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	Christuskind, wie sonst bei der Geburt, in der Krippe ltegt.
Die Gebehrde der Verwunderung ist bei der Maria sehr spre-
chend. 3. Die Darstellung im Tempel, worauf Simeon in der
bekannten Miitze des Juden erscheint. 4. Die Taufe Christi,
wobei das Wasser des Jordan, wie so haufig, wie ein Berg
aussieht. Links 1. Die Geisselung Christi. 2. Die Kreuzigung
wie oben, nur hier Maria und Johannes zu den Seiten. 3. Die
Auferstehung. 4. Die Niederfahrt zur Holle. Der hier ziemlich
rehe Vortrag, die dunklen Farben, der Goldgrund, stimmen
ganz mit den so zahlreichen byzantinisirenden Miniaturen der
Abendlinder aus der ersten Halfte des 13. Jahrhunderts. Wegen
des Vorkommens des in diesen Gegenden ziemlich spat in Auf~
nahme gekommenen Spitzbogens méchte ich dieses Bild indess
kaum frither als um 1260 halten.

Wenn mir von béhmischen Miniaturen aus dem 12. Jahr-
hundert bisher nichts bekannt geworden, wie sich denn selbst
bei Wocel nichts aus dieser Zeit verzeichnet findet, so muss
ich doch kurz zweier Denkmale aus dem 13. Jahrhundert er-
wahnen, welche beide zwar sicher nicht auf der Hohe der Ma~
lerei in Béhmen fiir ihre Zeit stehen, aber doch Beachtung
verdienen, indem sie beweisen, dass auch in dieser Epoche
die in Deutschland herrschende Kunstweise dort in Austibung
war, und auch, zumal in dem einen, Manches wieder nur der

béhmischen Kunst Eigenthiimliche vorkommt.
Das eine und altere Denkmal ist eine Bilderbibel in der

Biblicthek Lobkowitz zu Prag, welche in einem dem Quarto
nahen Folio 187 Blétter umfasst, deren jede Seite, mit Aus-
nahme der letzten, zwei Bilder enthalt, so dass also im Ganzen
die grosse Zahl von 746 Bildern vorhanden ist. Diese behan-
deln Vorginge von der Erschaffung der Welt his zur Apoca~
lypse, und ausserdem noch die Legende vom h. Wenzel. Ueber
der Mehrzahl befindet sich, meist in zwei Zeilen, in lateini-
scher Sprache, von gleichzeitigem Charakter der Schrift, eine
kurze Erklarung. Deutsche Beischriften sind dagegen von sehr
spatem Datum. Es sind fliichtige, in der Zeichnung des Nack-
ten, zumal von Handen und Fiissen, schwache Federzcichnungen
von ziemlich derbem und breitem Vortrag, welche ebenso fltichtig
mit Saftfarben illuminirt sind. Nur der Zinnober kommt von
deckenden Farben vor. Dessohngeachtet sind die Gebehrden
héchst sprechend und drammatisch, der Ausdruck der Kopfe,
welche den bekannten, einigemal nicht ohne Erfolg nach Schén-
heit strebenden Typus des 13. Jahrhunderts haben, 6fter in den
wenigen Ziigen tiberraschend lebendig und treffend, ja hei
Leuten aus dem Volk, zumal wo es die Bezeichnung von Ge-
meinheit und Bosheit gilt, kommen selbst individuelle Gesichts-
bildungen vor. Die Gewander sind in dem gothischen Geschmack
gut geworfen. Nach den an einigen Stellen vorkommenden
Formen frithgothischer Architektur, so wie nach dem Costiim
mochte die Ausfiihrung etwa 1260— 1280 fallen. Sehr merk-
wirdig ist eine besonders stark hervortretende Neigung in dem
Sinne griechischcr Kunst, Eigenschaften zu personificiren. So
stellt das erste Bild in der Mitte die Taube, als den Geist Gottes
vor, wie er tiber der Tiefe schwebt, welche durch das Wort
abissus (sic) bezeichnet wird. Rechts zwei schlafende Gestalten
von edlem, aber ganz gleichem Motiv, sitzend und mit dem
Riicken gegeneinander, mit der Beischrift tenebre (sic). Links
Gott Vater im Mosaikentypus Christi, in der Rechten den Cir-
kel, in der Linken die Waage, vor ihm, in einem Kreise, eine
kleine Gestall mit einer Fackel in der Rechten, mit der Bei-
schrift Lux. Unten der fast verwischte Golt Vater cbenso und
in zwei Runden zu seinen Seiten, kleine, leichtbekleidete Fi-
guren mit den Beischriften dies und nox. Auf dem unteren
Bilde, von Bl. 2. b., um den, Gott fir seine Erschaffung dan-
kenden Adam, die vier Paradiesesfltisse als vier nackte Nym-
	diademartigen Kronen. Bei der Hochzeit zu Cana, §S. 22, sitzen
die Personen, wie auf den Darstellungen der Liebesmahler in
den Wandgemilden der altchristlichen Catacomben, um einen
halbrunden, nach vorn flach abgeschnittenen Tisch, dessen Platte
aus Porphyr und Serpentin besteht. Maria richtet die bekannten
Worte an den im Mosaikentypus gehaltenen Christus. Vorn
drei Diener, welche die Gefasse mit Wasser fiillen. Bei der
Taufe Christi befindet sich tiber dem heiligen Geist, einer blauen
Taube, die Hand Gott Vaters. Das Abendmahl, S. 24, zeigt
uns Christus mit den Jingern, von denen Johannes, wie noch
spiter bei den Deutschen, an der Brust des Heilands schlaft,
um einen runden Tisch. Merkwiirdig ist die lebhafte Gebehrde
des Judas, wie er, mit dem rechten Fusse auf dem Rande des
Tisches, die Hénde nach dem Brocken aussireckt, welchen ihm
Christus reicht. Die Grablegung, S. 26, zeichnet sich dadurch
aus, dass in der Luft zwei Engel mit Rauchgefassen erschei-
nen, und sich unten, gleichsam anticipirt, zwei schlafende Krie-
ger in den Kettenpanzern der Zeit befinden. Die Himmelfahrt,
5. 28, riihrt von einer anderen roheren Hand her. Die Kreu-
uigung, 8.29, zeigt zwar die byzantinische Auffassung, doch
sehr gemassigt; in dem Johannes zur Seite ist der Ausdruck
von Schmerz gut angedeutet. §. 30 enthilt ein sehr schénes
B mit blauem, rothem, griinem und gelbem Geriemsel auf gold~
nem Grunde. Daneben, Klein, David mit einem Spruchbande.
Von den tibrigen, héchst ausgezeichneten Initialen hebe ich nur
noch ein B, 8. 120, und ein E, S. 174, wegen des gliicklichen
Motivs von zwei Drachen und ein D, S. 220, wegen der kth-
nen und eigenthtimlichen Erfindung des Kampfes des heiligen
Georg mit dem Drachen hervor. Das sich hoch biumende Pferd
ist fiir die Zeit ein wahres Meisterstiick. Die Furchtbarkeit
des Kampfs ist hier dadurch, dass er den ihm in den Kopf
beissenden Drachen mit dem Schwert sich abzuwehren sucht,
ungleich schlagender ausgedriickt, als ich es noch bei diesem
Gegenstande gesehen habe. Auf der S. 308 erscheint die Maria
durchaus in byzantinischer Auffassung. Nur das griine Réck-
lem des Kindes ist wieder eine Veranderung des deutschen
Malers.

Hier finde ich eine schickliche Stelle zu der Bemerkung,
dass die Handschrift eines neuen Testaments, No. 39 der va-
ticanischeu Bibliothek, von deren Miniaturen d’Agincourt PI. CTL.
und CIV. einige Abbildungen als Proben eines italienischen
Schiilers byzantinischer Maler giebt, sicher deutschen Ursprungs
ist. Dafiir spricht der Charakter der Schrift, der Initialen und
der Bilder. Nach dem Vorkommen der h. Waldburg im Ca-
lender, des В. Gerion unter den Heiligen, diirfte es in der
Gegend des Niederrheins entstanden sein, und sicher der er-
sten Halfte des 13. Jahrhunderts angehéren. Wenn es in der
Kunst keineswegs zu den besten Denkmalen deutscher Miniatur-
malerei dieser Zeit gehdért, so verdient es doch theils wegen
der entschiedenen Nachahmung byzantinischer Vorbilder in vielen
Bildern, theils wegen der eigenthimlich phantastischen Erfin-
dungen andercr, besonders der Vorstellungen aus der Apoka-
lypse, die ihm gewordene Beachtung.

Fiir Niedersachsen ist ein mekwiirdiges Beispiel der so
seltnen Tafelmalerci aus so friiher Zeit ein Antependium vor
dem Altar der Kirche des adlichen Frduleinstifts zu Liine in
der Naihe von Liineburg. In der Mitte enthalt dasselbe in einer
sich dem Kreise nahernden Mandorla Christus am Kreuz im
Mosaikenlypus nach byzantinischer Auffassung und mit drei Na-
geln befestigt. Zunichst in vier rundlichen Feldern die Zeichen
der vier Evangelisten. Zu den Seiten in zwei Reihen, unter
flachen, gothischen Bégen von sehr alter Form, rechts 1. die
Verktindigung der Maria, 2. die Anbetung der Kénige, wesent-
lich nach der byzantinischen Auffassung, nur dass hier das