reichen nassauischen Kléster, welche, meistentheils in lieblichen
und abgeschlossenen Wiesenthalern, fern von den grossen Heer-
strassen, die zu Goltes Verherrlichung bestimmten Tempel in-
nerhalb jener von der Natur zu gleichem Zwecke errichteten
Prachtiempel baueten. — Wenig gekannt ist noch, was Nassaus
Grenzen an Denkmialern aus grauer Vorzeit umschliessen, und
es ist daher Mitvorwurf dieser Zeilen, nicht etwa dieselben zu
beschreiben, sondern lediglich auf sie aufmerksam zu machen.

Wenn auch eine grosse Zahl der Burgen und Schlésser in
Triimmern liegt, und in diesem Zustande mehr Befriedigung
dem Freunde des Pittoresken und dem ausfiihrenden Kiinstler
als dem Kunstforscher und -historiker darbietet, so verdienen
die vorhandenen Restle dennoch, und zwar mit geringer Aus-
	nahme, auch in Bezug auf ihre Architektur eine genauere Un-
	tersuchung und cine ausgedehntere Wiirdigung, .als ihnen bis-
her 2u Theil geworden ist. Sowohl fiir die Entwickelung der
Bauslyle, als auch fiir die Geschmacksrichtung der einzelnen
Epochen, wie nicht minder fir die Ausbildung des Decorativen
sind sie treffliche Studien und Belege. Wo findet sich noch-
mals cin etwa 80 Quadratmeilen umfassendes Landchen, wel-
ches wie Nassau gegen 90 Burgen und Schlosser aus der Zeit
vom 9ten bis zum 18. Jahrhundert aufzuweisen verméchte. Un-
ter ihnen sind Perlen ersten Ranges. Wir erinnern nur an
Reichenberg, erbaut um 1280, eine der merkwirdigsten Burgen
Deutschlands, die ganz in orientalischer Art ohne Dacher und
blos in tiberwélbien Réaumen, geschmiickt mit 2  schlanken,
héchst eigenthiimlich gcformten Thiirmen, aufgefiihrt war, und
deren Kreuzgewolbe in mehreren tiber einander liegenden Stock-
werken auf Séulen ruhten. Wir erwihnen ferner, die noch
wohlerhaltene Marxburg, die prachtvollen Ueberreste von Ho-
henstein, die Brémserburg in Riidesheim u.s.w. Ausser an
diesen Burgen ist aber noch vielfache Atsbeute an zahlreichen
Umfassungsmauern von Stadten und Dérfern, und deren Mauer-
thiirmen zu machen.

Fir lohnende Studien eignen sich ferner in seltenem Masse
die noch vorhandenen Kléster und Kirchen.
‘  - Unter den Kléstern nehmen unstreitig Eberbach (gestiftet
1131), Arnstein (gestiftet 1139) und Marienstadt (gestiftet 1226)
den ersten Rang ein. In Eberbach sind der Kapitelsaal, das gross-
artige Dormitorium, so wie die beiden Kirchen, Werke von hoher
architektonischer Bedeutung. Die in der, jetzt noch zum Gol-
tesdienst benutzten grésseren Kirche vorhandenen Grabdenk-
male miissen insbesondere erwahnt werden. Die Kirchen der
Kléster Arnstein und Marienstadt verdienen nicht mindere Auf-
merksamkeit, namentlich die letztere.

Die alte Kirche zu Hochst, deren Erbauung etwa in das
9. oder 10. Jahrhundert zu setzen ist, der prachtige byzanti-
nische Dom zu Limburg, die archdologisch interessante Kirche
zu Dietkirchen, sowie die leider mit raschen Schritien ihrem
ginzlichen Verfalle entgegen gehende herrliche byzantinische
Johanniskirche bei Lahnstein sind héchst merkwirdige Ueber-
reste jener Zeiten, sowohl fiir den Architekten als den Historiker.

Wenn gleich die Zahl der gothischen Monumente geringer
ist, und unter ilmen sich keine befinden, welche mit den Bau-
werken anderer Gegenden aus jener Epoche, in der die Dome
zu Koln, Strassburg, Freiburg u.s.w. enlstanden, an Umfang
und Reichthum wetteifern kénnen, so behauptet doch die schon
erwihnte Abteikirche zu Marienstadt, die Valentinskirche zu Kie-
drich, so wie die daselbst befindliche Michaelskapelle einen eh-
renvollen Platz, und .die Holzschnitzereien an den Stiihlen der
ebenerwahnten Valentinskirche und am Allare der Kirche zu
Lorch sind wegen des Reichthums der Erfindung und der Zier-
lichkeit der Ausfithrung der Beachtung werth.

Auch im 18. und 19. Jahrhundert ist fiir Architektur und
	sculptur Manches im Nassauischen geschehen. Yon grosseren
Gebiuden sind anzufiihren die Kirchen zu Idstein und Weil-
Бато, das Schloss zu Biebrich, die Orangeriegebiude am Schloss
	  zu Weilburg, die dortige Lahnbrticke, die Cursale zu Wies-
	baden und Ems, das Palais des Herzogs in Wiesbaden, die
Villa der verwittwelen Frau Herzogin daselbst, das Ministerial-
gebiude, die katholische Kirche in Wiesbaden u. a. m.

Die beiden Tanzerinnen im Speisesaale des herzogl. Palais
in Wiesbaden von Schwanthaler, manche der im Cursaale da-
selbst aufgestellten Marmorfiguren, die Bilderwerke von Hof-
mann auf dem Hauptaltare der katholischen Kirche zu Wiesba-
den verdienen ebenfalls eine ehrenvolle Erwahnung.

So reich das Feld der Bau- und selbst der Bildhauerkunst,
wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, schon in der frihesten
Zeit bebaut worden ist; nicht in gleichem Maasse war es mit
der Malerei der Fall. Ob die Liebe fiir diesen Zweig der bil-
denden Kunst ehemals in hiesiger Gegend nur schwache Wurzel
geschlagen hatte, oder ob das vorhanden Gewesene theilweise
untergegangen ist, mtissen wir dahin gestellt sein lassen, da
urkundliche Nachrichten dartiber nicht vorliegen. Doch auch
hier ist Einzelnes zu nennen. Der im Dome zu Limburg vor-
handene Reliquienkasten, jedenfalls ein sehr altes, wahrschein-
lich griechisches Werk aus dem 10. oder 11. Jahrhundert, ist
mit schénen Emailarbeiten und werthvollen Malereien versehen.

Im Archive zu Idstein, sowie auch auf der Landesbiblio-
thek zu Wiesbaden finden sich einige Manuscripte ziemlich
friiher Zeif mit Miniaturen. Manche gute, ja sogar vorireffliche
Bilder aus alterer Zeit sind in den herzogl]. Schléssern zu Weil-
burg und Biebrich, in der 6ffentlichen Gemaldesammlung zu
Wiesbaden, in der katholischen Kirche daselbst, in der Kirche
zu Dausenau, in den Sammlungen des Grafen von Walderdorf
zu Molsberg, des Hrn. y. Essen und des Bildhauers Gerth zu
Wiesbaden, des Hofapothekers Schreiner zu Biebrich, des Haus-
verwalters Hasslacher zu Ems, des Doctor Sandberger zu Weil-
Виго п. $. №.

An Gemalden neuerer Meister findet sich manches Ausge-
zeichnete bei Kunstliebhabern hier und da im Lande zerstreut.
Von grisseren Werken sind zu erwaéhnen die im hiesigen Herz.
Nassau vom Hofmaler Pose aus Disseldorf ausgefihrten zahl-
reichen Decorationsmalereien, eine herrliche Madonna von
Steinle, so wie der heilige Bonifacius von Rethel in der
katholischen Kirche zu Wiesbaden. (Schluss folgt.)
	aeitung.
	Berlin, im Mai. Bekannilich ist zu der im nachsten Jahre
in London stattfindenden grossen Kunst- und Gewerbe-Aus-
stellung auch ein Gips-Modell der Kiss’schen Amazone, welche
die eine Seite des Treppen~Aufganges zum hiesigen k. Museum
schmiickt, bestimmt. Da indess der Transport dieses Modells
in Gips sich nicht gut bewerkstelligen lassen wiirde, so lasst
Prof. Kiss jetzt in der Werkstatt des Hrn. Geiss, auf seine Ko-
slen, nach dem treuen Modell der Amazone diese in Composi-
tions ~ Metall giessen und ciseliren. Das Kunstwerk soll bereits
im October d. J. vollendet sein und dann nach London gesen-
det werden. Das Denkmal des hochseel, Konigs Friedrich Wil-
helm I, welches Hr. Kiss fiir die Stadt Kénigsberg in Pr. an-
fertigt, und das in Lauchhammer gegossen und ciselirt wird,
soll im niachsten Jahre aufgestellt werden.

Der Kaiser von Russland hat dem Herausgeber der ,,Pom-
pejanischen Wandgemilde*, Hofrath Ternite, fir die Zueig-
nung des siebenten Hefts des Werkes (den Heroén~Cyklus ent-
haltend) einen kostbaren Brillant-Ring einhandigen lassen. (B.N.)