nehmende Bild, stellt endlich die von Christus eingesegnete
	streitende Kirche, ecclesia militans, nach der Beischrift, dar,
	und umher die drei Hierarchieen derselben. Die erste umfasst
die Patriarchen, vier Figuren, die Propheten, finf Figuren,
und die Apostel, eben so viele, von denen Petrus, Paulus und
Johannes erkennbar sind. Die zweite begreift die Martyrer, die
Priester und Bischéfe, so wie die Ménche (confessores), je
finf Figuren; die dritte endlich, die Jungfrauen, die Wittwen,
je fiinf Figuren, von deren letzteren cine in dem edlen Motiv
an Pietro Perugino erinnert, und dic Verchelichten, drei Paare.
Das Ganze ist eine der originellsten und merkwirdigsten Mi-
niaturhandschrifien, welche ich aus dieser Zeit kenne und fiir
die Geschichte der béhmischen Kunst ganz unschatzhar.
	Beitrag zur Kunstgeschichte des Mittelalters in
Niedersachsen.
		stus zwar in byzantinischer Weise mit gesenktem Haupte, aber
noch lebend und, wie folgende beigesetzte Worte beweisen, im
Gesprich mit seiner am Kreuze stehenden Mutter: Fili! — Quid
mater? — Deus es? — Sum — Curita pendes? — Ne genus hu-
manum tendat ad interitum. Der Johannes, das Haupt auf dic
Rechte gestiitzt, ist in der Gebehrde, wie im Ausdruck der
Trauer trefflich, und darin wieder den besten gleichzeitigen
italienischen Vorstellungen nicht nachstehend. Dasselbe gilt
auch yon der Maria auf der zweiten Kreuzigung, BI. 8.b., wo
Christus als eben verschieden dargestellt ist. Die Gebehrde,
wie sie niederblickend die Hinde ringt, ist ebenso edel als
ergreifend. Die ganze Seite, Bl. 10.a., zeigt einige Vorstellun-
gen und dic Werkzeuge, welche sich auf das Abendmahl und
die Passion beziehen, in einer Weise und einer Vollstandigkeit,
wie ich sie noch nicht gesehen habe. Oben, in der Mitte, in
einem Rund, die vera icon, oder das Antlitz Christi in dem
bekannien Typus sehr wiirdig, aber mit schwarzem Haar. Dar-
tiber die heil. Veronica. Die Verbindung dieser Heiligen mit
der vera icon hier ist mithin um 38 Jahr friher, als die alte-
ste, welche Wilhelm Grimm in seiner bekannten Abhandlung
anfiihrt  ), Rechts, etwas mehr unten, Christus am Oelberge
mit dem herabtriefenden, blutigen Schweiss, noch mehr unten
Christus mit den Fiissen am Kreuz befestigt, das Haupt geneigt,
die blutige Rechte ausstreckend, in der Linken Geissel und
Ruthe. Von edler Gestalt, ergreifend in der Gebehrde und dem
Ausdruck des Schmerzes ist die mater dolorosa von ansehnli-
cher @тбззе. В1. 11.а. Mir neu und schén ist die Darstellung,
Bl. 14.b., wie Magdalena, hier besonders individuell und von
sehr spreehender Gebehrde, der auf dem Bette liegenden Ma-
ria, gefolgt von den anderen Marien und in Gegenwart von
Petrus und Johannes, die Kunde von der Auferstehung Christi
bringt. Ebenfalls neu und sehr ansprechend ist die Art, wie
auf derselben Seite das Wiedersehen Christi und seiner Mutter
nach der Auferstehung dargestellt ist. Die Rechte um seinen
Nacken geschlagen, das Haupt an ihn geschmiegt, wird sie von
ihm geliebkost. Hinter ihm zwei Engel, hinter ihr zwei Marien.
Noch schéner und inniger ist die mir gleichfalls neue Vorstel-
lung des Abschieds Christi von seiner Mutter vor sciner Him-
melahrt. Bl. 16.b. Indem er ihr den Friedenskuss giebt, spricht
er zu ihr die Worte: Salve mellita mea floscula virgo Maria.
Mit wie vieler Liebe sich der Maler in dieses Verhaltniss Christi
zu seiner Mutter hinein gedacht, beweist endlich noch die Weise,
wie er bei ihrem Tode, BI. 17., ihre, wie gewéhnlich als Kind
vorgestellte Seele, an die Wange dritckt und wieder von ihr
geliebkost wird. Bei der Krénung Maria, Bl. 17.b., hat die
Architektur den edlen gothischen Geschmack der St. Veitskirche
zu Prag. Neu ist dabei wieder die Vorstellung daneben, wie
Christus den aus einer Thiir tretenden Joseph von Arimathia
kiisst, eine Bezeugung der Dankbarkeit fir die sorgfaltige Pflege,
welche er seinem Leibe hatte angedeihen lassen. Bl. 18.a. wird
wieder in einem grossen Bilde dic Vorstellung der Kirche als
der Braut Christi aufgenommen. Er fiihrt sie, eine kleine Ge-
stalt, an der Hand, um ihr die ihr bereiteten’ Wohnungen, wel-
che durch einige gothische Bégen angedeutet sind, zu zeigen.
Die himmlische Musik wird durch vier auf Harfen, Violine und
Laute spielenden Engeln in vier gothischen Bogen tbcreinander,
bezeichnet. In dem die ganze Scite cinmehmenden Bilde der
Krénung der Kirche, vgl. 20.a., als ecclesia triumphans, sind
unter neun Bégen die neun in drei Hierarchien eingetheilten
Ordnungen der Engel mit beigeschricbenen Namen, als troni,
potestates etc. in scltener Vollstindigkeit dargestellt. Das letzte,
wie das vorige angeordnete, glcichfalls eine ganze Seite cin-
	1) Die Sage vom Ursprung der Christusbilder, in den Abhandlungen der
Berliner Akademie der Wissenschaften van 1842.
	Unter obiger Ueberschrift ist ktrzlich in einem anderswo
wenig gelesenen Lokalblatte, dem in Hannover erscheinenden
»Hannoverschen Magazin“ ein laingerer Aufsaiz verdéffentlicht
worden, der neben der dankenswerthen Absicht, einen be-
stimmten Kreis von gebildeten Laien fiir die Geschichle vater-
lindischer Kunst im Mittelalter zu interessiren, noch das be-
sondre Verdienst hat, uber mehrere hedeutende, bisher wenig
oder gar nicht bekannte Monumente miltelalterlicher Kunst sehr
beachienswerthe Nachrichten zu enthalten. Es scheint mir da-
her der Mithe werth, die dort niedergelegten, mehr oder min-
der als neu zu betrachtenden Resultate einem gréssern Leser-
kreise mitzutheilen, zumal da ich durch die Giite des Verfas-
sers in den Stand gesetzt bin, denselben noch einige Notizen
hinzuzufiigen, die erst nach vollendetem Druck jener Arbeit
ihm zu sammeln vergénnt war.

Die Arbeit hat sich vorgesetzt, ein méglichst umfassendes
Bild der Entwicklung des Basilikenbaues in Niedersach-
sen zu geben und umfasst denjenigen Theil des ehemaligen
niederséchsischen Kreises, welcher die Bisthitimer Hildesheim
und Halberstadt, die Firstenthiimer Braunschweig, Kalenberg
und Grubenhagen einschliesst. Ohne uns bei dem vorange-
schickten allgemeinen Theile aufzuhalten, der sich durch cine
gelungene Darsiellung der fortschreitenden immer reicheren
Entfaltung jenes merkwirdigen Baustyles auszcichnet, eilen wir
sogleich dazu, aus den cinzelnen spater aufgefiihrten Beispielen
das herauszuheben, was uns als weniger bekannt erscheint. —
Der Verfasser hat fiir sein Material dadurch einen leichteren
Ueberblick zu gewinnen gesucht, dass er dic vorhandenen Ba-
siliken Niedersachsens in vier Klassen theilt: 1. in reine Sau-
lenbasiliken, 2. reine Pfeilerbasiliken, 3. Basiliken mit einfacher
Saulenstellung zwischen zwei Pfeilern, 4. Basiliken mit dop-
pelter Saulenstellung. Diese Anordnung scheint uns ganz ge-
cignet, zumal da bekanntlich wahrend der ganzen romanischen
Bauperiode diese verschiedenen Anlagen neben einander befolgt
werden, ohne dass eine, mit Verdrangung der iibrigen, die all-
gemein gellende wiirde, so dass also von einer blos histori-
schen Anordnung nicht viel Klarheit zu erwarten sein diirfte.
Wollte man freilich den Eintheilungsgrund streng nach der hé-
hern Stufe kinstlerischer Entwicklung nehmen, so wiirde man
mil der dritten Klasse schliessen miissen, da unstreilig die Ab~
wechselung von je einem Pfeiler und eincr Saule die am mei-

sten organische ist.
Zunachst treffen wir auf eine der bedeutendsten Basiliken—
	anlagen Niedersachsens, mit der ein gunsliger Zufall den Ver-
fasser und mich yor zwei Jahren auf einer Kunstwanderung