Zuunterst, also zundchst dem Allar knieen die Schutzengel der Menschen, der eine mit der Krone, der andere mit der Palme des ewigen Lebens, wofiir allein sie auf Erden thalig und wach- sam sind. Daneben knieen die Erzengel Gabriel und Michael, ersterer mit sichtlicher Beziehung auf sein Amt der Verkiindi- gung, der andere im Waffenschmuck. Das dritte Paar der un- tern Abtheilung sind die ,,Firstenthtimer,“ die die Symbole geistlicher und weltlicher Macht tragen. Die obere Abtheilung zeigt die ,Gewalten,“ denen oblicgt, die finstern, dimonischen Geister niederzuhallen, die ,,Krafte,“ denen der geordnete Lauf der Weltkérper anvertraut ist, und die ,,Ftirstenthiimer,“ welche iiber Frieden und Gerechtigkeit wachen. #ndlich in der Mitte zwischen beiden Abtheilungen, der Gottheit zunachst, schweben die ,,Throne,“ mit Rauchgefissen, die Opfer und Gebete der Menschen ihr darzubringen, — Die Gestalten sind sehr gross (die sitzende von Gott Vater 15 Fuss), so dass das Unterneh- men schon dem raéumlichen Umfang nach als eines der gréssten unserer Zeit erscheint. Der Styl und die Anordnung sind ernst und feierlich, allein nicht im Sinn der Kunst des 14. und 15. Jahrhunderts, wie bei den vorgenannten Kiinstlern, sondern einer elwas spitern Zeit. Die Charakteristik ist durchaus ideal und voll Schénheitsinn; in den Gewdndern ist, offenbar absicht- lich (den gewaltigen Raiumen zu lieb, die auszufillen waren), grosser Reichthum angewandt; doch wird er vom Geschmack beherrscht und jede Ueberladung ist vermieden. In den Be- wegungen herrscht Lebendigkeit und Manniehfaltigkeit, aber auch Maass. — Vollendet von dem Werk ist die obere und mittlere Abtheilung; die untere wird Moralt im Laufe des ein- irelenden Sommers ausfiihren. Heinrich y. Hess ist mit einem grossen Oelgemilde, Ma~ donna in trono umgeben von Heiligen, fiir den Kénig Ludwig, beschaftigt; doch ist es noch nicht soweit vorangeschrilten, dass es Gegenstand Offentlicher Besprechung sein konnte. Anton Fischer, der 1849 ein grosses Oelcemilde, die Grablegung Christi, gemalt hat, das der Kémg Ludwig fiir die neue Pinakothek erworben, hat jetzt das Bild einer Kreuzab- nahme, ebenfalls in lebensgrossen Figuren, angefangen, im Ver- trauen auch dafiir einen Freund zu finden, der um so weniger fehlen wird, als Fischer mit einer schénen ausdrucksvollen, nur etwas an Naluralismus slreifenden Zeichnung, eine kraftige, har- monische Farbung und cine sehr wirkungsvolle Haltung verbindet. Geschichte der Kunst in Deutschland. Archiv fiir Niedersachsens Kunsigeschichte. Eine Darstellung mitielalterlicher Kunstwerke in Nieder- sachsen und nichster Umgebung, bearbeitet und heraus- gegeben von H. Wilh. H. Mithoff. — Erste Abthei- lung: Mittelalterliche Kunstwerke in Hannover. Lief. Hannover, Helwing’sche Hofbuchhandlung. Gross Fol. Unter vorstehendem Jitel kundigt sich ein neues Unter- nehmen an, das fiir die vaterlandische Kunstgeschichte von Be-~ deutung zu werden verspricht und dem wir die beste Theil- nahme winschen. Es ist den Denkmalen des zwischen Elbe und Weser belegenen Theiles von Norddeutschland, die bisher im Ganzen noch wenig bekanst sind, gewidmet. Es wird die Kunsiwerke vom Anfange des 11. bis zum Schlusse des 16. Jahr- hunderts und die verschiedenen Gattungen derselben, vorzugs- weise jedoch die Werke der Bavkunst, umfassen. Bei der Waht des Darzustellenden soll nicht allein der Kunstwerth entschei- den, sondern auch Dasjenige, was, bei vielleicht geringerem Kunstwerthe,, fir Geschichte, Gebrauche und Kostiime der Vor- Aus diesen allgemeinen Umrissen der Conception erkennt man den Standpunkt des Kinstlers, der dem Maria- und Hei- ligen- Cultus vorbehaltene grosse Raum bezeichnet ihn als den einer streng-katholisch-kirchlichen Kunst. Als zuerst von der Ausmalung des Domes die Rede war, haben Viele (und ich mil ihnen) geglaubt, das Hauptmotiv derselben werde von der ,,Kai- sergruft* genommen und ciwa die Beziehung der hier ruhenden deutschen Reichsschirmherren zur Religion und Kirche einer Gemildefolge, wenigstens fiir Mittel- und Querschiff zu Grunde gelegt werden. Ich zweifle nicht, dass damit ein mehr umfas- sender Erfolg zu erreichen gewesen sein wirde, als durch Wiederholung des Oftgesehenen und Bekannten, denn einer der wirksamsten Hebel des Kunstinleresses ist die Neuhcit des Stoffs. Allein dann ware schwerlich Schraudolph so an rechter Stelle gewesen, wie er es jetzt ist, wo er unbekiimmert um den Stoff, den er als einen gegebencn und als ein Heiligthum seiner Seele (so gut wie der Kirche) betrachtet, seine kiinstlerischen Krafte allein auf die Ausbildung der Form, auf wirkungsvolle, feier- liche Anordnung, auf Wiirde und Reinheit der Gestalten und ihrer Bewegungen, auf Schénheit und Hohe der Charakterzeich- nung und Wahrheit und Seclenfiille des Ausdrucks, endlich auf einen grossartigen Styl in der Zeichnung und auf Vollendung in Farbe und Harmonie, und zwar mit dem glicklichsten Erfolg gerichtet hat. Es ist wahr, wir werden oft von seinen Com- positionen an Werke des. Fiesole oder der andern АЦега Ео- rentiner erinnert (obwohl nirgend auch nur entfernt ein Plagiat vorkommt); aber wenn uns. dort der Reichthum religiéser Em- pflindung bei Einfachheit, Ernst und Anmuth entziickt, so wollen wir uns das Gefihl bei einem Werke nicht verkiimmern durch den Gedanken, dass es nicht vor 400 Jahren entstanden ist. In einer ahnlichen Richtung arbeitet August Palme. In- zwischen hat das Deutsche Kunstblatt bereits (No. 7. 8.55) iber seine gegenwartige Thatigkeit Bericht erstattet, und indem ich darauf verweise, fiige ich nur hinzu, dass er ausser den Ge- milden fiir Vierzehn-Heiligen noch zwei Altargemalde in Oel fiir die Gemeinde Bobmenkirchen in Wiirttemberg ausfiihrt: 5. Colman, einen jugendlichen Heiligen aus England, der seinen Martyrertod durch den Strang in Mahren fand, und die Jungfrau Maria, welche der Schlange den Kopf zertritt. Ludwig Moralt ist seit dem J. {848 mit einer grossen Fresko- Arbeit fiir den neuerbauten Dem in Arad in Ungarn beschaftigt und wiirde bereits wenigstens den ersten Theil der- selben beendet haben, wenn nicht die Kriegs-Unruhen des vo- rigen Jahres seiner Beschaftigung ein Ziel gesteckt gehabt hat- ten. Seine Aufgabe ist vor der Hand, das Gewdlbe des hohen Chors. (100 Fuss zu 60 Fuss) al fresco auszumalen, und war da- fiir die Dedication der Kirche durch dem Kénig Stephan an die Mutter Gottes verlangt worden. Da inzwischen das Allarbild (von Gregoletti in Venedig) die Himmelfahrt Maria vorstellt, so glaubte Moralt einen Gegenstand vorschlagen zu sollen, der in naéherer Bezichung zu dem Altarbild stinde, und wahlte den Himmel selbst, zu dem sie emporgetragen wird. Da silzen ne~- ben einander, tiberschwebt vom heiligen Geist (O, dass uns die Vorzeit dafiir kein verntinftigeres Symbol tberliefert hat! )), Vater und Sohn mit der Geberde der Erwartung und des lie- benden Empfangs der Verklarten. Der sie umgebende Raum ist benutzt zur Darstellung der verschiedenen Engelchére, und zwar bilden Cherubim und Seraphim eine doppelte Glorie um sie, und die tbrigen sieben Chére sind je durch ein Paar re- prisentirt, das sich aber stets nach rechts und links theilt, so dass alle nach beiden Seilen der Well gleich vertheilt sind. 1) Auf einem hiesigen Leichensteine aus dem 16. Jahrhundert sicht man die Dreicinigkeit in drei menschlichen Gestalten dargestellt.