Dewiiches
	a4eitung
fiir bildende Kunst und Baukunst.
	‚ОПИФА.
	© rg ап
der deutschen Kunstvereine,
	Unter Mitwirkung von
	Kugier in Berlin — Passavant in Frankfuri’ — Waagen in Berlin — Wiegmann in Diisseldorf — Schnaase
in Berlin — Schulz in Dresden — FPGrster in Minchen — Bitelberger v. Edelberg in Wien
		Die diesjahrige Berliner Aussteliung.
	(Fortsetzung.)
	redigirt von Dr. F. Eggers in Berlin.
	Montag, den 17. Juni.
	Uebertreibung litt, welche uns nur bei der Satyre anzumuthen
pflegt. Im Uebrigen bewahrt darin der Kiinstler jene verstand-
liche und bestimmte Charakteristik der handelnden Personen,
die wir an ihm kennen und schatzen.

Drittens endlich bemerkten wir einen Anlauf zu einer
salyrischen Behandlung der Neuzeit. So nennen wir namlich
ein Bild Hasenclever’s: ,,Arbeiter und Stadtrath,“ das trotz
seiner ttichligen Ausftihrung (in nicht unbedeutender Dimen-
sion) slets einen gemischten, unklaren Eindruck auf uns ge-
macht hat. Es sind so viele komische, wahre und halbwahre,
treue und charakteristische, alte und neue Ziige und Einzel-
heiten in der Darstellung, dass es tiber all diese Dinge zu
keinem Gesammteindruck, dass man zu keiner Ueberzeugung
von der Intention des Kinstlers kommt. Die Scene spielt in
einem Rathhaussale, durch dessen gedffnete hohe Fenster man
die Strassenphysiognomie des Jahres 1848 sieht, wogende Volks-
massen, auftauchende Redner, deutsche Fahnen u.:s. w. Drin-
nen aber haben wir zwei Gruppen: rechts ein schwitzender,
verlegener, etwas zopliger und mit satyrischer Laune geschil-
derter Stadirath, links eine Arbeiterdepulation, Jauter charak-
teristische Figuren, wie von der Strasse genommen, ehrliche
gutmithige Sceelen, mit frischgewachsenem Barte, leidenschaft-
lich aufgeregte Jiingere, indifferentere Alle u.s.w. Da kénnte
man glauben, es sei auf einen Gegensatz abgesehen und durch<
aus nicht unklar, welchen von beiden Theilen der satyrische
Maler treffen will. Allein dem widersprechen andere Ziige, wie
z. B. das verwahrloste Portrait des Reichsverwesers, das er
ganz verwunderlich auf die Eintretenden schauen lasst, der Volks-
freund, der hinter der Deputation quasi als Souffleur agirt u. s. w.
Durch dieses Moliv, das also zeigt, wic der Stadtrath sich ei-
gentlich nur vor einer am Drath gezogenen Puppe fiirchtet, nimmt
es die Wendung, als habe der Maler zu einer Satyre auf die
ganze Zeit als solche angesetzt und sich doch ein wenig davor
gescheut. Wir unsererseits wiissten auch nicht, wo ein Mitle-
bender den Muth und den Hnmor dazu hernehmen wollte. Wie
gut aber die in ihr auftauchenden komischen Elemente zur An-
schauung gebracht und ausgebeutet werden kénnen, davon giebt
и. a. der Piepmeier von Schridter das beste Beispiel, fir den
auch in sciner Erscheinungsform die leichte scharfe Linie des
Zeichenstifis gewahlt ist, und der also nicht in der Umstind~
lichkeit eines sorgfaltig gearbeiteten grossen Oelgemiildes auf-
ти. In der sehr fleissigen Ausfiihrung bewahrt der Kiinstler
	durchaus sein bekanntes Talent, das tberall eine gewisse пашт-
` 91
	Vie zu erwarten war, fehlte es nicht an Gemalden, die
ihren Stoff aus der bewegten Zeit der letzten Jahre schdpften.
Man konnte in der Besilzergreifung desselben eine dreifache
Art unterscheiden. Zuerst gab es Bilder, welche, nur aus
kiinstlerischem Interesse entstanden, mehr oder minder gliick-
liche Beobachtungsresultate genannt werden konnten und die
Eigenthiimlichkeiten der Zeit, wie sie in der aussern Erschei-
nung an den Tag traten, aulnahmen und wiedergaben. Wir
fihren folgende Beispicle an. Most schilderte eine , Urwah-
lerversammlung.“ Ein gliicklicher Griff aus dem Leben. Von
dem Wahlkandidaten an, der von der improvisirten Rednerbihne,
einer hélzernen Bank, herab, augenscheinlich mit nicht gerin-
gem Aufwande von gestikulirender Rhetorik sein Glaubensbe~
kenntniss ablegt, bis zu dem Letzten der zahlreich zusammen-
getretenen Zuhérerschaft ist das Bild voll charakteristischer
Figuren, welche bezeugen, dass der Maler ,mit Nutzen den
politischen Cursum mit durchschmaruizt* hat. Fir die Mitbir~
ger des Malers, die Stettiner, soll das Bild noch das Interesse
haben, dass es voll der gelungensten Portraits steckt. Hose-
mann hatle eine Gruppe Rehberger gebracht; so hiessen jene,
zum Theil kraftigen, nicht unmalerischen Gestalten, welche, mit
bebanderten Strohhiiten geschmiickt, in der Marzzeit unter Ge-
sang an den mit Fabnen geputzten Rammen der Spree zu arbei-
ten pflegten, deren erhdéhte Stimmung freilich milunter zweifel-
haften Ursprungs war und vom Weine der Zeilideen und von
einem gewissen Wasser zugleich herrithren mochte, wie denn
der Maler das auch angedeutet hat. Die tbrigen Bilder des
fleissigen Mlustrators zeigten, wie wir es von ihm gewohnt sind,
irgend welche Figiirchen aus dem Leben in einer treffenden,
oft gemiithlich ~komischen Situation. F. l’Allemand aus Wien
gab eine sorgfillig und fein ausgefihrte Scene aus den Octo-
bertagen 1848 von Wien: bivouakirende Kroaten.

Eine zweile Art der-Bearbeitung des Zeitstoffes lag in
dem Bilde von Ebers aus Breslau, das einen Bauerhof dar-
stellt, auf welchem ein Freischarler den zum Rekruten be-
stimmlen Sohn des Hauses fiir sich anwerben will, wahrend die
Familie des Unschliissigen sich ihm mit aller Macht widersetzt.
Die Art der Auffassung machle das Bild zu cinem Partei-, mit-
hin zu einem Zweckbilde, das also an einer unbehaglichen