Organ der deutSchen Kunstvereine. “Zeitung fir bildende Kunst und Baukunst. Unter Mitwirkung von Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Disseldorli — Schnaase in Berlin — Schulz in Dresden — FG6rster in Minchen — HEitelberger v. Edelberg in Wien redigirt von Dr. F.. Eggers in Berlin. Montag, den 29. April. sung, wie in der Technik selbst noch im 11. Jahrhundert er- halten, wie dieses ein Christus in einer Handschrift von Ge- beten (No. 398) beweist, welche in Quarto in einer Columne in einer schénen Minuskel geschrieben ist und 220 Seiten ent- halt. Dieser Christus, auf der 8.4 mit der Beischrift ,, Salus mundi“ ist in dem Mosaikentypus von grosser Strenge und Wiirde aufgefasst. Er thront auf dem Kreise und erhebt die Rechte zum Segen. Der Fleischton ist von braunlicher Farbe, die Tunica purpurn, die Toga blau, beide in den Lichtern stark mit Weiss gehéht. Die ganze Behandlung ist sehr breit, zumal im Aufsetzen der Lichter. Die zahlreichen Initialen sind noch ganz in dem gewihlten Riemselgeschmack des 10. Jahrh. gehalten. Auch in Béhmen, von dessen Malerei bisher in der Kunst- geschichte immer nur erst im 14. Jahrhundert die Rede gewe- sen, ist in der Auffassung in manchen Fallen, in den Verzie- rungen meist im 11. Jahrhundert die antike Tradition in der Form festgehalten worden, wie man sie in den von byzantini- schem Einfluss freien Miniaturen Deutschlands im 9. und 10. Jahrhundert antrifft. In anderen Stiicken, z. B. im Costiim, ist Manches aus der Zeit genommen; auch finden sich Vorstel- lungsweisen und Motive von eigenthiimlich béhmischer Erfindung vor. Das mir bekannt gewordene Hauptdenkmal hiefir ist die Handschrift eines Evangelistariums in der Universitatsbibliothek zu Prag, vordem in der Collegiat-Kirche des Wysehrad, wel- cher es nach der Vermuthung Wocels ) im Jahre 1129 vom Herzog Sobeslaw mit anderen kostbaren Gegenstanden geschenkt worden ist. Die ganze prachtvolle Ausstattung dieses ansehn~ lichen, sich im Format dem Quart nahernden Foliobandes, wel- cher, durchgangig mit Capitalen geschrieben, 108 Blatter ent- halt, beweist, dass an diesem Denkmal aller Aufwand und alle Kunst der Zeit in Anwendung gekommen ist. Indem ich die ausfihrliche Beschreibung desselben einem anderen Orte vorbe- halte, begniige ich mich hier nur das Wichtigste hervorzuhe- ben. Auf dem Blatt 1. b. sind in vier oben halbrunden Feldern die vier Evangelisten vor ihren Schreibpulten mit je einem Fuss von antik balausterartiger Form vorgestellt. Johannes erscheint, wie meist in friiherer Zeit, als Greis. Innerhalb der Lunetten befinden sich die vier Zeichen, oben in einem Rand die seg- nende Hand Gott Vaters innerhalb eines Kreuzes. Die folgen- den vier Seiten enthalten in halben Figuren, theils in Rauten, theils in Runden, die bedeutendsten Personen des alten Testa- 1) Grundziige der hohmischen Alterthumskunde. Prag 1845 47 . Nachtrige zur zweiten Ausgabe von Kugler s Handbuch der Geschichte der Malerei, vornehmlich in Beziehung auf Deutschland, wd ganz besonders auf Bohmen. Уоп @. Е. Waagen., Deutsche und béhmische Miniaturen des 11. Jahrhunderts. Dass jene Weise, mindestens fiir die Art der Farbung, wie fiir den Charakter der Initialen in Baiern noch in der zweiten Halfte des 11. Jahrhunderts iblich gewesen, beweist ein Evan- geliarium aus dem bei Straubing gelegenen Kloster Altaich in der K. Bibliothek zu Minchen (C. 4), welches mit einem Pracht- bande vom Jahre 1496 versehen ist. Dasselbe ist in Folio in einer zierlichen Minuskel in einer Columne geschrieben und enthalt 217 Blatter. Der Typus der Képfe, welcher schon an den im 12. Jahrhundert herrschenden erinnert, wie er nament- lich in dem Evangeliarium aus dem Kloster Niedermiinster von Regensburg in derselben Bibliothek, dessen im Kugler’schen Handbuch (I. 8. 157) gedacht wird, vorkommt, lasst mich fir die Entstehungszeit auf die spatere Zeit des 11. Jahrhunderts schliessen. Obgleich auch hier die Angabe der Schatten sehr gering, ist doch die menschliche Gestalt mit mehr Kenniniss aufgefasst, die Motive wahrer und freier. Blatt 8. a. zeigt den Christus als Heiland in der Mitte eines Baues mit bunten Ziegeln im Mosaikentypus, die Rechte zum Segnen nach dem Ritus der lateinischen Kirche erhoben, in der Linken das aufgeschlagene Buch des Lebens, mit einer grimen Tunica und einem blauen Mantel bekleidet, auf einem mit Blumen bewachsenen Berge. Die Formen sind hier bis auf die diirren Finger vollig und zu- mal die Fisse fir die Zeit- ungewdhnlich gut gezeichnet. Der Grund ist golden. Zu den Seiten als Brustbilder die zw6lf Apo- stel. Die vier Evangelisten, tiber welchen flache Giebel mit Vorhangen nach antiker Weise, sind von guten Motiven, zumal hat das des heiligen Marcus, welcher sich auf die Linke stttzt (BI. 68. a.), elwas sehr Edles. Die Rander um dieselben ent- halten hiibsche und eigenthimliche Verzierungen von heiteren Farben, so der bei dem Matthaus (Bl. 9. b.) Rauten in Hellblau und Rosa und dazwischen Blatter von einem zarten Grin. Das Machwerk ist durchaus sehr bestimmt und sauber. In der Klosterschule von St. Gallen hatte sich dagegen in der Malerei dic Tradition antiker Kunst sowohl in der Auffas-