sich hier die Linienfiihrung bewegt, wie in der friihern Zeit des vierzehnten Jahrhunderts, so noch tief in das sechzehnte hinein; nur in einzelnen untergeordneten Motiven macht sich hier und dort, etwa von der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts ab, der neue, durch die Eycks begriindete und durch thre Schule verbreitete Styl bemerklich. Aber auch dies ist wie- derum nur ein Zeugniss des handwerklichen Geistes, der, cig- ner Schépferkraft mangelnd, sich nicht anders als in dem ein- mal vorgezeichneten Gleise zu bewegen vermochte. [Es ist dieselbe Bemerkung, die ich anderswo auch ‘fiir die Technik der Modelle, nach denen die deutschen Bronzegiesser des funf- zehnten Jahrhunderts arbeiteten, gemacht habe, eine Technik, welche es Peter Vischer vergénnte, gelegentlich unmiltelbar wieder an die Tradition des germanischen Styles anzukniipfen. Eins der Blatter des englischen Werkes enthalt die Nach- bildung eines, gegenwartig in Privatpesitz befindlichen Frag- mentes einer niederlindischen Bronzeplatte aus dem vierzehnten Jahrhundert. Die hicrauf gravirte Zeichnung entspricht dem Besten, was wir an gleichzeitiger deutscher Kunst dieser Gal- tung kennen, und bezeichnet ebenso augenscheinlich den nie- drigen Standpunkt der Kunst in den englischen Denkmalern, wie die Treue der vorliegenden Nachbildungen. Mannigfachste Belehrung iibrigens gewahren diese fiir die Geschichte des Kostiims, zu welchem Behuf, so wie fir die Personalgeschichte Englands, das Werk auch vorzugsweise zu- sammengestellt zu scin scheint. Mit grisster Sorgfalt sind tiber- all die Einzelheiten des Kosttims, sei es an Geistlichen oder an Riitern, birgerlichen Personen und Frauen, behandelt und im Text erldutert.. Die Haltung der dargestellten Personen ist dieselbe, die sonst an den plastisch erhabenen Grabsteingebil- den iiblich ist. Mehrfach, wie schon angedeutet, kommen auch Halbfiguren, in der Mitte des Kérpers quer durchgeschnitten, vor. In einzelnen Fallen sieht man statt der figirlichen Dar- stellungen die eines Kreuzes, mehr oder weniger reich orna- mentirt. Auch erweitert sich das Kreuz in seinem obern Theil gelegentlich zur gothischen Roselte, in welcher sodann dic figiirliche Darstellung enthalten ist, oder es erscheint die letz- tere in einer Art von Heiligenhduschen, das auf einem schlan- ken Schalfte гаш. Kime Darst chen Siegels ahnlich. U. s. w. Eine Darstellung ist der eines mittelalterii- 1 U. s. w. F, Kugler. Aeitung. Zur Kunstgeschichte. Lhe monumental brasses of England: a series of engravings upon wood from every variety of these in- teresting and valuable memorials, accompanied with brief descriptive notices. By the Rev. Charles Boutell, М. А. ес. The engravings drawn and executed oy Mr. R. B. Utting. London, 1849. 4 ), In meinem Handbuch der Kunstgeschichte (2. Aufl., 1848, S$. 622) habe ich der merkwiirdigen bronzenen Grabplatten des Mittelalters gedacht, auf denen sich, zum Theil in sehr reicher und geschmackvoller Weise, die bildlichen Darstellungen in Um- rissen gravirt vorfinden. Die wichtigsten Werke der Art, die mir bis dahin in Deutschland bekannt geworden, sind an der genannten Stelle angefiihrt; zugleich ist daselbst bemerkt, dass auch England reich an solchen Darstellungen sei. Das in der Ueberschrift genannte Werk enthalt eine um- fassende Uebersicht der in England vorhandenen Denkmialer verwandier Art. Es sind die Darstellungen von 140 Monumen- ten (auf 149 in Holz geschnittenen Tafeln), den verschiedenen Gegenden des eigentlichen Alt-England angehérig. Der Zeit nach riihren 48 Denkmaler aus dem vierzehnten, 96 aus dem funfzehnten- und 6 aus dem sechzehnten Jahrhundert her; das friihste ist vom Jahre 1320, das spateste vom Jahre 1554. Dar- in aber unterscheiden sie sich durchgingig, wie es scheint, von den in meinem Handbuch genannten deutschen Arbeiten, dass sie nicht selbstandige Grabplatien ausmachen, sondern dass der Gegenstand der Darstellung, gewissermassen im dus- sern Umriss ausgeschnitten, in eine steinerne Grabplatte einge- legt ist. Dies ist, wie bei einfachen Darstellungen, z. B. einer einzelnen Figur oder Halbfigur, so auch bei zusammengesetz— ten der Fall, bei mehreren Figuren, bei den architektonischen, tabernakelartigen Umfassungen derselben, bei den hinzugefiig- ten Wappen, Spruchbandern u. dergl. Jeder Theil pflegt hie~ bei besonders in die Steinplatte eingelassen zu sein. Ich ent- sinne mich solcher Arbeiten in Deutschland nicht; doch meine ich, Steine mit flachen Vertiefungen gesehen zu haben, in wel~ chen ahnliche Bronzen befindlich gewesen sein konnten. Ich habe die englischen Denkmialer, wie sie uns das ge- nannte Werk veranschaulicht, als kunstgeschichtliche Zeugnisse angefihrt, und in der That ist schon die reiche Fiille, in wel- cher sie vorhanden sind, eine nicht unwichtige kunstgeschicht- liche Thatsache. Als Zeugnisse einer besondern Kunstblithe sind sie aber nicht namhaft zu machen. Vielmehr ist das, wor- in ihr Kunstverdienst beruhen méchte, — die Zeichnung, die Linienfiihrung, — in héchst tiberwiegendem Maasse starr und geistlos, nur eine handwerksmassige Wiederholung der eben giiltigen kunsthistorischen Typen, Nur in der Zeichnung eini- ger weniger von diesen Denkmilern giebt sich ein minder be- fangener, ein frischerer, mehr individueller Zug zu erkennen. Schuld des Zeichners und Holzschneiders scheinen diese Man- gel durchaus nicht zu sein; dafiir sind die vorliegenden Blatter iiberall, bis in die geringsten Kleinigkeiten hinein, viel zu styl- missig gehalten, viel zu frei von aller modernen Laune oder Nachlassigkeit. Fir den ersten Augenblick ist es auffallend, dass diese aus einem Zeitraume von mehr als zwei Jahrhun- derten herriihrenden Denkmaler, bei der grésseren und gerin- geren Rohheit des ktinstlerischen Gefihls, die ihnen zu Grunde liegt, zugleich cine stehende Verwandtschaft des kinstlerischen Styles haben: es ist der germanische Styl, nach dessen Gesetzen 1) Berlin, in der Gropiusschen Buch - u. Kunsthandlung. Preis 10 This. W. Amfferdam, im April. Es ist bekannt, dass sich der Kunstgeschmack der Hollander von jeher ungern den idealen Regionen der Kunst zuwandte und namentlich in der Malerei, ihrer Lieblingskunst, eine heitere, wahre und innige, aber stets tendenzlose Nachahmung der Natur zur Basis hatte. Wenn nun auch in neuerer und neuester Zeit wieder héchst Erfreuliches in dieser Richtung zu Tage geférdert wurde, so regte sich doch auch hin und wieder ein lebendiger Sinn fir die héhere und besonders die biblisch-historische Malerei. Ohne Zweifel ist es grésstentheils dem Kunstsinne des verstor- benen Kénigs zuzuschreiben, dass sich ausgezeichnete Talente jener héhern Richtung zuwandten; auch konnte der Geschmack der Nation sich an den vortrefflichen Meisterwerken der Italie- ner und Spanier in der kéniglichen neu errichteten Gemalde- galerie lautern und die Kinstler selbst hatten eine erwiinschte und bequeme Gelegenheit, sich mit jenen Schulen vertraut zu machen. Es ware daher ein sehr grosser Verlust fiir das Land, wenn die schéne Galerie des verstorbenen Kénigs (siehe Cotta- sches Kunstbl. 1849. No. 1.3.5.) von den hohen Erben, die bekanntlich sub beneficio inventarii die Erbschaft antraten, ver- jussert wiirde, wie denn schon wirklich mit dem Kaiser von