der Direction von Pierre Lescot, als Abt von Clagny, der Singe-
chor der Kirche St. Germain ’Auxerrois vollendet, welchen Jean
Goujon mit Skulpturen geschmiickt hatte, und nehmen wir den
Band des Germinal des Jahres V., so giebt sein Deckel dieses
Datum:
»An Jehan Goujon, Steinschneider, die Summe von 10 Son-
nengoldthalern auf Abschlag (?) seiner Bildhauerarbeiten,
nach seiner Quittung vom 18. Mai 1542“  ),

Diese Data sind von Wichtigkeit. Sie zeigen die Verei-
nigung dieser beiden grossen Kistler zu einer Epoche, wo
wir unsern Bildhauer noch zu wenig beriihmt oder zu jung
geglaubt haben, um eine so schéne Verbindung einzugehen.
In der That kam Goujon im Jahre 1541 aus seiner Heimath, der
Normandie zurtick. Unbekannt in Paris, war er schon in Rouen
berimt. Pierre Lescot hatte ihn unter dem Schutze von Diana
von Poitiers arbeiten sehen, welche ihrem Eheherrn ein sché-
nes Grabmal errichtete. Auch hatte unser Bildhauer die Gunst
und den Schutz von Georges d’Amboise, den zweiten jener
Edlen, welche in der Normandie die Aera der Renaissance er-
Offnet hatten. So kam es denn, dass Goujon bei seiner Ankunft
	in Paris von Lescot ebenfalls aufgesucht und mit der erwahnten
	Arbeit betraut wurde. Mit diesen Nachrichten fillen wir also
eine Liicke von finf Jahren in seiner Lebensgeschichte aus,
welche Liicke man mit Arbeiten in St. Quen auszufiillen ge-
wohnt geworden, die also erst spiter anfangen.

Der Lettner mit seinen Skulpturen schmiickte 200 Jahre
lang die prachligste Kirche von Paris. Sauval in seiner Ge-
schichte und Beschreibung von St. Germain-l’Auxerrois (1660)
sagt iiber dasselbe: ,, Der Singechor wird von drei Arkaden ge-
tragen und von einer Mauer von der Héhe der Stiitzpfeiler ab-
geschlossen. Diese Arkaden stehen auf einem grossen Sockel
oder Stufen. Man tritt in den Chor durch die mittleren Bogen,
die beiden andern dienen zu Kapellen. Ihre Stiitzen sind eine
jede mit zwei korinthischen Saulen geziert und die Schlusssteine
ihrer Bégen mit Basrelief-Figuren, Engel, welche die Marter-
werkzeuge in der Hand halten.   Auf dem Vorsprung tber den
Saulen sind die vier Evangelisten in halber Lebensgrésse ange-
bracht. In der Mitte hat Goujon in einem grossen Basrelief
den Nikomedes. vorgestellt, welcher den Heiland in Gegenwart
der Jungfrau, des Johannes und der Marien begrabt. — Dieses
Basrelief ist sehr bewundernswiirdig und wiirde es noch mehr
sein, wenn die Kirchenvorsteher es nicht mit Vergoldung be-
sudelt hatten. “

Wie man sieht, enthalten diese Register die vollstandigen
Rechnungen tiber jenes Werk unserer hbeiden Kinstler. Es
fragt sich nun, wie kamen so kostbare Nachrichten auf die Bii-
cherdeckel? Das ist indessen ganz einfach. Alle unsere Kir-
chen haben ihre Rechnungspflichtigkeit gehabt, und St. Germain-
PAuxerrois, diese kénigliche und prachtige Pfarre, hatte mehr
als irgend eine andere néthig, ihre Rechnungen mit Sorgfalt
und Zusammenhang zu halten. In der Revolutionsepoche wur-
den die kéniglichen und geistlichen, die Gemeinde - und grund-
herrlichen Archive verwiistet und das Pergament von allen Ak-
ten, unter dem Vorwande zu patriotischen Patronen zu dienen,
an den ersten Besten verkauft. Ein Buchbinder kaufte damals
einige Partien Pergament aus den Archiven von St. Germain-
’Auxerrois und band darin die Bucher seiner Kunden. So
wurde die hier besprochene Sammlung des Journal des Debats
in Blatter gekleidet, welche aus den Registern des funfzehnten,
sechszehnten und siebenzehnten Jahrhunderts gerissen waren.
	1) A Jehan Goujon » tailleur d’ymages, la somme de dix escus d or
soleil sur étantmoings de son mestier d’ymagier, ainsi quwil appert par sa
quittance en datte du 18 may 1542.
	Das sechszehnte Jahrhundert lieferte seinen Beitrag in cinem
Register tiber die Ausgaben der Jahre 1539 bis 1545 und ent-
halt also beinahe alle Artikel, welche fir die Erbauung und
die Skulpturen der neuen Chorbithne bezahlt worden sind; eine
Unternehmung, die mit dem Jahre 1541 begann und mit 1544
endete.

Da die Biihne im Jahre 1754 zerstért wurde, um dem Chor
der Kirche mehr Licht zu geben, so wurden Goujons Skulptu-
ren in die Altére der Seitenkapellen eingefiigt. In der Revo-
lutionszeit, als man St. Germain-l’Auxerrois pliinderte, bewahrte
einer jener Manner von Kenntniss und Geschmack, welche man
bei allen Pliinderungen zu finden pflegt, das Relief vor dem
Begrabenwerden. Er hatte bemerkt, dass Jean Goujon mehr
Gefiihl und weniger Manier in dieses Werk hineingelegt hatte,
als in irgend eine andere seiner Productionen; er wollte es vor
Zerstérung retten, und eignete es sich zu diesem Zwecke an.
Spater, als er es an Hrn. Alexander Lenoir verkaufte, verbarg
er seine schéne Handlung so gut, dass der Director des Mu-
seums des Petits-Augustins nicht den Meister zu dem Werk
wusste und in seinen Catalogen bemerkte, dass es aus der
Kirche des Cordeliers ware. Hiatte man es von der Vergoldung
befreit, so wirde das Museum nicht seit 35 Jahren in seinen
Catalogen die Bemerkung: ,, Meister unbekannt“ gehabt haben.
So aber ist jetzt Hoffnung vorhanden, auch die Evangelisten
und den Rest der Chorausschmiickung wiederzufinden. Es ist
also nicht unntitz zu wissen, dass die Construction von Pierre
Lescot an die Stelle eines alten gothischen Letiners kam, dass
Simon Leroy, ymagier, 50 Thaler erhielt pour la fagon de six
anges, welche an besagter Chorbiihne (pulpitre) sind; endlich
dass Louis Dubreuil, maistre painctre, alle Vergoldungen, und
Nicolas Dubois, maistre verrier, alle Glasrestaurationen ausge-
fabrt hat.“

Dies sind die Mittheilungen des Grafen von Laborde, de-
nen er noch die Nachricht hinzufiigt, dass die Directoren der
schonen Kiinste und der National-Archive ihm versprochen ha-
ben, die in Rede stehenden Einbinde des Journal des Debats
durch neue ersetzen zu lassen, damit die aufgefundenen Doku-
mente ein ehrenvolles Asyl gewinnen, welches dann auch Ge-
legenheit geben werde, noch genauer zu erfahren, wie die Ar-
beiten von Pierre Lescot und Jean Goujon v. J. 15414—1545
geleitet und bezahlt worden sind. _ F. E.
	ОА ет ей.
	Bildnisse bertihmter Deutschen. Erste Lieferung

mit 3 Blittern in kl. Fol. Leipzig, Verlag von Breit-
kopf und Hartel, 1850. )
	Der tber dies Unternehmen ausgegebene Prospectus be-
zeichnet dasselbe als eine Sammlung von Bildnissen der grossen
Manner, welche seit dem Aufschwung des deutschen Geistes
im vorigen Jahrhundert die Vorbilder der Nation gewesen sind,
auf ihre Bildung bestimmend eingewirkt, ihr vornehmlich in
Kunst und Wissenschaft vorangeleuchtet haben, die Bildnisse
der Manner, welche als die geistigen Haupter des Volkes an-
erkannt sind. Fir jedes Bildniss soll das beste erreichbare
Original benutzt und dasselbe von achter Kinstlerhand durch

den Grabstichel wiedergegeben werden. Der Umfang des Gan-~
zen ist auf 9 bis 10 Lieferungen berechnet. Gewiss kénnen
	1) Die Lieferang zu 14 Thaler oder 2 FI. 40 Xr. rhein., bei Abdriicken
vor der Schrift und auf grésserem Format das Doppelte.