dar. Es ist das Imere der Grabeshdhle; der Engel sitzt auf dem Rande des offenen Grabes, mit der einen Hand in das~ selbe, mit der andern nach oben deutend; Maria Magdalena ist néher herangetreten und schaut in das Grab; die beiden andern Frauen stehen am Eigang der Hohle. Composition, Auffassung und Durchfiihrung lassen ganz jene alterthiimlich stylmassige Richtung erkennen, die in Overbeck ihren Hauptvertreter fin~ det. Das Original ist, in der Grésse des Stiches, sorgfaltigst in Wasserfarbe ausgefithrt; der letztere, von F. Schréder herrtthrend, zeichnet sich durch eine zarte, sinnig ecingehende Behandlung aus, der Weise der kleinen Kupferstiche von ahn- licher Dimension nahe verwandt, welche von dem ,,Verein zur Verbreitung religiéser Bilder in Diisseldorf“ ausgehen. Das Blatt gehért einer Richtung an, die wir als antiquirt betrachten, die wir mit Entschiedenheit von ung weisen miis- sen, wenn sie sich uns als cine dauernd giiltige aufdrangen will. Ihre conventionellen Formen sind nicht geeignet, den Vollgehalt des Lebens, auf den gerade unser heutiges ktinst- lerisches, wie sittliches Leben uns hinfihrt, zur Erscheinung zu bringen. Auch E. Speckter hatte dies spater, bei der Er- starkung seines kiinstlerischen Willens, bei der Erweiterung seines kiinstlerischen Gesichiskreises, sehr wohl erkannt. Wohl aber hatte diese Richtung zu ihrer Zeit, als Durchgangs- und Entwickelungs—~Moment, ihre Nothwendigkeit, thr Recht fir sich. Sie war der bestimmte Ausdruck eines eben erwachen- den, tiefsinnig jugendlichen Gemiithes, — einer zarten religié- sen Sentimentalitat, die dem jugendlichen Auge oft eine so eigenthiimliche Schénheit giebt. Und wo kiinstlerische Werke aus solcher achten Jugendlichkeit geboren sind und ihren Stem- pel tragen, da allerdings werden wir mit herzlicher Theilnahme immer auch bei ihnen gern verweilen. Da sind ihre conven- tionellen Formen nur das dussere Gewand liebenswiirdiger Sub- jectivitat; da ist es die Wahrheit der letzteren, die uns fesselt und den Anspruch auf den thatsachlichen Ernst dessen, was vorgefithrt werden sollte, fern halt. So in den Reprasentanten ganzer jugendlicher Epochen, wie in Fiesole oder den Meistern der allkélnischen Malerschule, — so in den Jugendarbeiten ein- zelner grosser Kiinstler, die sich zur Vollendung emporgerun~ gen, z. B. Raphaels. Und eben dies acht Jugendliche, fast Kindliche in dem nach E. Speckter gestochenen Blattchen, die keusche, zarte Sentimentalitét, die sich hier nur als junge Blithe giebt und die kinftige Frucht ahnen lasst, schafft dem- selben den eigenthtimlichen Reiz und macht es zu einem achten Reprasentanien eines Strebens, das zu seiner Zeit die Geister der edelsten Jiinger der Kunst erfillte und das wir heutiges Tages nur — aber freilich mit allem Ernst — zu bekampfen haben, wenn es in greisenhafter Erstarrung dem stets neu quel- lenden Leben seinen Raum nimmt. In der Herausgabe von E. Speckter’s Briefen aus Italien (die jedem Kiinstler und Kunstfreunde bekannt sein werden), und zwar am Schlusse der Einleitung, ist bemerkt, dass es die Absicht gewesen sei, seinen kiinstlerischen Nachlass heraus- zugeben, dass man dies aber aus mehreren Griinden hat unter- lassen miissen. Dic Veréffenilichung des eben besprochenen Blattchens lisst uns dies aufs Neue schmerzlich bedauern. Es gehért mit zum Erfreulichsten, die Gesammt-Wirksamkeit eines Kiinstlers in einer Nachbildung seiner Werke, wenn auch leicht, doch nur mit kinstlerischem Verslindniss gearbcilct, tiberschauen zu kénnen und ihr Bild in solcher Weise der Nachwelt erhalten zu wissen, und doppelt wichtig ist dies, wenn der Kitinstler, wie E. Speckter, dem Kreise seiner Thatigkeit zu frih entris— sen wurde. Mdéchten seine Freunde doch noch die Gelegenheit finden, das, was schon beschlossen war, in irgend einer pass- lichen Weise zur Ausfiihrung zu bringen! Е. Kugler, Von der Harmonie der Spharen. gehalten im wissenschaftlichen Kunstvereim Zu Berlin am 15. October 1849, von Dw. Ferdinand Piper. М. Н. In dem Drama von Grabbe, ,,die hundert Tage”, zeigt dem Volk von Paris der Ausrufer bei einem Guckkasten unter seinen Bildern den Uebergang uber die Beresina. Ein alter Kaisergardist, der den russischen Feldzug mitgemacht, sieht auch in das Bild. Entristet titber die Zahmheit des An- blicks, voll der Erinnerung an die Schrecken jener Zeit, rutt er aus: ,, Mann, kannst du Frost, Hunger, Durst und Geschrei тает?“ Und als der Guckkastenmann das verneint, weiset er ihn ab mit den Worten: ,So ist das Malerhandwerk Lumperei‘ ). Wird dieselbe Frage zwar nicht an das Handwerk, aber an die Kunst der Malerei gestellt, so werden wir sie, glaube ich, nicht verneinen. Ich bleibe jedoch bei dem einen Fragepunkt stehen nach dem Geschrei, welches der Kiinstler soll malen kénnen, — und nehme die Frage gleich in der allgemeinen Fassung: ob der Kiinstler Tine malen kann. Allerdings hat schon ein grossser Meister des Alterthums, Apelles, es unternommen, Donner und Blitz zu malen?), — es wird freilich nicht tberlicfert, in-welcher Weise. Es erhellt aber sofort, dass wenn die Tone auch nicht unmittelbar durch Far- ben wiedergegeben werden kénnen; mittelbar sowohl die Ursache der Tone, derjenige, der sie hervorbringt, als auch die Wirkung der Téne, der Eindruck, den sie auf die Zuhérer machen, sich darstellen lasst. Wodurch in dem Beschauer des Bildes eine gleiche Gefiihlserregung geweckt wird. Beides findet sich zu- sammen in einem Gegenstand, der, aus dem klassischen Alter- thum stammend, bei den alten Christen in symbolischer Deulung beliebt war, aber auch der neuern Kunst nicht fremd gebtieben ist: Orpheus, der die Thiere durch sein Saitenspiel lockt. Man sieht den thracischen Sdnger mit der Leier, um ihn her die Thiere, die aufmerksam zuhdren, in Wandgemalden der christ- lichen Katakomben zu Rom *),— so wie in einem Landschafts- bilde von Savary zu Anfang des 17. Jahrhunderts in der Galle- rie im Haag *). Aber noch in anderer mehr unmittelbarer Weise steht dem Maler eine musikalische Gewalt zu, vermige der Verwandt— schaft zwischen Ton und Farbe, — zwischen Musik und Malerei. Diese Verwandtschaft der Kiinste unter einander wird schon daran offenbar, dass die Werke der einen Kunst in der Seele des Kimstlers mit schépferischer Kraft zu Werken der andern Kunst sich umgestalten. So wecken die Worte des Dichters die schlummernden Harmonieen in der Seele des Componisten, — wie wir von Beethoven glauben diirfen*), dass beim Lesen Goethescher Gedichte sein inneres Ohr von Toénen beriihrt wurde, die er nur in Noten gefasst niederzuschreiben hatte. Beides aber, die Worte der Dichtung, wie die Tone der Musik, setzen in der Phantasie des Malers in Gestalt und Farbe sich um, — wie von dem trefflichen Bilde Oesterley’s ,die Tochter Jephthas*, 1) Grabbe Napoleon oder die hundert Tage 5. 10. 2) Риш. Н. М. ХХХУ, 36. 0. МаПег НапаБ. der Archaol. der Kunst $. 141,5. 3. Аа. $. 145, 3) Piper Mythol. and Symbol. der christl. Kunst I, 1. S. 122. 4) Schnaase Niederlind. Briefe S. 26. 5) Vergl. Goethe’s Bricfwechsel mit einem Kinde Th. IL S. 195, wo Bettina den Beethoven sagen lasst: Goethe’s Gedichte behaupten nicht allein durch den Inhalt, auch durch den Rhythmus eine grosse Gewalt арег mich, ich werde gestimmt und aufgeregt zum Componiren durch diese Sprache die wie durch Geister zu héherer, Ordnung sich aufbaut und das Geheimniss der Harmonieen schon in sich tragt. Kin Vortrag 5 9