spriinglich rund, gleich wie das Haager Bild es noch heule ist,
wurde aber in ein Viereck umgewandelt, wahrend das Ant-
werpner Bild stets viereckig gehalten war, welcher Form auch
die Anordnung der ganzen Composition am meisten entspricht.
Das dritte Bild desselben Gegenstandes besitzt die Gros-
venorgalerie, Eigenthum des Marquis von Westminster in Lon-
don. Dasselbe ist ebenfalls im viereckigen Format, hat schié-
nen Ausdruck in den Képfen, doch triibe Farbung und mag
aus einer spateren Zeit herrithren, gleich wie auch das Mai-
lander Gemalde von erprobten Kennern als undcht erkannt wurde.
Aus diesen Bemerkungen mag einfach hervorgehen, dass
die Madonna des Hrn. Wuyts zu Antwerpen unter ihren Schwe-
stern das erste Recht hat, in reiner Urspriinglichkeit und Schon-
heit auf den Namen des Meisters Anspruch zu machen, dessen
gitiliche Kunst in all seinen Werken unverkennbar ist.
Niirnberg im Marz 1850. Fr. Wagner.
	Das Geburtsjabr Gerhard Douws.
	(Schreiben an den Herausgeber des Deulschen
Kunstblatts.)
	Ich erlaube mir, Sie aufmerksam zu machen auf einen
nicht unerheblichen Widerspruch zwischen den gewdéhnlichen
Angaben der Malerbiographieen und einer Inschrift, die sich
auf dem Meisterwerke Gerhard Dou’s, der beritthmten Was-
sersiichtigen, im Museum des Louvre, befindet. Diese far
das Geburtsjahr entscheidende Inschrift ist meines Wissens nie
genau untersucht und richtig mitgetheili worden. Smith, in
seinem Catalogue raisonné, I. p.3, sagt, jenes Gemalde sei
von 1655 datirt, und Waagen, ,Kunstwerke und Kinstler* ete.
Ill. §. 594, hat darauf den Namen des Kiinstlers nebst Aet. 65.
1678 gelesen. Beide Angaben sind durchaus unrichtig. Weder
Smith, noch Waagen hatte vermuthlich die dazu gehdrige Er-
laubniss, die Bezeichung des Bildes einer naheren Priifung zu
unterwerfen. Die Inschrift befindet sich an dem Schnitte des
aufgeschlagenen Buches, welches auf dem am Fenster stehen-
den Pulte liegt; sie ist in hollindischer Sprache abgefasst und
lautet in treuer Abschrift wie folgt:
	1663. Qov. ovr. 65. gaer.
(d. h. 1663. G. Dou, alt 65. Jahr.)
	Die stehenden Angaben der Malerbiographen gerathen, wie Sie
sehen, in bedeutenden Konflikt mit dieser unzweifelhaft echten
Inschrift; denn hiernach ware Gerhard Dou nicht 1613, sondern
15 Jahre frither, 1598 geboren. Houbracken geht freilich in
seiner Bestimmtheit so weit, dass er Gerhard Dou’s Geburistag
meldet, welchen er auf den 7. April 1613 ansetzt, als hatte er
den Taufschein gesehen; aber die alten Malerbiographen sind
bekannilich oft sehr unzuverlissig und willkirlich in Angaben
von Daten und Jahreszahlen. Gerhard Dou’s eigenhandiges
Portrat in der Pinakothek zu Miinchen stimmt mit der ange-
fithrten Inschrift iberein; jenes Portrat ist in demselben Jahre
wie die Wasserstichtige gemalt, 1663, und Gerhard Dou hat
darin das Aussehen nicht sowohl eines Finfzigers, als eines
Mannes, der tiber sechzig Jahre alt ist. Ich kenne aus ecigner
Anschauung kein anderes authentisches und mit dem Datum be-
zeichnetes Bildniss dieses Kimstlers, welches der Angabe Hou-
bracken’s, Sandrari’s und sonstiger Malerbiographen ebenso ent-
schieden widerspricht. Die muthmasslichen Auloportrits Ger-
hard Dow’s, zumal die zahlreichen Violinspieler, die an-
geblich diesen Kiinstler vorstellen sollen, kénnen nicht in Be-
tracht kommen und belegen nichts, weder fiir noch gegen
	der kiinftigen schmerzlichen Geschicke angedeutet ist, so wusste
die tiefe Empfindung des Meisters auch die landschaflliche Um-
gebung mit gleicher Stimmung zu beseelen. Es scheint uns
aus dem Bilde ein frither thauiger Morgen anzuwehn; in tiefem
Blau wilbt sich der Himmel iiber der Landschaft, auf der cine
feierliche Sabbathstille ruht, noch von keinem grellen Lichte
des kommenden Tages gesiéri. Nur in der Ferne naht Joseph
und so wird auch diese Einsamkeit auf sinnige natirliche Weise
belebt. Neben diesen geistigen Schénheiten des Gedankens
zeichnet sich die Malerei durch sichre breite Behandlung aus;
die Zeichnung der nackten Theile ist von grosser Vollendung
und das Colorit eben so warm und durchscheinend im Kopfe
der Maria und im Christkinde, wie kraflig und frisch im klei-
nen Johannes.

Aber noch existiren drei Gemalde mit demselben Gegen-
stande und simmtlich Raphael zugeschrieben. Das eine davon
befindet sich im Museum im Haag und ist erst vor wenigen
Jahren, friher der Sammlung Lucian Buonaparte’s angehdérig,
in den Besiiz des Kénigs von Holland tibergegangen. Ich machte
in Gesellschaft des Herrn Professor De Laet die Reise dorthin,
um auch dieses Bild kennen zu lernen. Das Resullat unsrer
Beobachtungen war Folgendes: Das hollandische Bild mag bei
seinem ersten Anblicke, besonders auf den Nichtkenner, einen
freundlichern Eindruck machen, als das Antwerpner. Der Grund
liegt in seiner heiterer lichteren Haltung und besonders in der
lichtblauen Luft und Ferne und den brillanteren Farben der
Gewander, leider riihrt aber diese Frisehe der Farbe grossen-
theils von neueren Uebermalungen her. Unbestritten steht da-
her das Antwerpner Bild dem Haager an urspriinglichem Werthe
voran, so wie es dasselbe auch durchgehends an innerer Schén-
heit tiberbietet. Die Ziige der Maria sind sim» Haager Bilde im
hohen Grade lieblich, aber auf Kosten héhern religidsen Aus-
druckes. Alles im Marienkopfe ist mehr zierlich und klein,
wahrend im Antwerpner Bilde der Marienkopf bei seiner Zart-
heit doch jene grossen breiten Zige tragt, die die besten Ma-
donnenképfe Raphaels stets charakterisiren. Ich méchte sagen,
der Kopf der Haager Madonna wird mehr das Auge befriedigen,
der der Antwerpner mehr zur Seele sprechen. Dieses Unter-
scheidungszeichen geht durch alle Theile beider Bilder hin-
durch: so ist alles Nackte im Hollander Bilde viel weniger
streng und korrekt als blos gefallig gehalten; das schlafende
Christkind verraéth weit weniger in Form und Ausdruck jene
Gottlichkeit, die in dem herrlichen Képfehen und den reinen
Korperformen des Antwerpner Christkindes ausgepragt ist und
vor Allem ist das Johannisképfchen im Hollinder Bilde im Aus-
druck schwach und fast unschén, wahrend es im Antwerpner
eine der schénsten Parthien des ganzen Bildes ausmacht und
jedem Zuge desselben der Stempel der Meisterhand des grossen
Sarizio aufgedriickt ist. Ebenso unterscheidet sich vortheil-
haft das Antwerpner Bild vor dem Hollander in den Gewdndern,
deren Falten besonders im blauen Mantel der Maria bei erste-
rem schéner und charakteristischer gelegt sind. Auch ist unter
dem Mantel auf dem Kopfe der Maria noch ein feiner durch-
sichtiger Schleier sichtbar, der auf dem Haager Bilde fehlt.
In der Landschalt sind ebenfalls geringere Abweichungen bei-
der Bilder zu bemerken.

Das zweite Bild mit demselben Gegenstande aus der Samm-
lung des Herrn Brocca zu Mailand ist beschrieben in der Jsto-
ria della vita et delle opere di Raffaello Sanzio da Urbino del
S. Quatremére de Quincy, und ist auch durch den Stich
von Longhi und Toschi bekannt. Es stimmt bis in die klein-
sten Theile mit dem Haager Bilde tiberein, ohne jedoch dessen
schéne Farbe zu haben, auch erreicht der Marienkopf den hol-
landischen durchaus nicht in seiner Lieblichkeit. Es war ur-