mehr hinein zu legen, als darin liegt. Obdwont es lange dauert, bevor wir durch ernstes Studium zur Kenntniss des innern Gehalts eines Kunstwerks, zur Ab- schitzung seines wahren Werths, der sich weder nach dem Maasse des Lobes, das ihm zu Theil geworden, noch nach der Scharfe des Tadels, der es getroffen, bestimmen lasst, gelan- gen, so ist es doch wichtig, sich gleich anfangs den Grundsatz einzuprigen, welcher das Verhaltniss des Gehalts zum Ausdruck feststellt. Nur in den Zeiten des Verfalls und bei einreissender Geistlosigkeit drangt sich die Form dem Inhalt voran, wabrend vor dem Eintritt der Blithe umgekehrt der Geist im Ueberge- wicht gegen den Kunstkérper vorhanden ist. Die vollendete Kunst allein stellt das Gleichgewicht vollkommen her und als Gleichgewicht stellt es sich auch in allen Theilen der materiel- len Oekonomie des ins Dasein getretenen Werks dar. — Dies bei Werken der Malerei und Bildnerei nachzuweisen, erfordert schon Erfahrungen, ohne welche die Darlegung der Storung dieses Gleichgewichts oder der Schénheiten, welche auf dem Vorhandensein desselben beruhen, gar nicht verstandlich wer- den kann. Dagegen kann die Architektur beides auf eine hand- greifliche Weise veranschaulichen. Jeder Bau beginnt von einer festen Grundlage aus und diese bedingt dann, es mag hinzu- gefiigt werden was da wolle, scine ganze aussere Erscheinung. Die Gestalt des Grundplans liefert die Verbiiltnisse der Hohe und Tiefe eines Gebaiudes. Eine unniitze Ausdehnung in die Breilte wird sich eben so unangenehm bemerkbar machen, wie eine allzuknappe Begranzung. Das Fehlerhafte dieser ersten Anlage wird sich aber in der Vorderansicht so gut geltend machen, wie in der Verthcilung der ganzen Massen. Nun ist es ein namentlich in Italien sehr gewohnlicher Kunstgriff der Architekten, die Fagade grésser und ansehnlicher erscheinen zu lassen, als der Gehalt der baulichen Theile, deren Gesammt- ausdruck sie doch gerade so treu und wahr angeben soll, wie eine echrliche und schminklose Gesichtsbildung den Charakter und die Sinnesart eines Menschen. Nichts racht sich so bitter im Leben, als die Erregung hoher Erwartungen durch ein im- posantes Aeussere, dem die That und Handlungsweise nicht entspricht. Geradeso aber geht es uns bei der Betrachtung von Baudenkmilern, die sich durch ihre Aussenseite als ganz etwas anderes anktindigen, als was man bei dem Eintritt in dieselben wiederfindet. Wer vor die Riesenfagade von St. Peter tritt, wird auf keine Weise im Stande sein, den Zweck, die Aus~ dehnung und die Gestalt des dahinter gelegenen Gebaudes zu bestimmen. Ein solcher Fall kommt in der ganzen weiten Welt der natiirlichen Erscheinungen nicht vor. Da dieser grosse Vor~ bau den Blicken des Herannahenden sogar die Aussicht auf die Kuppel entzicht, so kann man nicht einmal ahnen, in welche Riume man eintreten wird. Bei S. Giovanni in Laterano ist dies derselbe Fall, nur dass hier die Vorderansicht auf weit gréssere Ausdehnungen schliessen lasst, wahrend derjenige, welcher in die Peterskirche eintritt, durchaus auf diese unge- heuren Tonnen- und Kuppelgewoélbe nicht vorbereitet ist. — Wahrend in diesem sonst prachtvoll ausgefiihrten Gebaude nicht blos das Gleichgewicht tiberall zerstért, sondern auch alle Be- ziehungen verriickt und verwirrt sind, schen wir bei dem Pan- theon und der Kirche von 8. Maria degli Angeli, die in die Thermen des Diocletian eingebaut ist, gerade das entgegenge- setzte obwalten. Obwohl letztere um- und verbaut ist und einer Vorderansicht durchaus entbehrt, so kiindigen sich doch die freien lichten Riume durch das Dachgehause fern und nah ver- nehmbar an. Der Eintretende ГА sich zwar tiberrascht, aber nicht getéuscht, und wenn er von dieser herrlichen Bauanlage wiederum Abschied nimmt und noch einen Blick der Bewunde- rung auf das hochaufragende, so verstindig gegliederte Ge- mauer wirft, so wird ihm das Verhaltniss von Ursache und Wirkung gerade eben so klar wie einem, der den stiissen Kern einer Cocusnuss gekostet hat und sich nachgerade bei genauerer Belrachtuug eines so wunderbar gestalteten Gehauses tiberzeugt, dass nur ein solcher fester Mantel die erquickliche Frucht zu einem Eiskeller der Wiiste zu machen im Stande ist. Auch das Pantheon ist durch seine an sich stattliche Saulenhalle cher benachtheiligt, als vortheilhaft geschmiickt. Der grosse Kup- pelbau kiindigt sich indessen noch deutlich genug an, und der Eintretende findet sich auf den gewaltigen Eindruck, den er zunachst von der durch die Kuppeldffnung einfallenden Licht- masse erhalt, vorbereitet. In beiden Fallen aber ist die aus- sere Rinde von einer sehr bescheidenen Farbung. Prachtvoll yon innen und von aussen stellt sich dagegen ein griechischer Tempel mit seinen rundumlaufenden Saulenhallen, Giebeln und Architraven dar, und herrlich vor allen, bezaubernd schén, durch und durch harmonisch die sonnendurchwohnten, kristall- 44