unsere Meinung, die sich auf eine authentische Inschrift stitzt und unumstdsslich scheint. Uebrigens geht selbst aus den gewdhnlichen Nachrichten liber Gerhard Dou’s erste Lebenszeit ein Umstand hervor, der bisher nicht beachtet worden. Wie Houbracken erzahlt, kam Gerhard Dou am 14. Februar 1628 zu Rembrandt in die Lehre; folglich bildete Rembrandt schon Schiller, als er selbst nur 22 Jahre alt und noch in Leyden war. Ist nun, wie nicht zu bezweifeln, die Inschrift auf dem Bilde der Wassersichtigen richtig, so war Gerhard Dou nicht 15, sondern 30 Jahre allt, als er bei Rembrandt anfing zu studiren, und der Meister acht Jahre jinger als der Lehrling. Ein solcher Umstand ist keines- wegs so unerhdrt und beispiellos in den Annalen der Kunst- geschichle, und darf insonderheit nicht befremden von einem Kinstler wie Gerhard Dou, der bekanntlich zuerst Glasmaler war und deshalb spater, als er Oelmaler werden wollte, sich keineswegs zu schimen brauchte, bei einem jiingern, aber schon weltberiihmten Meister in die Lehre zu trelen. Wahrscheinlich blieb Gerhard Dou in Rembrandt’s Schule, bis dieser nach Am- sterdam ging, gegen 1630, wenn er nicht etwa seinem Lehrer dahin folgte. Die Malerbiographien berichten hiertiber nichts; aber héchst wahrscheinlich ist Gerhard Dou mit Rembrandt nach Amsterdam gezogen; sonst hatte sein grosser Génner, Hr. Spi- ringer, Resident des Kénigs von Schweden bei den vereinigten Niederlanden in Amsterdam, schwerlich Gelegenheit gehabt, sich fir Gerhard Dou in so hohem Grade zu begeistern und namentlich fiir sein von. Houbracken ausserst geriihmtes Familienbildniss, die vielen Silzungen zu geben, welche Gerhard Dou von sei- nen Modellen verlangt haben soll, und die immerhin zahlreich gewesen sein mégen, wenn auch nicht von solcher Unzahl, als seine Lebensbeschreiber uns glauben machen wollen. Das Aus- kramen von Anekdoten und Ateliermahrchen ist eine herrschende Sucht bei den Malerbiographen, die dariiber oft sehr Wesent- liches vergessen, was sie hatten mittheilen kénnen und sollen. Gerhard Dou hat auf die gewissenhafte Nachbildung seiner Mo- delle gewiss viel Zeit und Sorgfalt verwendet; aber die Ver- sicherung von Karel de Moor, dass Gerhard Dou eher schnell als langsam gemalt, scheint mir doch glaublicher, als die Sage, dass jenem Meister cin Besenstiel, so lang wie der Nagel eines Fingers, drei Tage Arbeit gekostet habe. Auch glaube ich gern, was derselbe Karel de Moor, der eine Zeitlang Gerhard Dou’s Schiller war, oft ausgesagt: dieser Maler habe zuerst seine Figuren lebensgross gezeichnet und sie nachher verklei- nert, welches Verfahren er auch seinen Zéglingen streng ein- gescharft, weil nichts schadlicher sei, als iber dem bestandigen Malen kleiner Figuren, die Zeichnung der grossen theils ganz zu verlernen, theils selbst die kleinen zu vernachlassigen. Von einem ehemaligen Glasmaler, der gewohnt sein musste Kartons zu zeichnen, ist dieses Verfahren wahrscheinlicher als jenes andere, das man ihm andichtet, und welches darin bestanden haben soll, dass er beim Malen sich eines Netzes oder eines Spiegels bediente, der die Gegenstinde schon verkleinert zeigte. Dergleichen schnurrige, fast hamische Erzaihlungen, die von Mund zu Mund gelaufen und in die meisten Malerbiographien libergegangen sind, kénnen nur dazu dienen, ein schnippisches, spétlisches Licht zu werfen auf einen Kistler, der trotz der unsdglichsten Geduld und Ausfiihrung in der Kleinmalerei Gros- ses geleistet und in seinen Hauptwerken bewiesen hat, dass die Malerei wie die Natur ist: Miranda in minimis. Doch ich will Gerhard Dou’s Lebensbeschreiber nicht in allen Stiicken, sondern blos in dem Punkte berichtigen, dass das Geburtsjahr dieses Kinstlers nicht auf 1613, sondern auf 1598 anzusetzen ist. Eben so diirfle sein Todesjahr, welches gewohnlich, nach Sandrart, um 1680 angegeben wird, etwas friher fallen. Das jiingste Datum, welches ich je auf Gerhard Dou’s Bildern selbst gesehen oder als darauf befindlich ange- zeigt gelesen habe, schreibt sich von 1672 her, und bei der Gewohnheit dieses Kinstlers, seine Werke so haulig zu datiren, dass man dieselben von 1640 bis 1672 durch alle Jahre dieses Zeitraums hindurch verfolgen kann, ist nicht wohl anzunehmen, dass er nach 1672 noch 8 Jahre gelebt haben sollte, ohne be- stimmte weitere Spuren seiner Thatigkeit zurtickzulassen. Schliesslich mag noch erwahnt sein, dass das Bild der Wasserstichtigen nicht, wie Smith berichtet, zur Napoleonischen Zeit fir eine halbe Million Franken angerechnet worden ist bei einer Kriegskontribution, welche die Franzosen auf Turin aus- geschlagen hatien. Jenes Meislerwerk ist allerdings in Folge der ersten franzésischen Revolutionskriege von Turin nach Paris gekommen, aber auf legilimerem Wege, als der oben angege- bene. Gegen Ende des Jahres 1798 wurde der Marschall Clau- sel, damals Generaladjutunt, vom Genera! Joubert beauftragt, die Abdankung des Koénigs von Sardinien in Empfang zu neh- men. Er benahm sich bei der Vollstreckung dieses schwierigen Auftrags so riicksichisvoll und ehrenhaft, dass der Monarch, Karl Immanuel IV, dem diskreten Unterhandler seiner Abdan- kungsurkunde Gerhard Dou’s Meisterwerk zum Geschenk machte. Der General Clausel schrieb den 21. Frimaire des Jahres VII (11. Dec. 1798) an das Direktorium, dass er jenes kénigl. Ge- schenk der franzdsischen Nation verehre, und seit jener Zeit ist es im Pariser Museum aufgestellt. Ludwig XVIII hatte daher, im J. 1815, nicht néthig, die Riickgabe des Bildes mit 100,000 Fr. abzukaufen; es war eine rechtmassige Frucht franzésischer Siege und blieb unzurtickgefordert. Der Kurfiirst von der Pfalz kaufte dieses Bild fiir 36,000 Gulden und schenkte es dem berihmten Prinzen Eugen, der ein Gemildeliebhaber war, und in dessen Auktionskatalog (Catalogue des tableaux trouvés dans Vhoirie de §. A. S™* le Grand Prince Eugéne de Savoye, Wien ohne Datum, wahrscheinlich 1736), es unter No. 42 verzeichnet ist. Wahrscheinlich durch Kauf ging es an das Haus Savoyen iiber und, wurde im kéniglichen Residenzschloss zu Turin auf- bewahrt, bis es in den Louvre kam. In den Pariser Museums- Inventarien der Kaiserzeit und Restauration ist der Werth des Bildes auf 120,000 Fr. geschatzt; doch glaube ich schwerlich, dass es jeizt in einer Versteigerung so hoch gehen wiirde, da die Schatten etwas nachgedunkelt sind und, wenn ich mich nicht irre, die aufs Héchste getriebene Vollendung und Durchfih- rung etwas von der bliithenfrischen Leichtigkeit abgestreift, die einen so késtlichen Duft und Zauber tber manche Werke aus der fetiheren Zeit des Meisters verbreitet. Paris, 17. April 1850. E. Holloff. Zur Kunstgeschichte. Archiv fiir Niedersachsens Kunstgeschichte, herausgegeben von H. Wilh. H. Mithoff. Erste Ab- theilung, Lief. IT u. II. Hannover, Helwing’ sche Hof- buchhandlung. Gr. Fol, §.5—12 und Taf. VH— XVII Den Nolizen, die in diesen Blaltern kiirzlich ) tiber den Zweck des vorstehend genannten Unternehmens und tber den Inhalt der ersten Lieferung gegeben sind, lassen wir hier eine Angabe des Inhalls der so eben erschienenen Doppellieferung 2 und 3, die sich, wie die erste, noch auf die Denkmaler von Hannover bezieht, folgen. Tafel VII. enthalt die Ostansicht und den Grundriss der im Jahre 1347 erbauten Aegydienkirche, 1) №. 15, 5. 1141. 18 *