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	ein Kompliment zu machen und so, wie man zu sagen pilegt,
	zwei Fliegen mit einem Schlage zu treflen.

Es wird mich freuen, wenn das, was ich hier gesagt habe,
Andern, welche sich mit alinlichen Untersuchungen beschaftigen,
Gelegenheit giebt, entweder neue Bestatigungen beizubringen,
oder eine besser begriindete Meinung als die meinige aufzustellen.

Schliesslich sctze ich noch folgende Verse hieher, die
sich auf dem Titelblatt eines wenig bekannten Buchs, der Ar-
tificialis Perspectiva des Viator (Jean Peregrin oder Pelegrin,
Sekretair Ludwigs XI und Kanonikus zu Toul). Toul, 1521. fol.,
befinden und wegen der darin vorkommenden Kiinstlernamen
interessant sind, theils um zu zeigen, wie man damals in Frank~
reich mit denselben umsprang, theils weil sie uns noch mehr
Rathsel von derselben Art aufgeben, wie das des Reperdius.

O bons amis, trespassez e¢ vivans,

Grans esperiz, Zeusins, Apelliens ,

Décorans France, Almaigne et Italie,

Gesselin, Paoul et Martin de Pavie,

Berthelémie, Fouquet, Poyer, Copin,

- Andre Montaigne ) et Damyens Colin,

Le Pelusin?), Hans Fris et Leonard*),

Hugues, Lucas), Luc*), Albert®) et Benard,

Jehan Jolis, Hans Grun’) et Gabriel,

Fuastele, Urbain®) et Lange Micael*),

Symon du Mons: dyamans , margariles .

Rubiz, saphirs, smaragdes, crisolites ,

Amétistes , jacintes et topazes ,

Calcédones aspéres et @ faces,

Jaspes, beritz, acates et cristaux,

Plus précieux vous tiens, que (ей роуаих

Et touz autres nobles entendemens,

Ordinateurs de specieux sigmens.
Von den in den Anmerkungen nicht niher angegebenen Kiinst-
lern, meist Franzosen und Flamlander, ist Fouquet der be-
kannte Hofmaler Ludwigs XI von Frankreich. Bei Benard
wirde man an Bernard Salomon, gewéhnlich le petit Bernard
genannt, den Urheber vieler Bilderwerke mit kleinen Holz-
schnitten, die de Tournes in Lyon herausgab, bei Jehan Jolis
an Jollat, dessen Name auf pariser Holzschnitten vorkommt,
denken kénnen, wenn deren Arbeiten nicht spater als nach
1520 erst zum Vorschein gekommen waren, man miisste denn,
was Jollal betrifft, dem unzuverlissigen Papillon Glauben bei-
messen, der ihn schon zu Ende des 15. Jahrhunderts Фано
sein lasst ®). Hugues ist wahrscheinlich Hugo von der Goes,
ein bekannter Schiller van Eycks, der Ugo da Anversa des
Vasari, bei Laborde   ) Hugues de Gand. Labordes Werk,
obgleich darin mehr als 400 aus den alten burgundischen
Rechnungsregistern zu Lille extrahirte Maler aufgezahlt wer-
den, enthalt jedoch nur sehr wenig, was auf die in unsern
Versen genannten Unbekannten, namentlich auf folgende, bezogen
werden kann.

Berthelémy. Seite 381 wird ein Berthelemi le peintre er~
wihnt, der 1440 zwar nur einen Pastetendeckel (le couverture
	1) Andreas Mantegna, 1431 — 1906.

2) Pietro Perugino, 1446 — 1524.

3) Leonardo da Vinci, 1452— 1519.

4) Lucas von Leyden, 1494— 1533.

5) Lucas Kranach, 1472 — 1553.

6) Albrecht Diirer, 1471 — 1528,

7) Hans Baldung Grin, 1476 — 1552.

8) Raphael Sanzto von Urbino, 1483 — 1520.
9) Michel Angelo Bonarotti, 1474— 1564.
	die von andern!) als Namensverschiedenheit angegeben wird.
Die Verwandlung von v in p ist tibrigens von der Art, dass
sie nicht befremden kann. Ueber seinen Vornamen weichen
die Schriftsteller sehr von einander ab, einige nennen ihn
Carl, andere Gaspar, von Heinecke nennt ihn Gerard.?) Man
darf sich also auch nicht daran stossen, wenn ihm Borbonius
Georg zum Vornamen giebl. Sind doch alle diese Vornamen
nichts weiter als Vermuthungen, die lediglich aus seinem Mo-
nogramm geschdpft werden, welches aus dem Buchstaben G,
zuweilen mit einem kleineren = darin, und R besteht, wo das
G aber mit dem R so zusammengehangt ist, dass es leicht fiir
ein C gehalten werden kann, wofiir es Bartsch angeseheu hat. 3)
Mehrere seiner Blatter sind @Reuerdinus f. bezeichnet, und das
	Ge ist jedenfalls richtiger auf Georgius als auf jeden andern  
	Namen zu deuten. Er war Maler, erfindender Zeichner und
Kupferstecher und soll aus Padua gebiirlig gewesen sein, ohne
dass man weiss, wo er sich niedergelassen und gearbeitet hal.
Bartsch beschreibt 39 Kupferstiche von seiner Hand, und 12
Blatter, von denen es zweifelhaft ist, ob sie ihm angehéren.
Ohngefahr 10 andere bei Zani, Malaspina, Cicognara und Brulliol
sind ihm entgangen, wodurch die ganze Anzahl derselben auf etwa
50 gebracht wird. Bartsch halt das Mcisle iber diesen Kiinstler
von andern beigebrachte fiir irrig oder zweifelhafl, da sie ihre
Quelle nicht angeben und tiberhaupt grosses Dunkel tiber ihn herr-
sche. Von allen seinen Blattern tragt nur eins eine Jahrzahl, nam-
lich 1531, welche hinlinglich fiir seine Gleichzeiligkeit mit Holbein
spricht. Seine fiir den Kunsthandel bestimmten Kupferstiche, die
haufig mit lateinischen, auf den Gegenstand derselben beziiglichen
Inschriften versehen sind, enthalten Darstellungen aus der hei-
ligen und rémischen Geschichte, oder aus der Mythologie, oder
Bauern- und Kindertiinze, ein Alphabet u. a. theils nach Por-
megianino, Primaticcio und ahnlichen italienischen Malern, iheils
von eigner Erfindung. Sie sind von guter, wenn gleich nicht
immer korrekter Zeichnung und nicht so fein und miniaturmas—
sig, wie die Arbeiten der gleichzeitigen deutschen, sogenannten
kleinen Meister, sondern nach italienischer Art in einer freie-
ren, weniger intthsamen Manier gestochen, die Bartsch in die
Mitte zwischen Augustin Venet. und Bonasone setzt. Friher
scheint Reverdino in Italien gearbeitet zu haben, denn einige
seiner Blatter tragen die Adressen rémischer Kunsthandler, eins
	davon (Bartsch. No. 38.) kommt mit Lafrery 1570 und J. Or-_
	Jandi formis romae. 1602. zugleich vor. Ein andres aber (das
jiingste Gericht. Bartsch. No. 15.) hat sogar J. Bussemecher exc.
Colon. und schwerlich wirde die Platte so weit hinweg bis
nach Kéln, wo Bussemecher um 1600 Kunstverleger war,
verschlagen worden sein, wollte man nicht annchmen, dass
sich Reverdino spaterhin diesseits der Alpen aufgehalten habe.
Sein Wohnsitz in Lyon zwischen 1530 und 40 diirfte nun um
so weniger befremden, wenn man bedenkt, dass Franz 1 da-
mals den Rosso, Primaticcio und viele andere italienische Kiinster
nach Frankreich gezogen hatte, wo, wie in Deutschland, der
italienische, sogenannte Renaissancesty], dem auch Holbein, was
Architektur und ornamentale Kunst betrifft, huldigte, ungemeine
Aufnahme fand. So erklirt sich, dass Reverdinos Kupferstiche,
als die ersten dieser Art, die hicr bekannt wurden, mehr als
gewohnliches Aufsehn machten und wie Borbonius bei seiner
Anwesenheit in Lyon, wo Holbein’s Todtentanz- und alttesta-
mentliche Bilder so eben erscheinen sollten, auf den Gedanken
kommen konnte, dicsem, wie dem Reverdino, durch die rheto-
rische Vergleichung mit Zeuxis und Parrhasius gemeinschaftlich
	1) Papillon, Grav. en bois. I. Seite 277.
2) Heller, Nolzschneidek. Seite 238.
3) Bartsch, Peintre. grav. Vol. XV. Seite 465.
	10) Pap. Grav. en bois. 1. Беце 150 ц. И.
11) ГаБогае, Опсз ес Воигровпе. Ргецуез. Т.1, Рамз, 1849. ат. 8, 8. ХХУ.