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	fachen Quergurten und dazwischen ausgespannten Kreuzgewol-
ben; dann die Marktkirche (etwas spater, als die ebenge-
nannte), an der sich bereils eine reichere Gliederung der
Quergurtentrager bemerklich macht; endlich die Klosterkirche
Neuwerk (1178—86) mit spilzbogigen Kreuzgurten und sehr
lebendiger organischer Gliederung, sowohl der Trager, als auch
der Gewélbegurten.

Indem wir uns nun eine kleine Abweichung von dem Gange
der uns vorliegenden Arbeit erlauben, erwahnen wir zu-
nichst die Basiliken mit doppelter Séulenordnung. Unter diesen
sind die bedeutendsten die beiden Kirchen Hildesheims, §. Mi-
chael und S. Godehard. Wenngleich beide Kirchen weithin
bekannt sind, so heben wir doch tiber die erstere einige No-
tizen heraus, da gerade dieser Theil der Schrift mit besonders
liebevollem, griindlichstem Eingehen behandelt ist, 5. Michael
ward 1001 von dem kunstsinnigen Bischof Bernward gegriindet;
1015 war der Bau der Krypta vollendet, 1022 die Hauptkirche ;
1033 erhielt das Ganze, also hundert Jahre friher als S, б0-
dehard, seine Hauptweihe. Der urspriinglichen Anlage gemiss
beruhte die grossartige Bedeutsamkeit des Baues auf der An-
ordnung eines dstlichen und eines westlichen Chores nebst Kreuz-
schiffen. Beide Chére wurden durch die Verlingerung des Mit-
telschiffes und eine Tribiine gebildet. (Hiernach ist der bei
Gladbach gegebene Grundriss, der die jetzige Gestalt der Kirche
nur beriicksichtigt, zu modifiziren.) In den Querfliigeln neben
dem éstlichen Chore befanden sich Nebentribiinen; am westlichen
Chor bildet die sehr hoch liegende Krypta cinen Umgang, so
dass dort der aussere Anblick viel Verwandies mit S. Godehard
hat. Ausserdem war die Kirche durch 6 Thiirme geziert. Unter
den Verstiimmelungen, welche der herrliche Bau im 17. Jahr-
hundert erfahren musste, war die Wegnahme der beiden Haupt-
thiirme und des éstlichen Chores die eingreifendste. Auffallend
ist, dass gegen das ibliche Herkommen der westliche Chor hier
der Hauptchor war. Nicht minder seltsam ist die unverhaltniss—
miassige Breite der Seitenschiffe, die sich eben dieses Umstandes
wegen durch zwei von einer Saule getragene Arkadenbdgen
gegen die Querschiffe 6ffnen. Wahrend gewohnlich das Seiten-
schiff etwa die halbe Breite des Hauptschiffes hat, zeigt es hier
zwei Drittel von der Breite desselben. Noch verdient hervor-
gehoben zu werden, dass an den Giebelseiten jedes Kreuzfligels
sich tiber einander zwei Galerieen oder Emporen befinden, die
ins Innere vortreten, und zu denen in den Nebenthiirmen Auf-
ginge fihren. Die kostharen Schétze, welche S. Michael an
den trefflichen Sculpturen der Balustrade des Querschiffs und
an den alten Malereien der Holzdecke besitzt, wiirden allein
diese Kirehe zu einer der wichtigsten deutschen Basiliken machen.

Den Kirchen Hildesheims schliesst sich die bisher kaum
gekannte Stiftskirche des benachbarten Gandersheim an.
Dies beriihmte Kloster wurde 853 gegriindet; die vorhandene
Kirche ist 1172 geweiht. Hochst bemerkenswerth ist hier die
Anordnung, dass die im Westen angelegte Vorhalle, die sich
durch 3 Pfeilerbégen nach dem Langhause Offnet, mit ihren Ne-
benraumen dusserlich als ein zweites Querschiff erscheint.
Die 6 Kreuzgewolbe der Vorhalle ruhen auf Saulen und Pfeilern;
iiber der Vorhalle erhebt sich die Loge, die nach dem Mitlel-
raume, wie nach den Seiten durch zierliche Rundbogenfenster
sich 6ffnet, und an die sich zu beiden Seiten Zitter anschliessen.
In der hier befolgten Anlage einer doppelten Sdulenstellung hat
man sich eine Unregelmassigkeit erlaubt, indem die dem Quer-
schiff zunachstliegende Vicrung nur eine Saule zwischen den
Pfeilern hat. Da das Querschiff betrachtlich schmaler ist als
das Mittelschiff, so zeigt die Durchschneidungs~Vierung eine
oblonge Grundform. Das Mittelschiff ist seines Gewélbes beraubt
worden, wahrend Chor, Quer- und Nebenschiffe die ihrigen
	nes Bildchen malte, welches sich jetzt in der Sammlung des
Stadelschen Kunstinstituts zu Frankfurt befindet. Dieser grosse
niederlindische Kiinstler befand sich also grade in Florenz, als
Maso Finiguerra mit jener Pace beschaftigt war, und einen Ab-
druck auf Papier davon nahm. Es kann wohl keinem Zweifel
unterliegen, dass der Fremde, das Handwerk begriissend, den
talentvollen Florentiner Goldschmied kennen lernte. Ob nun
bei dieser Gelegenheit Rogier Kenntniss der besprochenen Ver-
fahrungsweise des Maso Finiguerra erhielt, oder ob umgekehrt,
dieser von Ersterem unterrichtet worden, bleibt dahingestellt,
obgleich letzteres mehr Wahrscheinlichkeit fiir sich hat, indem
der Niederlinder mit dem Verfahren beim Abdrucken von Holz-
und Metallschnitten in seinem Lande bekannt sein musste, was
~ bei dem Florentiner wohl nicht der Fall sein konnte, da in je-
ner Zeit in Toskana keine solche Abdriicke gefertigt wurden.
Dem sei indessen wie ihm wolle, die in beiden Landern gleich-
zeitig hervortretende Kenntniss, Abdriicke von Metallstichen auf
Papier zu machen, scheint mir durch diese Bertihrung aufs
Einfachste erklart.

Noch ist darauf aufmerksam zu machen, dass in Deutsch-
land, zum wenigsten so viel uns bekannt, es hauptséchlich die
Goldschmiede waren, welche im 15. und auch noch im 16. Jahr-
hundert die Kunst des Kupferstiches ausiibten, dieselbe aber
als einen Nebenzweig ihres Berufes betrachteten, daher auch
nie als Kupferstecher sich genannt oder in Documenten aufge-
fihrt werden. Der Umstand, dass in Deutschland grade sie es
ausschliesslich waren, welche die Kunst des Abdruckens von
gestochenen Metallplatten besassen, scheint noch ein Gewicht
mehr auf die Annahme zu legen, dass die Erfindung von Deutsch-
land ausgegangen ist. Der altesten Meister unseres Vater-
landes mége dann auch hier zuerst gedacht werden, wobei ich
nur bemerke, dass die rein germanische Kunstrichtung der
Kupferstichkunst in den Niederlanden, am Rhein und Ober-
deutschland als cine gemeinschaftliche im 19. Jahrhundert zu
betrachten ist, da seit Mitte dieses Jahrhunderts der Einfluss
der Eyckischen Schule auf die zeichnenden Ktinste in Deutsch-
	land ein tiberwiegender wurde. (Fortsetzung folgt.)
	Beitrag zur Kunstgeschichte des Mittelalters in
Niedersachsen.
	\Уоп Зе Luhbke.
	(Schluss. )
	Unter die Zahl der Pfeilerbasiliken ist wahrscheinlich auch
die zerstérte Abteikirche Richenberg, in der Nahe von Goss-
lar, zu rechnen, deren Einweihung in das Jahr 1131 fallt. Die-
ser Periode entsprechen auch die tbriggebliebenen Reste, nam-
lich die Krypta. Sie zerfallt in 3 Schiffe mit Kreuzgewélben,
die ihre Stitzpunkte in 6 freistchenden und 12 Wandsdulen
haben. In den brillanten Ornamenten der Kapitéle, Gesimsé
und Saulenschafte, vorwiegend Darstellungen aus der Thierwelt
enthaltend, offenbart sich ein geliuterter Formensinn, lebendige
naturgetreue Auffassung neben hoher technischer Vollkommen-
heit. Wahrscheinlich war die Kirche, dem Beispiele der Fran-
kenberger und der Marktkirche des benachbarten Gosslar ge-
mass, gewdlbt.

In Gosslar namlich finden wir mehrere Beispiele, an denen
sich die Eniwickelung des Gewélbebaues verfolgen lisst. Aus-
ser dem ehemaligen 1050 gegrimdeten Dome, der unter eine
andere Klasse von Basiliken zu rechnen ist, gehért unter die
Gewélbe—Anlagen zunachst die bisher gewohnlich zu den flach-
gedeckten gezahlte Frankenberger Kirche (1108), mit ein-