Gewandern, namentlich denen des Rheins, die sehr hartfaltig sind, haben wir mehr Milde und Natitirlichkeit zu wiinschen. Eire reiche Phantasie, die Nichts an dem einmal ergriffenen Stoff unausgebeutet lasst, ein feiner Sinn fir Gruppengestaltung und Anordnung, das ist auf dem Schwind’schen Bilde dasjenige, was zur Betrachiung ecinladet. Von Friedrich Kaulbach, einem jiingeren Vetter Wil- helm’s, ist cine , Desdemona“ ausgestellt. Es ist der Moment, da der eiferstichtige Gemahl in der Nacht mit dem geziickten Dolch aus einem rothen Vorhang des Hintergrundes hervor an das Bett der Schlummernden tritt, um sie zu ermorden. In der Linken halt er eine Laterne, deren voller Schein iiber die schéne Gestalt der Gattin und riickwirts auf sein dunkles, von Leidenschaft verzerrtes, Antlitz fallt. Diese Beleuchtung oder vielmehr dies Beleuchten hat auf uns immer den Eindruck des Absichtlichen gemacht. Die Ursache davon liegt wohl darin, dass es ein sich aufdrangendes und zugleich doch kein in der Situation nothwendig begriindetes Motiv ist. Sehr weise wihlle der Kiinstler, indem er die Schlusscatastrophe der Geschichte des Mohren von Venedig zu malen unternahm, den Moment vor der That, den Moment, wo Othello seine Frau zu wecken kommt, um sein Richteramt gegen sie zu vollziehn, denn als Richter schildert ihn Shakespeare sehr treffend, im Anfang die- ser Scene bis wiederum Schritt um Schritt die Leidenschaft die Oberhand gewinnt. Othello will also die That zu einem Act der ausibenden Gerechtigkeit machen. Desdemona soll mit vollem Bewusstsein dabei sein. Das Alles ist auch nothwendig, wenn wir den wackern Mohren bemitleiden und nicht verab- scheuen sollen. —- Zugestanden nun, dass es schwer sei, was der dramatische Dichter in einem Monolog den Helden @Ъег seine Intention sagen lasst, durch die blosse Erscheinung des Mohren auszudrticken, so hat der Maler die mildernden Motive versiumt und unvortheilhafte herbeigezogen. Sein Mohr kommt uns vor, wie ein lauerndes Thier, das sein entselzliches Ge- schaft beim Schimmer einer Handlaterne abthun will. Dazu hat Kaulbach ihn von Antlitz hasslicher gemacht, als Noth that; er konnte noch viel schéner sein, eh’ der Kinstler unwahr wurde. Meint ihr denn, wird hier vielleicht der Kinstler fragen, ein Othello diirfe und kénne nur nach Shakespeare gemalt werden? — Er darf gewiss auch anders, ob er aber kann, das fragt sich sehr. In der Charakterauffassung des Mohren doch um Himmels Willen nur keinen Unterschied von dem Dichter, nur keinen Banditen, statt eines Helden. Und fiir die specielle Situation hier wir’ eine Anfrage des Malers bei dem Dichter auch sehr forderlich gewesen. Die Beleuchtung, dem Dichter nebensichlich, war fiir den Maler eine allerdings wichtigere Frage und gerade diese Frage diinkt uns am leichtesten auch von dem Dichter ftir den Maler gelést. Warum lasst der Maler auf dem Nachttische kein Licht brennen, welches den hellen Schein auf die schlafende Gestalt wirft? dann ware auch das halbgedéffnete Buch motivirter, dann kime Othello im Halbdunkel zu stehen, welches wir fir keinen ungiinstigen Effect gehalten hitten, dann brauchte er nicht Laternentrager zu sein, sondern konnte seine Hand ausstrecken, um sein Opfer fir die letzte Unterre- dung zu wecken. Hier auf dem Bilde geht das Damonische des Othello unter in dem Gewéhnlichen. Wir sind deswegen hier so ausfithrlich gewesen, um einen Beleg zu der oben ausgesprochenen Ansicht zu geben, dass unsere Maler sich in naher Bekanntschaft mit den dramatischen Meisterstiicken der Literatur halten miissten, nicht etwa, damit sie ohne weilere Anstrengeng Scenen aus den Dramen malen, wo sie dusserlich praparirt erscheinen, wie 2. B. die bekannte Scene in Egmont, die aus den ausserlichen Griinden der vom Dichter gegebenen Gruppirung und weil Egmont einmal auf spanisch kommen musste, der Malerei zinige tausend unsicht- bare Fussschemel und halbsichtbare Lehnstille und nebenbei mehr Sammt und Atlas, als zehn Menschen in ihrem Leben ab- tragen kénnen, gekostet hat — sondern damil sie dag innerste Wesen der historischen Gestalten auf irgend eine Art, und zwar bei den Meistern meisterhafi, dramatisch umgegossen, also kiinst- lerisch vorbereitet, tberliefert erhalten. Was die weitere Aus— fiihrung betrifft, so ist die Desdemona, diese holde Blithe, die sich nach der Warme der Liebessonne sehnte und von der Glut des Feuers der Leidenschaft versengt wurde, dem Kistler sehr gelungen. Das ist ihr letzter Traum, der da um die geréthete Wange spielt, denn ihr nachster Schlaf wird der ewige sein, der auch den Traum des Lebens ausléscht. Die technische Durchfiihrung ist sehr fleissig und sorgfaltig, die Falten der seidenen Decke sind fast ein wenig zu briichig, in der Far- bung herrscht das Rothe zu sehr vor und wir sehen keinen Grund, warum der Kunstler beides, Vorhang und Decken, von dieser, wenn auch niiancirten Farbe genommen hat. Noch miissen wir Grinlers Bild: ,,Napoleon, der die Ab- dankungsurkunde zu Fontainebleau unterschreibt,* als ein in grossen Dimensionen ausgefihrtes nennen, Iehnen indess die Besprechung ab und verweisen unsere Leser auf eine verbes- serte Auflage desselben in der illustrirten Zeitung. Aus unserer Betrachtungsweise der historischen Gemalde unserer Ausstellung, ergiebt sich also, dass wir weder in einer yorwiegend gedankenhaften Verarbeitung des Stoffes, die ihre Zuflucht so oft zum Symbol und zur Allegorie nehmen muss und mehr leisten will als die Malerei thun kann, noch in einer hergebrachten Stylhuldigung, welche sich eine villige Hinge- bung an den Stoff erspart, das Hauptgewicht auf die Formen legt und somit weniger leistet, als die Malerei vermag, die wahre Ausdrucksweise der Geschichtsmalerei finden. Vielmehr liegt dieselbe fir uns darin, dass sie einfach und reell ihren Stoff auf der Bihne der Geschichte selber, nicht etwa auf dem Gebiete der philosophischen Betrachtung derselben aufsucht, ihre Reprasentanten aber mit Saft und Mark ausstattet und mit dem Gewande historischer Realitét bekleidet. Wahit sie dann dazu noch Stoffe aus denjenigen Zeiten, deren bewegende Ideen in anderer Potenz in der Gegenwart wieder Gellung und Interesse erlangt haben, taucht uns aus den Bildern die Portraitgewalt des Zeit- und Kostiimstudiums entgegen, so mtiissen wir le- bensvolle und lebensfrische Historienbilder haben, welche der begeisternden, tief eingreifenden Wirkung nicht entbehren wer- den, mit der jedes echte Kunstwerk die Seele eines jeden Be- schauers berthrt, ,der eines Menschen glicklich Antlitz tragt.“ Das ist nun, um jetzt zur Genremalerei tberzugehen, auf diesem Darstellungsgebiete auch nicht anders. So wie ein Volk in der Historienmalerei die wichiigen und grossen Vorfalle sei- nes Offentlichen Lebens noch einmal vorgefihrt haben will, — Erinnerungsdenkmale, an denen es sich fiir das Allgemeine erwarmt und begeistert, und fir die es sich so wohl schickt, wenn sie, in grossen Dimensionen ausgefiihrt, die fusseren und inneren Winde der 6ffentlichen Gebaude schmiicken, die Jedem zuganglich sind, und in denen das 6ffentliche Leben sich ab- spielt, — eben so licbt man es, das hausliche und biirgerliche Leben in seinen verschiedenen Situalionen, in seiner heiteren und gemithlichen, seiner komischen und ernsten Seite abge- schildert zu sehen, und mit diesen erbaulichen und erfreuenden Schildereien die Wande des Wohnhauses zu zieren. Hier hat sich nun in neuerer Zeit eine Richtung geltend gemacht, die, von diesem natiirlichen Verhadltniss abgehend, sich eine Aufgabe vorsetzt, welche zu lésen nicht eigentlich Sache der Malerei ist, wit meinen — die Tendenzmalerei. Wir dtirfen dic Unter- suchung, welchen Werth jene habe, welche Stellung sie ein-