driickt, ein schOnes und mir neues Motiv. Bei der Kreuzigung,
BI. 42. a., ist keine Spur byzantinischen Einflusses wahrzuneh-
men, Christus erscheint vielmehr ganz aufrecht und noch le-
bend, Bei zwélf Todten, welche in Folge des Todes Christi
aus ihren Grabern hervorgehen, Bl. 43. a., verdient, bei aller
Rohheit der Ausfiihrung, die Mannigfalligkeit der Motive eine
grosse Beachtung. Auch die eine ganze Scite einnehmende
Himmelfahrt Christi, Bl. 54. b., eine sehr stattliche Vorstellung,
enthalt das neue Motiv, dass die aus dem Kreisabschnitt her-
vorkommende Hand des Gott Vater Christus an der Rechten zu
sich emporzieht. In einer Ecke des Bl. 68. a., welches die
Darstellung der Ausgiessung des h. Geistes enthalt, liesst man:
„Ш natali Sci. Venzezlavvi ducis et mart.“ und in einem D des
Textes ist dieser auf dem Drachenstuhle in der Tracht der béh-
mischen Herzoge, die Rechte feierlich erhoben, in der Linken
eine Lanze, thronend dargestellt, Oben die segnende Hand
Gott Vaters. In Capitalen die Beischrift: ,S. Venzezlavus dux.*
Wenn nicht dieser Heilige, jene oben angefiihrten, eigenthiim-
lichen Motive, und die Anwendung eines Poliments von der
Farbe des Graphits bei dem Gebrauche des Goldes, welches
sicher beglaubigten béhmischen Manuscripten zum Unterschiede
des sonst allgemein Ublichen Bolus eigen ist, bewiesen, dass
die Miniaturen dieser Handschrift béhmischer Herkunft waren,
so wirde man sie fiir deutschen Ursprungs halten, so sehr
stimmen sie in den Typen der Képfe, in der soliden Guasch-
malerei, in der Art der Verzicrungen mit den deutschen Hand-
schriften aus dem 10, Jahrhundert tberein. Nur der Vortrag
ist mehr gestrichelt, als es bei jenen der Fall zu sein pflegt.
Die Behandlung ist im Ganzen ziemlich roh; doch ldsst sich ein
Unterschied zwischen besser erfundenen und sorgfaltiger aus-
gefiihrten und in beiden Beziehungen geringeren machen. In
die erste Classe gehért z. B. das Bild auf Bl. 1., in die zweite
die auf Bl. 2. Im Allgemeinen beweist der bildliche Schmuck
dieser Handschrift zweierlei. Einmal, dass schon damals, mit-
hin sehr frith, ein entschiedener Einfluss auf die Malerei in
Béhmen von Deutschland aus stattgefunden und eine von den
Einfliissen byzantinischer Kunst, welche sicher nach der Vor-
aussetzung Wocels durch den Apostel der Slaven, den heiligen
Method, welcher auch Maler war, staligefunden, fast ganz freie
Kunstaustibung zur Folge gehabt, sodann, dass sich die eigen-
thiimliche Kunstanlage der Béhmen schon sehr frith gedussert hat.

Jenen byzantinischen Einfluss weist dagegen in jedem Be-
tracht die in dem vaterlandischen Museum zu Prag unter dem
Namen mater verborum vorhandene Abschrift des lateinischen
Worterbuchs nach, welches der Bischof von Constanz, Salomo,
im J. 920 hatte verfassen lassen. Dieselbe enthalt eine Reihe
von Initialen, mit dem schénfarbigen und breiten Geriemsel und
goldnen Fillungen deutscher Handschriften aus dem Ende des
iiten und aus dem 12. Jahrhundert. In diesen Initialen befinden
sich verschiedene Vorstellungen. Zu den Seiten eines prach-
tigen A, welches die ganzc Seite einnimmt, zwei Heilige, de-
ren beigeschriebene Namen verloschen sind, welche aber wahr-
scheinlich Johannes den Evangelisten und den Pabst Gregor den
Grossen vorstellen. Unten, als ein merkwiirdiger Nachklang
aus dem Heidenthum, cine weibliche, oben unbekleidete Ge-
stalt, welche zwei Pflanzen halt, mit der Beischrift: Estas Siwa.
So hiess namlich die Géltin des Sommers in der heidnischen
Religion der Béhmen. Bei der Kreuzigung (S. 336), bei der
Darstellung Christi, als Weltheiland (S. 358), so wie endlich
bei der Maria mit dem Kinde ($. 457), erkennt man in Auffas-
sung, Schlankheit der Verhiltnisse, Faltenwurf, Farbung, be-
sonders in dem grtingelblichen Fleischton, entschieden eine ge-
schickte Nachahmung byzantinischer Vorbilder. Der letztere
Buchstabe, ein P, ist noch dadurch merkwiirdig, dass unter
	ments, zumal des Stammbaums Christi. Auf der vierten Seite,
unten in der Mitte, der nach dem Jateinischen Ritus segnende
Christus in dem jugendlichen, unbartigen Typus. Auf der fol-
genden Seite oben der graubartige Moses vor dem feurigen
Busch und die Hand Gott Vaters, wie oben. Zwei an Ranken
emporkletternde Ziegen und ein ruhender Hund zeigen in den
Motiven eine gliickliche Naturbeobachtung. Unten in der Mitte
unter einem Bogen die, in Folge der segnenden Hand Gott Va-
ters dariiber, bliihende Ruthe Aarons; zu den Seiten unter ahn-
lichen Bégen je sechs Figuren, welche durch Erhebung der
Hande sehr deutlich ihre Verwunderung ausdriicken. Auf der
Rickseite ein einfaches romanisches Gebéude, in dessen Mitte
Christus als Konig im Costiim und der Krone der carolingischen
Kénige, so dass er nur an dem Kreuzesscepter in der Linken,
und dem Lilienscepter in der Rechten zu erkennen ist. Darii-
ber in lateinischer Majuskel von reinem Character: Clausam
rex portam penetrat et respicit ortum. Unter der verschlosse—
nen Pforte, durch welche Christus als Kénig dringt, ist die
Maria zu verstehen. Unten zwei langbartige Propheten mit
Sprechzetteln: ,Egreditur virgo de radice Jesse etc.“ und zwi-
schen ihnen diese Wurzel Jesse als Rankengewichs, worauf
sieben Vogel (Tauben?) mit dem Kreuzesnimbus sitzen. Auf
der folgenden Seite der Anfang des Evangeliums Matthaei mit
einem grossen L. Besonders reich und eigenthiimlich ist die
eine ganze Seite einnehmende Darstellung der Geburt Christi
auf einem der nachsten Blatter. Das Christuskind, in einer
grossen Krippe, zum Theil von Heu hbedeckt, von welchem
Ochs und Esel fressen, erscheint hier segnend. Zu den
Haupten der Krippe Joseph in der Gebahrde der Feier, zu den
Fussen drei Hirten, von sehr sprechenden Motiven, mit dem
auf das Kind deutenden Engel und vier Stick Vieh. Unten Ma~
ria auf ihrem Lager. Oben cin grosser Halbkreis, in dessen
ausserem Rande neun Engel in halben Figuren mit Kreuzes-
sceptern. Der Grund ist blau. Ein rother Rand mit Sternen
darauf soll ohne Zweifel die Morgenréthe, ein Kreis mit gold-
nen und rothen Streifen die Sonne bedeuten. Die priachtigen
Initialen sind zwar yon dem starken, goldnen Geriemsel, mit
farbigen Fiillungen, wie die gleichzeitigen in den deutschen
Handschriften, doch enthalt die Bl. 11. a. und auch andere aus-
serdem Blumen und Bander mit Angabe von Schatten und Lich-
tern und jenen weissen Puncten in den letzteren, welche im
12. Jahrhundert so haufig sind. Bei der Anbetung der Konige,
BI. 13. b., ist die auf dem éfter vorkommenden Sessel mit sich
kreuzenden Fissen, welche oben mit Drachenképfen verziert
sind, thronende Maria seltnerweise ganz en face vorgestellt,
und erhebt nach antiker Weise feierlich die Rechte. Das Kind
auf ihrem Schoosse segnet die drei Kénige, welche schema-
tisch, einer wie der andere, in barbarischer Tracht mit Schu-
hen und Kronen von der Form der Carolinger und mit Scep-
tern die Kniee beugen. Die Taufe Christi, BI. 15. a., weicht
wieder in einigen Stiicken wesentlich von der Tradition ab.
So erscheint hier der Jordan, als ein nackter Jiingling, welcher
aus einem lainglichen Gefiss von oben in einer Weise Wasser
auf das Haupt Christi ausgiesst, dass er bis zu den Fiissen
ganz davon umgeben ist; so ist Christus unbartig und ohne
Lendentuch, aber auch ohne Angabe des Geschlechts, darge-
stellt. Die Formen sind vollig. Nur hier segnet er nach dem
Ritus der griechischen Kirche. Auch Johannes ist, was mir
sonst nie bei dieser Vorstellung vorgekommen, unbirtig dar-
gestellt, und ebenso neu ist mir die Erscheinung des unbar-
tigen Gott Vaters mit dem Kreuzesnimbus in dem grossen Halb-
kreise in der Luft, weleher den Himmel bedeutet. Bei dem Bilde
von Christi Einzug in Jerusalem, Bl. 29.b., ist eine knieende
Jiidin, welche voll Verehrung ihre Wange an cinen Fuss Christi