Dewiiches “eitung fir bildende Kunst und Baukunst, Kunfiblatt. Organ der deutSchen Kunstvereine, Unter Mitwirkung von Kugier in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Disseldorf — Schnaase in Berlin — Schulz in Dresden — FGrster in Miinchen — Eitelberger v. Edelberg in Wien Die diesjahrige Berliner Ausstellung. In den grossen Ausstellungen der Akademicen liegen nicht unwichtige Blatter der Jahrbiicher unserer Kunstgeschichte fiir eine Zeitlang aufgeschlagen vor uns da. Es ist Vielen von uns Genuss und Pflicht, dieselben fleissig zu lesen, es suchen An- dere und finden ein Vergniigen darin, sie dann und wann durch- zublattern; es hat aber die der Kunst und ihrer Entwickelung gewidmete Feder das Geschaft, den Inhalt des dargebotenen Abschnittes sorefaltig aufzuzeichnen, so wie es tiberhaupt ihre Sache ist, das kiinstlerische Werkzeug iiberallhin zu begleiten, um von seinen Thaten Rechenschaft abzulegen, sie in ihrer Bedeutung und in ihrem Werthe zu erfassen, zu beschreiben und in die Geschichte einzureihen. Das Letzlere freilich hat fiir den Betrachter der Gegenwart seine Schwierigkeiten. Erst das fertige Entwickelungsmoment, erst das zu Ende gespielte Geschichtsdrama, erst die vom Schauplatz abgetretenen Trager der Begebenheiten pflegen wir als der Geschichte anheimgetalicn zu betrachten, erst sie sind uns objectiv genug geworden, um ihr Verhaltniss zur Allgemeinheit klar hinstellen zu kénnen. Und sollte das in der Kunst wohl anders sein? Gewiss nicht. — Es wird daher hauptsichlich unsere Aufgabe sein, eine mig- lichst treue Charakteristik der nunmehr in Blithe stehenden Ausstellung zu versuchen, wobei es uns freilich begegnen mag, dass wir mit Vorliebe das Talent und die Tiichtigkeit, dass wir die Lichtseiten der Ausstellung aufsuchen. Hat uns doch der grésste Theil der Tagespresse und zwar, weil es so leicht ist, den einen Schritt zum Lacherlichen zu machen, in viel zu weit ausgreifender Weise der Mihe tiberhoben, im Tadeln un- sern Witz zu iiben. Man hat nicht daran gedacht, indem man den Kiinstlern und somit der Kunst ein schlimmes Zeugniss Бег die gegen friher geringe Beschickung dieser Ausstellung gab, dass jene von 1848 noch von dem in ruhigeren Zeiten Ge- schaffenen konnte ausgeriistet werden, dass wir aber keineswegs lange genug geregelteren Zusténden zuriickgegeben sind, um tiberall und in allen Malerwerkstatten das frihere, ristige Le- ben, um im Publikum die frihere Lust zum Kaufen vermuthen mu diirfen. Beides kehrt indessen schon, es ist nicht zu laug- nen, auf cine erfreuliche Weise wicder. Dies in Bezug auf die quantitative Gestaltung der Ausstel- lung. Abcr nicht blos an die Breite, sondern auch an ihre Tiefe hat man schon jetzt Anforderungen erhoben, die erst viner spaleren Zeit, vielleicht gar erst einer folgenden Gene- redigirt von Dr. F. Eggers in Berlin. Montag, den 20. Mai. ration zu erfillen aufbehalten sind. Man hat dies besonders in Hinblick auf die jiingstdurchgemachte Phase unserer politischen Entwickelung gethan. Das aber ist doch wohl nur eine, und vielleicht nicht die wichtigste, Ausbeute, die eine solche Zeit fir die kinstlerische Darstellung gewihren kann, dass wir sie nur eben in ihren Begebenheiten und dem Ausdruck ihrer dus- sern Erscheinung abgebildet sehen, dass sie also mit einem Worte den Stoff zu den Bildern hergiebt; ihr tieferer Inhalt, ihre weitergreifende Nachwirkung hat sich zum Theil aus neuen Anschauungen, zum Theil aus neuen Gestaltungen der kiinst- lerischen Verhaltnisse zu ergeben, die unsere Zeit erzeugt hat oder erzeugen wird. Wie gross und schén aber immer die be- wegenden Zeitideen waren, in ihrer Entwickelung haben sie sich nicht also gezeigt, sie haben nicht so allgemein und so tief _ етсезтШеп, sind nicht mit solcher Klarheit herausgearbeitet wor- den, dass wir auch auf unserem Gebiete eine so allgemeine und durchgreifende Nachwirkung uns davon versprechen kénnen, als sie z. B. die Reformation ausgetibt hat. — Hoffen wir also auf die Zukunft, und gehen wir unsererseits an die Arbeit der Ge- genwart: Wir haben schon mitgetheilt, dass der diesjihrige Catalog nur 1289 Nummern enthalt. Seit der 25sten Ausstellung der Aka- demie im Jahre 1828 (die gegenwiirtige ist die 37ste), wo die Anzahl der vorgefiihrten Kunstwerke 1107 betrug, hatten wir keine so geringe Zahl. Von dieser kommen etwa 860 Nummern auf die Gemilde und Zeichnungen, die Skulpturen zahlen 125, die Architektur -Compositionen 15 Nummern, das Fach der Kupferstiche, Holzschnitte, Lithographien ist durch 153, das der Kunst-Industrie durch 14 Nummern vertreten. Von den 860 Gemalden und Zeichnungen sind deren 317 Portraits, ohne die zu rechnen, welche mit andern dieselbe Nummer theilen. An figiirlichen Darstellungen sind 270 vor- handen, die Landschafts- und Architekturmalerei hat 206, das Stillleben 27, und die Marine 9 Nummern gebracht. Thierstiicke zihlen wir 20, Cartons 7, Glasmalereien 5. Unter den figiirlichen Darstellungen bemerken wir etwa 25 streng historische Stoffe, 40 Genrebilder, von denen 9 Scenen aus der Neuzeit behandeln und gegen 20 dem biblischen Kreise angehdérige Darstellungen sind. Die tbrigen, hier mitgerechneten Bilder sind Einzelfiguren, Allegorien, Darstellungen nach Dich- tern, aus der Mythologie u. dgl. Es ist also, wie gewdhnlich, das Portraitfach am stérksten vertreten, dann folgen die Land- schaften, auffallend gering ist dagegen die Anzahl der Genre- 90