noch besitzen. Wir treffen hier schon eine gegliederte Pfeiler-
architektur an, indem die schlanken Wandpilaster mit Ecksdulen
eingefasst sind. Unter dem erhghten Chore findet sich eine auf
Saulen ruhende Krypta. Die Grundform der Kirche. ist in spa-
terer Zeit durch mehrere neben den Seitenschiffen angebrachte
Kapellen im Spitzbogenstyl entstellt worden. — Bei einem in
den letzten Jahren unternommenen Ausbau sollen alte Wand-
malereien entdeckt worden sein; auch an S. Godchard in Hil-~
desheim hat man kirzlich zahlreiche Spuren von Bemalung auf-
gefunden; am Chorumgang sind Kapitéle, Bogen, Wandpfeiler,
Halbsdulen und Nischen mit Ornamenten bemalt; die Hauptfar-
ben sind griin, weiss und blau. —

Unter den Basiliken endlich, in welchen Eine Saule mit
Einem Pfeiler wechselt, finden wir gleich in der Nahe von Gan-
dersheim die Kirche des Benediktinerklosters Klus aus dem
Jahre 1124. Zwei Thiirme an der Westseite und einer auf dem
Kreuz sind abgebrochen; das Schiff wird jederseits durch 4 Bé-
gen eingeschlossen; Querschiff und Chor sind mit Kreuzgewél-
ben bedeckt, das Mittelschiff hat noch die alte Holadecke. —
Eine gewolbte Basilika dieser Art, etwa aus der Mitte des
11. Jahrhunderts, ist die kleine Kirche zu Liigde bei Pyrmont.
Nihere Notizen fehlen.

Zum Schluss figen wir nach den miindlichen Mittheilungen
des Verfassers noch die interessante Kirche des Klosters Hei-
ningen in der Nahe von Wolffenbiittel hinzu. Eine lateinische
Insohrift gibt als das Griindungsjahr derselben das Jahr 1012
an, welcher Angabe der architektonische Charakter des Baues
entspricht. Die urspriingliche Anlage der mehrfach verstimmel~
ten Kirche war folgende. Das Mittelschiff, jederseits durch 6 Ar-.
kadenbégen von den Nebenschiffen getrennt, zeigt die bis jetzt
nur an den Kirchen zu Huyseburg, Driibeck, Ilsenburg und dem
Chore der Kirche zu Konradsburg vorgefundene sinnreiche An-
ordnung, dass die von der Saule zu den benachbarten heiden
Pfeilern gespannten Arkadenbégen durch einen gréssern von
den Pfeilern aufsteigenden Bogen eingefasst werden. Hs ist zu
bedauern, dass diese nur sporadisch auftretende Anlage, die in
wahrhaft genialer Weise die schwerfallige Wandflache des In-
nern organisch gliedert, die rhythmisch wiederkehrende Bogen-
bewegung der Gewélbe in entsprechender Weise begleitet und
wiederholt und dadurch einen Hauptmangel der Basilika besei-
tigt, nicht durchgreifender ausgebildet worden ist. Jenseits des
Querschiffs seizen sich mit dem Chore die Seitenschiffe fort bis
zu dem gewoéhnlichen Abschlusse durch die 3 Altarnischen. Wie
in Kénigslutter, Lippoldsberge und Konradsburg ist hier der Chor
mit den neben ihm fortgesetzten Seitenschiffen jederseits durch
zwei von einer Saule getragene Arkadenbégen verbunden. Durch
diese Anlage, durch die Aufhebung der den Chor noch in stren-
ger Weise abschliessenden Mauer erhielt der Grundriss der Ba-
silika eine héhere einheitlichere Durchbildung; von da bis zu
dem ganzlichen Herumfihren der verlangerten Seitenschiffe um
die Chortribine war nur ein Schritt, der, wie wir wissen, in
S. Godehard in Hildesheim gethan ist. Die Umfassungsmauer
des Chores musste nun vollends einer Saulenstellung weichen,
und die 3 nun dem Chorumgang angehérigen Tribiinen deuten
in iiberraschender Weise auf die im germanischen Styl sodann
consequent und bewusst durchgefiihrte Anlage eines Kapellen-
kranzes hin. — Eigenthiimlich war dagegen dieser Kirche die
Anordnung einer Altarnische in jedem Querschiffe, welche, in
der Dicke der Mauer liegend, nach aussen nicht hervor trat.
Die Gewdlbe der Kirche zcigen sich in den erhdéhten Theilen
als Kreuzgewdélbe, die im Mittelschiff ohne Quergurten sind; die
Mittelvierung des Kreuzschiffes hat dagegen Quergurten von er~
heblicher Breite. Gleichwohl ist tberall an den Pfeilern ein
Pilastervorsprung hinaufgefithrt, welcher oben auf einer Art
	Konsole die Gewolbe trigt. Jedenfalls lag die Ueberwolbung
der ganzen Kirche im ursprimglichen Plane, wenn auch ein
Theil der jetzt vorhandenen Gewdlbe sich als etwas spiter her-
ausstellen sollte. Die Nebenschiffe haben ausser einigen Ab-
theilungen, die im Jahre 1466 mit germanischen Kreuzgurtge-
wolben bedeckt wurden, das alte Gewélbe. Der im Westen die
Breite des Mittelschiffes einnehmende viereckige Thurm ist of-
fenbar der jiingste Theil des Baues, Die Linge der ganzen
Kirche betrigt 170, die Breite des Mittelschiffs 30, die jedes
Seitenschiffes 14 Fuss.

Die Kirche bewahrt einen grossen Schatz in einer Anzahl
von trefflich erhaltenen Teppichen aus dem 13. oder 14. Jahr-
hundert, wie es scheint, und Paramenten aus dem Ende des
	17. Jahrhunderts, unter denen einige sowolil durch das Geschmack~
	volle der Anlage, den Reichthum der Komposition, als auch
durch die hohe Ausbildung der Technik sehr beachtenswerth
sind. Die hervorragendsten unter den Teppichen haben gegen
18—20 Fuss im Quadrat; auf einem Grunde von grimer und
blauer Farbe sind in allen Abstufungen von Roth Darstellungen
gewebt: auf dem einen 14 allegorische Figuren, von denen sie-
ben durch Inschriften als verschiedene Wissenschaften und Kinste,
Grammatica, Dialectica, Geometria, Musica, Astronomia, Arith-
metrica, Rhetorica bezeichnet werden; abwechselnd mit ihnen,
schliessen Sapientia als Salomon, Intelligentia als David, Con-
silium, Fortitudo als Simson, Scientia, Pietas als Moses, Timor
als Hiob, den Kreis. Der andre Teppich zeigt in ahnlicher An-
ordnung 12 Sibyllen. —

Fassen wir das uns nun dargebotene Material noch einmal
zum Ueberblick ins Auge, so ergiebt sich die. Zahl der Basili~
kenanlagen, mit Einschluss der bereits bekannten, auf 32. Von
diesen ist die eine Halfte flach gedeckt, die andere ganz (oder
bei einigen theilweise) gewélbt; und zwar gewilbte Basiliken
des 11. Jahrhunderis: 4, der ersten Halfte des {2ten: 5, der
zweiten Halfte ebenfalls 5. Kryptenanlagen zeigen 11 Kirchen;
bei einigen der dltesten ziehen diese, wie in Gernrode und der
Schlosskirche zu Quedlinburg, sich unter dem ganzen Quer-
	‘schiff hin; wahrend andere, wie der Hildesheimer Dom, sich
	nur auf den Milttelraum des Querschiffes mit erstrecken, und
Фе Метла пог den Chor selbst durch eine Krypta erhoht.
Forisetzungen der Seitenschiffe finden wir in Hamersleben, Lip-
poldsberge, Kénigslutter, Konradsburg, Heiningen, S. Godehard
in Hildesheim, meistens dem 12. Jahrhundert angehorend; west-
liche Emporen in Groningen, Gernrode, Bursfelde, Frose, Heck-

lingen, Fredelsloh (doppelte?), Kénigslutter, Lippoldsberge, Gan-
dersheim (hier dusserlich als zweites Querschiff bemerkbar).
	Der Zustand der bildenden Kunst im Herzogthum Nassau,
und die zu ihrer Pilege gegriindete ,, Gesellschaft von
Freunden bildender Kunst“ zu Wiesbaden.
	Das von dem Schépfer so reich gesegnete Nassau besiltzt
eine nicht unbedeutende Anzahl architektonischer und monumen~
taler Werke, und liefert dadurch den Beweis, dass seine Be-
wohner schon von frihster Zeit an mit kinstlerischem Blicke
die von der Natur gegebenen Fingerzeige aufzufassen, die land-
schaftlichen reichen Scenerien zu verschénern verslanden, Wah-
rend ein Theil der machtigen Grundherren seine Burgen und
Schlosser auf fernhin ragenden, steilen, und darum fiir die Si-
	cherheit der Bewohner vorzugsweise geeigneten Bergesgipleln
erbaute, erwdhlte ein anderer Theil in achter Kinstlerweise
	romantische Punkte zur Grindung seiner Wohnungen. In glei-
cher Art, wie die letzteren, verfuhren die Stifter der zahl-