der Stoffe uberwiegt und verlangt fir sich Anerkennung. Die- ses bewiesen auch die Bilder von L. v. Hagn, Familienbeisam- mensein im Innern, mit kraftigem Pinsel in frischer Farbung gemalt und von guter Wirkung. Ferner hatte Ed. Rabe wie- der von seinen kleinen lebensvollen Scenen ausgestellt, welche fréhliche Herren und Damen, auch im niederlandischen Costiim, draussen bald vor einein Wirthshause, bald auf der Jagd u. s. w. schildern. Auch Pistorius hatte eine niederlindische Garten- gesellschaft geliefert. Hierher ist auch Morhagen zu rech- nen, insofern es ihm in seiner , Brautschmickung* nicht auf den Stoff, sondern auf die Stoffe ankommt, wo er denn in der That auch eine seltene Virtuositat bekundet. Geschmeide aller Art, leicht zu verwechselnde Stoffe, wie Blonden und Spitzen, ferner Seide, Sammet, Alles in grésster Vollendung. Weil es eine traurige Braut ist — der Maler hat sie Lucia von Lammermoor genannt — so musste sie bleich aussehen, da ist denn aber der Kiinstler ein wenig zu sehr ins Blaue gerathen. Von Fr. Boser in Disseldorf sahen wir ein sehr anspre- chendes, solide gemaltes Bild ,die beiden kleinen Blumenver- kduferinnen“, Henning brachte contemplative Ménche, Hell- wig allerliebste Rokkokokinder am Springbrunnen. Noch nen- nen wir B. Goldschmidt, mit einer Scene aus den Thaten des scharfsinnigen Junkers von La Mancha, Antonie Volkmar, eine Schiilerin Schrader’s, v. Rentzell, Ewald, J. Weyde und Pommerenke mit recht tiichtigen Leistungen. In unserm niachsten Artikel werden wir die Betrachlung der plastischen Werke einschieben und dann wieder auf die Gemalde zurickkommen. (Forts. folst.) Е. Е. Photographie auf Papier. Yor eimger Zeit. war das belgische Ministerium zur Unter- stitzung einer gréssern Unternehmung in diesem Zweige der vervielfaltigenden Kunst aufgefordert worden. Der deshalb von einer Commission durch Hrn. Ernst Buschmann gegebene Bericht enthalt so interessante Mittheilungen, dass wir sie un- sern Lesern nicht. vorenthalten kénnen: Die Wissenschaft der Photographie auf Papier — denn die Photographie ist weit eher cine Wissenschaft als eine Kunst — hat das, namentlich fir unsere Zeit, Sonderbare, dass sie sich nicht in den Biichern findet. In einer Zeit allgemeiner Mittheilung und Oeffentlichkeit ist die Photographie auf Papier — nicht die Photographie auf Me- tallplatten, die zum Gemeingut geworden — von demselben Ge~ heimniss wie die uralten Lehren der Osiris— und Buddha-Prie- ster umgeben. Die Ursache davon beruht auf gewissen Ver- schweigungen, welche die Verfasser photographischer Abhand- lungen bei der Auseinandersetzung ihrer Verfahrungsweise sich erlauben, und welche hinreichen, um jede Art von Erfolg zu lahmen. Ich habe mich davon tiberzeugt, indem ich ausser den gewohnlichen Verfahrungsweisen, dicjenigen versucht habe, welche das ammoniak-citronsaure Eisen- Salz, das atzende Su- blimat, die Eisen-Weinsteinsdure, das schwefelgesiuerte Kupfer u. s. w. zur Grundlage haben. Es ergiebt sich aus diesem Sach- verhalt, dass man selbst forschen, studiren und experimentiren muss, wenn man zu einem Ergebniss gelangen will, es sei denn, dass man durch cinen Adepten in die Wissenschaft ein- geweiht sei; und ich weiss, wie viel Arbeit, Versuche und Tauschungen diese abenteuerlichen Forschungen mit sich fithren. Wenn ferner selbst die Angaben der sehr sellencn Autoren, die ein wenig mehr Aufrichtigkeit zeigen, zwar einerseits cinige Genauigkeit in den Formeln gewahren, so entbehren sie an- drerseits dieselbe steis bei den Handgriffen, die doch von so getreue Realitét zur Geltung kommen Iasst. — In einem andern Bilde: ,Bauern im besten Gasthaus, bei Theilung des Lotterie- Gewinnstes*, hat der Maler wieder seine beliebte Lampenbe- leuchtung von oben angewandt, die wir aber diesmal minder gelungen finden mussten, als wir von Hasenclever gewohnt sind. Vortrefflich sind manche bezeichnende Motive der Situation her- ausgestellt. In Hemdérmeln hat cin wohlbeleibter Theilhaber die sichere Arbeit der Vertheilung des goldenen Schatzes tiber- nommen. Mit den Augen der Habgier sieht ihm ein anderer zu, der seinen Antheil mit beiden Armen hiitet. Der Rest giebt sich einstweilen den Vorbereitungen zu den Tafelfreuden hin. Der Eine umarmt in seiner Seligkeit seinen Nachbar und den Kellner zugleich, wodurch er jenen fast erwiirgt und diesem seine Champagnerglaser vom Brette stisst. Noch ein Anderer miht sich, der Champagnerflasche ihren eigensinnigen Pfropf durch den Korkzieher zu nehmen. Hasenclever pflegt sonst nicht so leicht irgend eine Seite seines Stoffes unausgebeutet zu lassen, und so hat es uns gewundert, dass er bei dieser Ge- legenheit keinen Austernesser angebracht hat und dass er nicht tiefer in die héchst amiisante Naturgeschichte der Kellner hin- eingriff, um ein Paar eigenthiimlichere Figuren zu schaffen, als diese zwei ganz gleich aussehenden. Vielleicht liegt es an des Kinsilers Bestreben zugleich Sittenmaler zu sein, wahrend nach unserer Empfindung hier die harmlose Thorheit allein ohne jene Beigabe der hasslichen Leidenschaft behaglicher gewirkt hiite. In den letzten Tagen der Ausstellung erschien noch ein Bild von Meyer von Bremen, woyvon sich schon in der vorigen Nummer unseres Blattes von unserm Herrn Berichterstatter in Bremen eine Andeutung findet. Wir sahen bisher nur die ar- ligsten, stets mit grossem praktischen Sinne behandelten Genre- bilder kleinerer Dimension von diesem fruchtbaren Kistler. Hier erschien ein grésseres. Links im Bilde hangt an einem wenig vortretenden grossen Baume ein Marienbild. Davor kniet eine Mutter mit ihren Kindern. Muttergebet an eine Mutter ge- richtet. Wie vertrauensvoll und herzinnig muss das sein, und ist es hier in der That. Das Jingste hat sie noch im Arme; ein Anderes henutzt die kurze Rast und sammelt sich von den Blumen, womit der flache, kiessandige Vordergrund bedeckt ist. Aber die alteren zwei mit ihren frommen, kindlich verstdndi- gen Gesichtern, sind mit hingeknieet, so bescheiden, als ob sie gar nicht ahneten, dass gerade ihrer das Himmelreich sei. Und die Frau ist im Ausdrucke so glaubensreich und schicksalsstark. Was mag sie haben? —- Ihr Mann ist nicht dabei. Das wird es sein. Vielleicht wird er bald hingehen, wie die hinschei- dende Sonne, oder ist gar schon hingegangen. — Diese Sonne iberwirft den ganzen Hintergrund, der in der flachen Gegend aus Himmel besteht, mit einem blassgelben Schimmer, gegen den sich die Gestalten mit wunderbarer Rundung abheben. Die- ser Schein ist ein wenig schwer und etwas mehr Farbe, als Luft und Duft, wogegen die Schattentine an der Vorderseite der Figuren wieder ungemein gelungen sind und die Modellirung sehr unterstitzen. Meisterhaft ist auch der Vordergrund aus- gefiihrt, der ganz den Charakter der flachen Gegenden tragt, denen er enlnommen ist. Die gemiithvolle Innigkeit der Dar- stellung lasst uns lief in eine schéne Kinstlerseele hineinschauen. Darf iberhaupt der Vorgang in einem Genrebilde von. der geringsten dramatischen Wichtigkeit und Bedeutung sein, so hat sich insbesondere die niederlindische Malerei dieses Recht be- wahrt, wo mehr als bei uns heulzutage die blosse Existenz voligiiltiger Stoff war. Und so geschicht es, dass wir es schon gelten lassen, wenn unsere Maler die Muttersprache der Gen- remalerei reden, d. h. niederlandische Figuren malen, und nicht lange nach der Handlung fragen. Das malerische Kostiim tragt wohl mit dazu bei, die Lust an der gelreuen Nachbildung