wie sie statt finden kénnte, ab und zwar zunachst den Kunst-
lern zu, welche die Historienmalerei im engeren Sinne
vertreten, oder wenigstens zu vertreten versprochen haben, denn
noch immer fehlen einige im Catalog angezeigte Bilder. Hier
bilden sich folgende Gruppen:

Der rémisch—kKlassischen Richtung angehérend, treten uns
besonders Karl Becker und Kaselowsky entgegen. Der геа-
listischen Auffassungsweise historischer Vorwiirfe, wie sie sich
in der Berliner Schule findet, huldigen Rosenfelder, Schra-
der, Menzel u. A. Dort liegt das Hauptgewicht in den Fi-
guren und ihrer Gruppirung, hier in der treuen Charakteristik
der Begebenheit, in dem sorgfaltigen Studium des Zeitkostims.
— Blicken wir auf die Stoffe, so ist es natiirlich, dass die
Rémer dieselben aus dem Alterthum und der Bibel nehmen, von
den Uebrigen greifen Rosenfelder und Schrader, so wie die
Diisseldorfer in’s Mittclatter, Menzel lebt und webt in dem Zeit-
alter des grossen Friedrich, Rechlin haben seine Schlachten-
bilder auf die Zeit der Befreiungs -Kriege hingefihrt.

Becker hat sich zum erstenmale in einem historischen
Stoffe versucht: .,Belisar als Bettler*. Wir sahen bis jetzt von
ihm nur einzelne gréssere Figuren oder Vorgange aus der Mytho-
logie in Landschaften und in kleinerem Maassstabe dargestellt.
Aber wir miissen bekennen, dass der bettelnde Greis mit seinem
Knaben in lebensgrosser Ausfiihrung uns hinterher oder heilaufig
den Namen Belisar aus der Geschichte geborgt zu haben scheint.
Das Bild zieht an durch die riihrende Schémheil des Knaben,
der seine Hand bittend ausstreckt und an den sich ein ge-
knickter, sehr diirftig bekleideter Greis aniehnt. Ein tichtiges
Studium tritt uns aus den nackten Kérperpartien, Sinn fiir Far-
benharmonie aus dem ganzen Bilde entgegen. Aber, um uns
den kérperlich schénen und gewaltigen Besieger der Ostgothen
und Vandalen, den gréssten Kriegshelden seiner Zeit, den edlen
	  und treuen Feldherrn, det die Sage den merkwiirdigsten Schick-
	salswechsel erfahren liess, um uns diese gefallene Grosse zu
veranschaulichen, dazu mangelt diesem Greise’ durchaus Alles.
Gewissermaassen nur symbolisch ist durch den nebenliegenden
Helm und durch die Thore Roms im Hintergrunde angedeutet,
welche geschichtliche Person wir vor uns haben. Niemals aber,
selbst in seinem Falle nicht, erscheint der Grosse klein, Setate
sich der Kinstler die ungleich schwierigere Aufgabe, anstatt
den Fall eines Helden, den gefallenen zu malen, gab er
also mehr Situation, als Handlung, so musste er, nach unserer
Ueberzeugung, mehr Bedacht nehmen, die Umgebung und die
Nebendinge mitwirken zu lassen, sodann aber besonders uns
den Ausdruck unvertilgbarer Grésse, die aus den Triimmern
hervorbricht, nicht vorenthalten. Wir machen diese Bemerkung
hauptsichlich, um zu zeigen, dass ein Kunstwerk nicht durch
eine Bezeichnung Anforderungen erwecken muss, die es nicht
befriedigen will. Lasse man diesen Alten irgend einen greisen,
aber historisch unbedeutenden Krieger sein, so erregt er unser
Interesse und wir werden nicht weiter im Genusse gestért.
Kaselowsky’s figurenreiches Bild, ,,die Freisprechung
der Susanne“, theilt sich in zwei Haupigruppen, die der unschul-
dig befundenen Frau mit den Ihrigen auf der einen, die der
Verurtheillen auf der andern Seite. Oben iitber der junge Da-
niel auf den Stufen einer Tempelvorhalle, umgeben von den
Riehtern. Auch dieses Bild ist, so viel wir wissen, dcr erste
gréssere Versuch eines Kiinstlers, der sich vor mehreren Jah-
ren schnell den Preis der Wanderschaft nach Nalien gewonnen
hatte, wo er den Rafael fleissig studirte und copirte. Die
schénste Partie des Bildes, welches sich im Ganzen gut und
	wirkungsvoll komponirt darstcllt, ist ohne Frage dic Gruppe
mit der Susanne. Sie schaut mit einem dankbaren Blicke zum
	Himmel auf, die knicende Magd kusst ihre Hand, eine Freun-
	bilder. Als verkduflich sind aus dieser ganzen Rubrik 325 ange-
zeigt, wahrend 90 als im Privatbesitz befindlich aufgefiihrt sind
(Portraits natirlich nicht mitgezahlt), und zwar 41 als Eigenthum
des Kénigs und der kénigl. Familie, 2 im Besitz des Herzogs
von Dessau; andere Besitzer steuerten 39, die Kunstvereine 8
Nummern bei. Se. Majestat hat also in diesem Jahr genau das
Doppelte zur Ausstellung (also auch wohl inzwischen zur Aus-
fiihrung) gelangen lassen, als im vorigen Jahre.

Aus 306 Malerwerkstitten haben sich diese Bilder hier zu-
sammengefunden und zwar gehdren jene diesmal mit Ausnahme
von 36 alle dem Preuss. Staate an, indem 225 allein auf Ber-
lin nebst Umgegend und Potsdam kommen, 45 auf das tibrige
	Preussen. Von den Diisseldorfern betheiligten sich 19, von Ko-
nigsberg aus 4 Maler. Aus dem iibrigen Deutschland beschick-
ten 24 Maler die Ausstellung (darunter 6 Sachsen, 5 Minchner,
4 Wiener), wabrend sich nur 13 fremdlandische Gaste (aus Bel-
gien 5, aus Frankreich 2, aus Italien 3, aus Dinemark, Nor-
wegen und Holland je 1) eingestellt haben. Daraus ergiebt sich,
dass der Inhalt der diesjahrigen Ausstellung hauptsachlich aus
eigenen Mitteln hat bestritten werden miissen.

Was die Skulpturen anbetrifft, so befinden sich unter den
125 Nummern: 50 Original -Compositionen (wovon 8 en relief)
in Marmor, Erz, Gips und Holz, 15 Nummern an Medaillen, ge-
schnittenen Steinen und Siegelabdriicken, 4 Eisengusswerke und
3 Bronze-Niederschlige aus dem galvanoplastischen Institute *).
Daran haben gearbeitet: 48 Kinstler aus Berlin, 2 aus dem
iibrigen Staate, 2 aus Rom und 1 aus Dresden. Als verkiuf-
lich sind 32 Werke angezeigt, 10 sind aus kéniglichem, 5 aus
anderm Besitz beigesteuert (wobei Portraits wieder nicht ge-
rechnet sind). Es erhellt also, dass die Raume fiir die Skulptur
diesmal verhiltnissmassig reich ausgestattet sind.

An den Arbeiten der vervielfaltigenden Kunst haben sich
4 einheimische Kinsiler und 1 Brisseler Kinstlerin betheiligt.

Ueberblicken wir also den ausgestellten Bildermarkt im
Ganzen, so fallt in die Augen, dass er diesmal hauptsichlich
ein Ausdruck der kiinstlerischen Thatigkeit Berlins mit einem
theilweisen Hinzutreten der beiden andern Akademieen des preus—
sischen Staates ist. Um indessen diesen ganz und voll zu ha-
ben, dazu miissen wir uns daran erinnern, dass Cornelius
an den schon erdachten Entwiirfen fir das Campo Santo zeich-
net, dass Kaulbach mit seinen Schiilern an den grossen Fres-
ken malt, mit denen sein Genie die inneren Wande unseres
neuen Museums zu zieren tibernommen hat. Warum aber giebt
der Erstgenannte seine Cartons nicht auf die Ausstellung? Wir
wissen recht wohl, dass man ihrer durch den Kunsthandel theil-
haftig werden kann, auch sind sie vielfach beschrieben und
besprochen werden, aber gerade deswegen ware es interessant,
dass nunmehr auch — abgesehen von der Freundlichkeit des
Meisters, der sie bereitwillig dem Kunstfreunde zu zeigen und
zu erkliren niemals ansteht — dass sie nunmehr auch dem
grésseren Publikum, das doch an der Schépfung der neben ihm
entstchenden monumentalen Kunstwerke ein Icbhaftes Interesse
hat, vorgeftihrt und zur Anschauung gebracht wiirden. Wo —
fragen wir weiter — bleibt Be gas, feiert denn Hensel ganz? —

Wenden wir uns jedoch von einer voilen Reprasentation,
	1) Obwohl bei diesen unseren Uebersichten manches nicht numerirte
Werk nicht mitgezahlt erscheint, wenn wir es nicht aus dem Gedachtniss
mit hinein rechneten, so stehen doch auch 3 Nummern im Catalog, bei denen
sofort bemerkt ist, dass sie nicht auf der Ausstellung sein werden, und zwar
sind dieses monumentale Werke, Wir wissen nicht, mit wem wir dber diese
Anordnung zu rechten haben, ob mit den tbrigen Bildhauern, die ihre mo-
numentalen Werke nicht anmeldeten, oder mit dem Anordner des Catalogs,
der jedenfalls, wenn er cine Uebersicht der monumentalen Arbeiten geben
wollte, dieselbe vollstindig und etwa in der Vorrede itberliefern musste.