seien, welche in einer vergoldeten, mit edlen Steinen be- setzten viereckigen Bichse enthalten waren, namentlich zwei Finger des 5. Laurentius und zwar dem Anscheine nach, der Daumen und Zeigefinger oder wenigstens Glieder dersclben in Silber gefasst, die mit andern, aus der von seinen Vorfahren gegrtindeten Kirche!) seiner Stadt Céln an der Spree (ad Sue- uum) an ihn gelangt und daselbst vormals bewahrt nnd zur Verehrung ausgestellt waren. Kann der orthodoxen Wahrheit aus heterodoxem Munde ein glinzenderes Zeugniss gegeben werden, oder von solcher Hand ein glinzenderes Denkmal der alten schuldigen Verehrung der Heiligen ausgehn? Gewiss war die Ansicht des Bischof Ne- mius, als bei ihm darauf angetragen wurde, die Ausstellung dieser Reliquien zu genehmigen, die richtigste. Wie? sagte er zu einem Kanonikus, der dem heterodoxen Firsten nicht recht trauen wollte, sollen wir dem nicht glauben, an dessen Wort zu glauben selbst der Kaiser keinen Anstand nimmt? Als der Kurfiirst einige Jahre nachher nach Antwerpen ye- kommen war, wollte er, nachdem er die Kirche und die Biblio- thek besehen hatte, dass ihm auch die allen Manuscripte ge- zeigt wiirden, deren die Patres, welche dic Acta Sanctorum sammelten, eine Menge sollten zusammengebracht haben. Pater Gottfr. Henschen fiihrte ihn in das Musium?), wo er, ‘nach allerlei anderm vertraulichen Gesprach, von selbst wieder auf die Reliquien kam, die er unsrer Kirche geschenkt habe und hinzusetzte, er besisse deren noch wichligcre, die er uns aber nicht geben werde, weil er ihnen die Erhaltung seines Lebens verdanke, namlich Reliquien der heil. Maria Magdalena. Als sein Hausprediger, der ehrenhalber zugegen war und dem die Worte seines Herrn nicht calvinisch genug klangen, ih- nen einen ctwas andern Sinn beilegen wollte, sagte er zu ihm: Wie? Glaubst Du, ich wisse nicht, dass dergleichen Todtenge-~ beine niemand helfen kénnen, sondern, dass es Gott ist, der denen, welche die Reliquien seiner Heiligen verehren, in Rick- sicht auf diese, die Wohlthaten seiner Giite zu Theil werden 18551? Nachdem er ihn so zum Schweigen gebracht hatte, hérte er geduldig dasjenige an, was der Pater ferner von der Festig- keit unsers Glaubens, die sich auf die Untriiglichkeit der von Christus verheissenen Kirche stiitzt, sagte, und als der Pater fragte: ob man denn, vor Luther und Calvin, nicht in Wahr- heit das apostolische Symbolum und die Worte Credo in San- ciam Ecclesiam Catholicam ausgesprochen habe? der Prediger aber, mit der bei Leuten seiner Art gewdhnlichen Phrase, ant- wortete: Damals habe die Kirche unter Kohlen und Asche (on- der de kooltiens en asschen) verborgen gelegen und der Pater einwarf: also auch Christus, der Bréutigam der Kirche, der von seiner Braut unzertrennlich ist und mit Christus, Gott und mit Gott, Alles? — da gab der Kurftirst der scharfsinnigen Erwiederung seinen Beifall mit der Bemerkung: es sei dies die letzte Ausflucht jener Leute, wenn sie mit Argumenten in die Enge getrieben werden, die von der Autoritat der Kirche, als des nothwendigen Richters zur Schlichtung von Glaubens- streitigkeiten, hergenommen sind. Dies hat mir Henschen mehr- mals mit anderm erzéhlt, woraus hinlinglich hervorgeht, dass der Kurfiirst der Confession, zu der er sich dusserlich bekannte, mit wenig Festigkeit anhing, indem er auch gesagt halle, er halte es fir geniigend, an Gott und Christum zu glauben und iberlasse es den Predigern und Papisten, das Uebrige auszu- fechten. Er nahm es jedoch nicht tibel, deshalb in milder und 1) Dies ist die jetzt nicht mehr vorhandene alte Domkirche, welche in der Gegend der Stechbahn stand. 2) So wurden bei den Jesuiten in Antwerpen die Riume genannt, in welchen sich die fir die Acta Sanctorum angelegte besondcre Bibliothek befand. Vorstehendes mag einer Erzahlung vorangehn, die in dem zu Antwerpen 1847 erschienenen 4. Bande der von F. H. Mer- tens und Ern. Buschmann zuerst herausgegebenen Annales Antwerpienses des Jesuilen Dan. Papebroch. p. 390 steht und die ich hier in einer Uebersetzung aus dem Lateinischen fol- gen lasse, weil sie den grossen Kurfiirsten betrifft und den Verchrern desselben, so wie den Kunstfreunden, die sie an jenem Ort nicht vermuthen werden, sonst unbekannt bleiben dirfte. Der geneigte Leser wird am besten dazu selbst seine Bemerkungen machen; nur vergesse cr nicht, dass es ein ge- lehrter Jesuit und einer der hauptsachlichsten unter dem Na- men der Bollandisten bekannten Verfasser und Herausgeber des grossen, noch unvollendeten Werks der Acta Sanctorum ist, der hier zu Ende des 17. Jahrhunderts spricht. In diesem Jahr (1638) wurde ein alles Kleinod des Bran- denburgischen Hauses nach Antwerpen gebracht, was den from- men Verehrern der heil. Reliquien um so angenehmer war, je weniger es sich von einem Firsten crwarten liess, der im Lu~ therischen Glauben von Kindheit an erzogen, nachher aus po- litischen Riicksichten den Calvinismus angenommen hatte. Die Ursache, welche dieses Kleinod hierher brachtc, war folgende: Der Durchlauchtigste Friedrich Wilhelm, Markgraf von Bran- denburg und des H. Rim. Reichs Kurfiirst, hatte, als er sich im Haag mit der Schwester Friedrich Heinrichs, Fiirsten von Oranien, vermihite, bei diesem zwei aus Antwerpen gekommene Gemalde des Frater Daniel Seghers, eines des vortrefflichsten Blumenmalers, gesehen, die diesem Firsten, wie er hérte, von den Jesuiten waren zum Geschenk gemacht worden. Als ein grosser Freund schéner Gemalde gab er zu verstehen, dass ihm ein dhnliches Geschenk sehr lieb und fiir die Jesuiten selbst nicht ohne Nutzen sein wiirde, indem auch er in einigen seiner clevischen Stidte Jesuiten habe, denen er die freie Ausiibung der katholischen Religion gestatte. Dies war genug und inner- halb Jahresfrist erhiclt er nach seinem Wunsch eine Jungfrau Maria (denn den Gegenstand hatte er dem Kistler freigestellt) von Blumen umkranzt ), wofir er in einem eigenhandigen Schreiben dem Maler dankte und ein von Anhangern dieser Sekte ungewdéhnliches Geschenk beifiigte. Solches bestand in zwei Fingern des heil. Martyrer Laurentius, die noch Spuren des chemaligen Zusammenhangs trugen und in vergoldetem Silber gefasst waren, wozu ein Pilgerhalsband (monile palmare) von vergoldetem Silber kam, mit kostbaren Steinen und was noch kostbarer ist, mit Partikeln heiliger Gebeine daran. Fiir das Alter sprachen Farbe und Form, es wurde aber noch be- starkt durch das von der Brandenburgischen Familie urspring- lich herstammende, oder angenommene Wappenbild des in der Mitte angebrachten Adlers und durch eine 6ffentliche in seiner Kanzelley zu Cleve ausgefertigte Urkunde, unter der eigen- handigen Unterschrift und dem Siegel des Kurfiirsten, worin er bezeugt, dass diese Reliquien, die er dem Professhause in Antwerpen als ein freiwilliges Geschenk verehre, dieselben Ly suyght haer honichs lackernie En geur uyt alderhande bloemen. Een bie quam op syn schildery - Om schyn en kleuren aengevlogen, En riep: Natuer cergevet my, Dat blom-pinceel heeft my bedrogen! 1) Héchst wahrscheinlich ist dies dasselbe Bild, welches sich, unter den vorangeliihrien, noch jetzt im Berliner Museum befindet und im Katalog die No. 978 tragt. Das Basrelief in der Mitte, von Quellin gc.nalt, zeigt die Jungfrau Maria mit dem Christkind und dem kleinen Johannes, die Namen Daniel Seghers Soctis Jesu und E. Quellinus stehen auf dem Bilde. Es hing friher in einem der Kénigl. Schlosser, doch nicht in dem zu Berlin, denn bei Puhlmann sucht man es in seiner Beschreibung der dortigen Bildergal- lerie vergebens, Weiter hat sich fiber seine Herkunft nichts ermitteIn lassen.