scheint, jene vier Holzschnittblatter mit den zwolf Aposteln und dem dabei stehenden lateinischen Credo, so wie den zehn Ge- boten- in franzdsischer Sprache, welche das Pariser Cabinet als die altesten franzésischen Holzschnitte besitzt; aus derselben Zeit ist auch der von Duchesne besprochene Holzschnitt (nicht Metallschnitt) eines Madonnenbildes unter einem Tabernakel, wo- bei der Name Bernard Milnet steht. Auf die Untersuchung dieser Ueberreste der altesten Holz- und Melallschnitte fussend, glaube ich behaupten zu diirfen, dass in Oberdeutschland der Holzschnitt schon im 14. Jahrhundert ftir Andachtsbilder und Spielkarten ist angewendet worden, und der Metallschnitt, we- nigstens ftir geschrotene Arbeiten, im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts. Fur die Niederlande haben wir keine so frithe Beispiele aufzuweisen, obgleich es wahrscheinlich ist, dass man dort in beiden Kunstiibungen nicht lange hinter Deutschland zu- riick geblieben ist. Spater kamen die Franzosen dazu, am spa- testen die Italiener. Es ist daher auch begreiflich, wie Vasari von der Erfindung der Holaschneidekunst sprechend, erst mit Hugo da Carpi beginnt, dessen friihstes bezeichnetes Blatt die Jahreszahl 1518 tragt. ‘ Anders stellt sich das Verhiltniss zwischen Deutschland und Italien ricksichtlich des Kupferstichs. Beide Lander ma~— chen begriindete Anspriiche auf die Erfindung dieser Kunst, beide sind gleichzeitig, so weit wir es noch durch bestimmte Daten nachzuweisen vermégen, damit aufgetreten. Dieses lasst sich bei der grossen Kunstthatigkeit und dem regen Verkehr beider Nationen leicht begreifen und ich glaube es selbst durch zwei bestimmte Kiinstler nachweisen zu konnen. Bekanntlich berichtet Vasari — und neuere Forschungen haben es bestatigt — dass in Italien Maso Finiguerra, Goldschmied zu Flo- renz, der Erste gewesen, welcher von seinem im Jahr 1450 gefertigten Stich der Krénung Maria zu der Pace in Niello, ei- nen Abdruck auf feuchtes Papier vermittelst des Cylinders ge~ macht habe, um die Wirkung des Eingravirten beurtheilen zu kénnen, bevor es mit dem Niello ausgefillt wurde; wie hierauf um 1460 Baccio Baldini davon Anlass genommen, Stiche in Metallplatten zu machen und sie durch Abdrucken auf Papier zu vervielfaltigen. So sei der Kupferstich entstanden, jedoch auf eine sehr ungentigende Weise, da Baldini ein schlechter Zeich~ ner gewesen; er habe sich deshalb hauptsachlich der Zeich- nungen des Sandro Botticelli bedient, der mit dieser Sache selbst sich abgegeben und viele Zeit darauf zu seinem grossen Nachtheil verwendet habe. Bevor ich hier weiter gehe, scheint es mir néthig, die documentirten Geburtsjahre jener Kistler, wie sie Dr. Gaye in seinem ,,Carteggio“ nachgewiesen, anzuge- ben, indem daraus hervorgeht, dass fragliche Versuche, Ab- driicke von Metallstichen auf Papier zu machen, in eine Zeit ihres noch sehr jugendlichen Alters fallt. Maso Finiguerra wurde nach der Angabe seines Vaters im Jahr 1426 geboren; war also 24 Jahre alt, als er jenes beriihmte Niello in Arbeit nahm, Das Geburtsjahr des Baccio Baldini ist 1436; hat er nun 1460 angefangen, Kupferstiche zu fertigen, so war er damals gleichfalls erst 24 Jahre alt. Um 11 Jahre jiinger war Sandro Botticelli, der, wie sich jetzt erweisen lasst, erst 1447 ge- boren wurde. Den Nachweis der Begegnung derjenigen Kistler, wodurch dies- und jenseits der Alpen die Kenntniss, Metallstiche auf feuchtes Papier abzudrucken, fast gleichzeitig sich verbreitete, glaube ich folgendermaassen begriinden zu kénnen. Durch Fa- cius wissen wir, dass Rogier, der Schiller des Johann van Eyck (Rogier von der Weyde d. A. aus Brissel, auch Roger von Brigge genannt) im Jubeljahr 1490 nach Rom gewandert war; ferner muss angenommen werden, dass er damals wahrend sei~ nes -Aufenthalts in Florenz fiir Johann und Peter de’ Medici je- OL haben, womit er Nachricht uber einen bis dahin noch nicht be- schriebenen Kupferstich giebt, der das Gliicksrad darstellt und, fiir Deutschland verloren, nach England gegangen sei ); dem indess gliicklicher Weise ein anderes wohl erhaltenes Exem- plar in der Wiener Hof-Bibliothek sich befindet. Bei dieser Gele- genheit bemerkt Hr. Sotzmann mit Recht, wie sehr wiinschens— werth es wire, wenn iiber die altesten Kupferstecher und ihre Schulen, oder wie sie landschaftlich und kinstlerisch sich nahe gestanden , hefriedigendere Mittheilungen gemacht wiirden, als bis jetzt geschehen. Er selbst giebt noch einige weitere Nach- richten von Blattern, welche in adhnlicher Weise wie jenes Gliicksrad behandelt sind und welche Duchesne alle einem von ihm sogenannten ,,Afaitre aux banderoles“* zuschreibt. Herr Sotzmann scheint dieser Ansicht nicht zu sein, worin ich ihm beipflichte; jedoch lasst er uns im Allgemeinen noch im Dunkeln iiber das, wortiber wir gerne von ihm Licht erhalten hatten. Da ich mich nun seit einigen Jahren der Forschung auf diesem so wenig aufgeklirten Gebiete hingegeben habe und zu manchen Resultaten gelangt bin, so theile ich dieselben hier in Kirze mit, in der Hoffnung, dadurch zu noch weiteren Aufklarungen Anlass zu geben. -Obgleich der Holz- und Metallschnitt mit der Kunst des Kupferstechers nichts gemein hat, da das Verfahren ein ganz anderes, so wird in dem eben erwahnten Aufsatz doch auf denselben hingewiesen, als auf ein Mittel zu bildlichen Darstellungen auf Papier, welche dem Kupferstich vorher ge- gangen, ja denselben vielleicht selbst. veranlasst haben. Was nun die Holzschneidekunst anlangt, so scheint es unbezweifelt, dass sie fiir Andachtsbilder und Spielkarten zu- erst in Deutschland schon im 14. Jahrhundert in Aufnahme ge~ kommen ist. Dieses beweisen augenscheinlich einige Holz- schnittblatter in Minchen und ein ,,8. Wolfgang“ in der Biblio— thek der S. Jacobskirche zu Briinn; auch kommen schon 1394 Martin Schén der altere und 1398 ein Ulrich als Formschnei- der zu Ulm vor. Ob auch in Italien von Italienern der Holz- schnitt vor dem 16. Jahrhundert angewendet worden, scheint mir sehr zweifelhaft, denn wenngleich schon 1441 die Кащеп-. macher in Venedig Klage beim Senat der Republik fuhrten uber die ausserhalb Venedigs gedruckten Spielkarten und gemalten Bilder (carte da zugar.e figure depinte, Slampide fuor de Ve- nesia), worauf ein Verbot derselben erfolgte, so kénnen die Ilalienischen Karten ebenso wie auch dfters die Deutschen ver- mittelst Patronen gefertigt worden sein. Sicher ist, dass alle von mir bis jetzt untersuchten bildlichen Darstellungen in Bi- chern, welche in dem letzten Jahrzehent des 15. Jahrhunderts und noch weit spater in Venedig herausgekommen, keine Holz-, sondern Metallschnilte sind. Dasselbe méchte ich auch von den ersten Ausgaben der Niederlandischen ars moriendi u. dgl. be- haupten, deren Schnitt sehr scharf, in den Schraffirungen sehr fem und spitz auslaufend und im Druck nicht so fett, wie beim Holzschnitt ist. Auch die Titelblatter der in Lyon zu Anfang des 16. Jahrhunderts gedruckten Biicher von italienischer Zeich- nung, und die Heures, die in Paris um dieselbe Zeit, mit Dar- stellungen in flandrischer Weise, erschienen, sind alle in Me- tall geschnitien. Wie frith diese Art und Weise schon in Deutsch- land tiblich war, bezeugen einige Blatter von geschrotener Ar- beit, z. B. ein ,,h. Christoph im Miinchner und eine „В. Catha- rina* ehedem in Frankfurt, jetzt im Pariser Cabinet, welche, dem Kunststyl nach zu schliessen, derselben Zeit wie der „в. Christoph « in Holzschnitt von 1423 angehéren. In Frankreich {and der Holaschnitt jedoch schon frih, wohl um die Mitte des 45. Jahrhunderts, Eingang; denn aus dieser Zeit sind, wie es 1) Vgl. No. 10—13.