niss zu dhnlichen Arbeiten in Deutschland auffallend ist — nicht
	im mindesten byzantinisch, vielmehr den italienischen Scuipturen
des 11. und 12. Jahrhunderts verwandt.
	Was nun Alter und Umstande der Erbauung betrifft, so
fehlen vor der Hand alle aussern Anhaltounkte. Wir wissen
	nur, dass an dieser Stelle, einem Hauptpunkt der Rémerstrasse ©
	von Campodunum (Kempten) nach Salzburg und Tyrol, das alte
Schongau (Esco, Esconova, Esconovaga) lag, im achten Jahr-
hundert bereits ein Besitzthum der Welfen. Auch im frihen
Mittelalter behielt der Ort Bedeutung, so lange die Kaiser die
genannte Rémerstrasse fiir ihre Romerztige benutzten, wie denn
namentlich berichtet wird, dass Kaiser Heinrich II, als er 1004
liber den Lechrain nach Italien zog, hier, in Altschongau, sich
mit seinem Bruder Conrad verséhnte. Danach aber folgten an-
haltende Fehden zwischen den Welfen und den Bischéfen yon
Augsburg, in denen der Lechrain, und also auch Schongau, sehr
verwiistet wurde. In diese Zeit fallt ibrigens eine Ausséhnung
von Welff II mit der Kirche Augsburg, 1035. Spater wirkten
nachtheilig auf das Gebiet von Schongau die Zerwirfnisse zwi-
schen dem Welfen Heinrich dem Stolzen und Kaiser Konrad dem
Hohenstaufen, mehr noch die zwischen Heinrich dem Lowen
und Friedrich dem Rothbart, da in Folge der letztern alle. wel-
	fische Besitzungen jener Gegenden eingezogen wurden und Alt-
	schongau an die Hohenstaufen kam, 1179. Gegen das Ende
ihrer Herrschaft, etwa um 1250, wurde Neu-Schongau, dic
jetzige Stadt dieses Namens, gegriindet, und gleichzeitig sinkt
Alt-Schongau in Verfall, und erhalt den Namen , Altenstadt®;
beide kamen durch Conradin an Bayern 1269. Wahrend des-
sen liess sich eine Commende der Tempelherren in Altenstadt
nieder und erbante auf dem nahen Burglaberge eine grosse
Burg, verkaufte aber nachtraglich die erworbenen Besitzungen
an das nahgelegene Kloster Steingaden. Weiter ist es in kei-
nem Fall fiir unsre architekturgeschichtliche Betrachtung von
Werth, die Begebenheiten von Altenstadt zu verfolgen.

Wohin gehért nun der Bau der S. Michaeliskirche? Bay-
rische Gelehrie ) schreiben ihn den Tempelherren zu und ver-
legen ihn somit friithestens in die Mitte des 13. Jahrhunderts.
Dass die Architekturgeschichte dazu nicht Ja sagen kann, selbst
wenn man die Thatsache in Betracht zieht, dass die Kunst in
Bayern nur sehr ungern mit der Zeit fortschritt und viel langer,
als jede andere, die alten Formen bewahrte, bedarf keines weil-
lauftigen Beweises; aber auch die Localgeschichte widerspricht
der Annahme. Nicht nur wird die Kirche 5. Michaelis in al-
tern Urkunden genannt, sondern es war noch cine zweite Kirche,
S. Lorenz, in Altenstadt, Hauptpfarrkirche, der Burg der Tem-
pelherren naher gelegen, als die Michaeliskirche, und wie eine
	Nachgrabung im J. 1811 innerhalb des nun zum Bauernhaus  
	herabgesunkenen Gebiudes (der Lorenzkirche) erwiesen, aer
Begrabnissort der Templer, so dass also die Michaeliskirche
mit ihnen nicht einmal in Beziehung stand.

Wollen wir die Zeit der Erbauung bestimmen, so haben
wir keimen Wegweiser weiter, als den Styl der Architektur
und der Sculpturen. Dieser aber weist auf die Mitte oder den
Schluss des 11. Jahrhunderts, méglicher Weise noch auf den
Anfang des 12ten. In diese Zeit aber fallen keine historischen
Ereignisse, die mit einem Kirchenbau in Verbindung zu setzen
waren, als die verheerenden Kampfe der Welfen mit den Bi-
schofen von Augsburg und die 1035 erfolgte Verséhnung; oder
die aus den Kimpfen des Herzogs Welf IV gegen Heinrich IV
hervorgegangene Verheerung des Lechrains (mithin auch Schon-
gaus), wobei tiber 100 Kirchen untergingen, so dass ein Neu-
bau danach (gegen Ende des 11. oder Anfang des 12. Jabrh.)
	1) L. Boxler, Geschichtliche Nachrichten von Schongan-Altenstadt, 1838. —
	leicht anzunehmen ist. Kirchen des 12. Jahrhunderts, wie die
1177 eingeweihete von dem ganz benachbarten Steingaden,
weichen im Styl wesentlich ab von der Altenstadter und stim-
	  men mit den Higenschaften einer weiter fortgeschrittenen Bau-
	Kunst tberein. Doch sind, wie gesagt, feste historische An-
haltpunkte noch nicht aufgefunden. Zu bemerken aber ist noch,
dass die Kirche, nach einem Besuche des Kénigs Ludwig 1837,
von den Zuthaten geschmackloser Frémmigkeit spaterer Zeiten
befreit, in ihrer alten Eigenthimlichkeit wiederhergestellt wor-
den ist. Ich empfehle den Besuch derselben jedem Freund der
miltelalterlichen Baukunst und ihrer Geschichte. ef.
	Georg Reperdius.
	Der Dichter und Gelehrte Nicolaus Borbonius, der mit
Holbein in England Bekanntschaft gemacht hatte, auch den Ge-
briidern Frellon, den Buchhandlern in Lyon, die dessen Bilder
des Todtentanzes und des Alten Testaments, 1538, zuerst heraus-
gaben, befreundet war, hatte seine kleinen lateinischen Gedichte
unter dem Titel ,.Nugae poeticae“ in demselben Jahr bei Gry-
phius in Lyon vermehrt wieder erscheinen lassen, welche unter
mehreren zum Lobe Holbein’s auch folgendes enthalten:

De Hanso Ulbio et Georgio Reperdio, pictoribus.

Videre qui vult Parrhasium cum Zeuxide,

Accersat e Britannia,

Hansum Ulbium, et Georgium Reperdium,
Lugduno ab urbe Gelliae. )

Vergeblich haben sich bisher alle Kunstschriftsteller bemtiht
zu entdecken, wer dieser Georg Reperdius gewesen sei, da
von einem Maler oder andern Kiinstler dieses Namens nicht
eine Spur zu finden ist. Fiorillo?) hielt ihn fiir cinen damals
berithmtén Formschneider von Lyon, bedenkt aber nicht, dass
Borbonius ausdrticklich von Malern spricht und dass er, wenn
er neben Holbein einen Formschneider hatte preisen wollen,
wohl den Hans Liitzelburger genannt haben wiirde, der dessen
oben angegebene Bilder so uniibertrefflich in Holz geschnitten
hat. R. Weigel, an dem in Anmerk. 1. angefiihrten Ort, be-
schrankt sich auf die Bemerkung, dass Reperdius ein eben so
unbekannter Maler sei, als der Basler Maler Maximin oder Maxin
um 1530, den man nur aus einem Gemalde kenne. Aber -von
einem Reperdius ist auch nicht einmal ein Gemalde da. Indess
ist nicht glaublich, dass Borbonius den Namen ganz sollte aus
der Luft gegriffen oder einen so geringen und obskuren Kiinst-
ler, dass sein Name durch nichts anders als durch diese Er-
wahnung auf die Nachwelt gekommen ist, einem Holbein sollte
an die Seite gestellt haben. Ich gab mir daher Mihe zu finden,
wer von den bekannten gleichzeitigen Meistern hier gemeint
sein kénne, und bin endlich, durch die anfangliche Fruchtlo-
sigkeit meiner Bemihungen nicht abgeschreckt, auf eine Spur
gekommen, die mich mit grésster Wahrscheinlichkeit in dem
Italiener C. oder G. Reverdino den rechten Mann erkennen lasst.

Meine Griinde fix diese Vermuthung sind folgende. Zu-
vorderst kénnte die grosse Abweichung der Namen von einan~
der Bedenken erregen, allein der Franzose Borbonius ist, nach
Art seiner Landsleute, ein arger Verstiimmler derselben, wie
er an Holbein gezeigt hat, dessen Namen er, ungleich weiter
gehend, als es behufs der Latinisirung nothig war, in Holbius
oder Ulbius zusammenzieht und verandert. Ganz auf dieselbe
Art ist aus Reverdinus, Reverdius geworden, eine Abktirzung,
	1) Von Rumohr, Hans Helbein der jtingere in seinem Verhaitniss zum

deutschen Formschnittwesen. Leipzig 1836. 8. Seite 85.
2) Geschichte der Malerei in Dentschland, TV. Seite 145.

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