im besitze des KOnigs von Hannover ), mir bekannt izt, dass
der Gedanke, die ganze Composition des Bildes in ihm geweckt
worden durch einen herrlichen Gesang gleiches Inhalts, eines
der Lieder von Byron zu hebraischen Original ~Melodicen *),
welches anfangt:

Weil mein Land es begehrt und mein Gott,

Dass Vater mir werde der Tod,

Weil den Sieg dir gewonnen dein Schwur,

Triff die Brust! dir enthillt sie sich nur! —

Darum kann auch umgekehrt ein Gemalde einen musikalischen
Eindruck zurticklassen, — wie einem Bilde von Friedrich Mou-
cheron in der Gallerie im Haag: ,eine massig bergige Land-
schaft mit sanftem Griin, im weichen Licht der sinkenden Sonne;
vorn am Anberge ziehen Reisende; der langsam bequem schwan-
kende Schritt ihrer Maulthiere deutet auf die zuriickgelegte
weite Tagereise und das nahe Ziel“, — das Zeugniss gegeben
wird?): dem Beschauer theile jenes Abendgefithl des Wande-
rers sich mit, wenn er, wie Dante sagt‘), die Glocken des na-
hen Dorfes hort und an die Heimath denkt.

‘Diese Verwandischaft hat ihren Grund darin, dass Licht
und Ton selbst mit einander verwandt sind. Zum Beweise méchte
ich auf einen Ausspruch des 13. Jahrhunderts mich berufen, in
Albrechts Titurel, worin es heisst*): ,die stissen Téne der auf-
gehenden Sonne iibertreffen Saitenklang und Vogelgesang, wie
Gold das Kupfer.* Und aus unserer Zeit auf den Ausspruch eines
Reisenden in Italien, Ad. Stahr®), der dic Sprache der Far-
hen die wahrhafte Musik der Spharen nennt und von ihr rihmt,
dass ,,sie dem Geiste eine Welt erschliesse, die ihm das Denken
mit nichts ersetzen kénne. Das sei ihm die gewisseste Gewissheit,
seit er die Harmonie der Farbenklinge von den ténenden gol-
denen und silbernen Saiten vernommen habe, mit denen Him-
mel und Erde dieses Landes der Schénheit tiberspannt sind. —
Wenn also die aufgehende Sonne die rein gestimmte Seele des
Menschen wie mit Memnonsténen erfillt; so wird auch der
Kinstler, der den Sonnenaufgang malt, wenn er mit geweihten
Handen an das Werk gegangen, durch dasselbe  ein siisses Té-
	nen in der Seele des beschauers erwecken. — Wetl aber jenes -
	Tonen durch die ganze Naiur geht; so wird es vorzugsweise
in der Hand des Landschaftsmalers liegen, durch Licht und
Farbe dasselbe in die Seele zu leiten.

Hier aber entsteht die Frage, ob auch Gegenstand der zeich-
nenden Kunst sein kénne ein Tonen, welches tber die Grenzen
der Landschaft hinausgeht, ja welches nur selten in eines Men-
schen Ohr gekommen ist, — ich meine den Sphdrengesang.
Allerdings haben die Alfen, welche die Lehre von der Harmo-
nie der Sphiren uns tberliefert haben, auch der Kunst den Weg
gewiesen (obwohi sie keine Landschaftsmalerei hatten, oder ge-
rade, weil sie dieselbe nicht hatten — namlich vielmehr durch
die Kraft des Mythus), diese Harmonie darzustellen; sie haben
uns auch Denkmaler hinterlassen, welche diese Darstellung
	umilassen,
	¥ur diesen Gegenstand erbitte ich mir Ihre Aufmerksam-
keit, indem ich versuche,
	die Lehre und Uebertieferung von der Harmonie der Spharen
nebst den dahin gehérigen Kunstdenkmdlern ) zu erértern.
	lL ktm Klassischen Alterthum.
	Pythagoras Ichrte, dass die Plancten, wie alle schnell
bewegten Kérper, Téne von sich giben, die theils nach der
Geschwindigkeit und Grésse, theils nach den Zwischenriiumen
der Planeten verschieden waren: sie sollten aber in einem hoéchst
musikalischen Verhdliniss zu einander stehn, so dass diese Har-
monie vollkommener als irgend ein sterbliches Lied erténe*).
Nach ihm hat das Alterthum viele Systeme der Spharenharmonie
hervorgebracht; das cinfachste und sicher alteste, welches von
Neuern ihm zugeschrieben worden, ist dieses ?):
	Мопа

  Ton
Venus
  Ton
Mercur
  Halbton (Limma)
Sonne
  Ton
Mars
  Ton
Jupiter

  Halbton (Limma)
Saturn.
	Und zwar wird der tiefste Ton dem Saturn, der héchste dem
Monde zugeeignet. Hier umfasst das Intervall von der Sonne
zum Monde wie zum Saturn 24 Tone, das ist die Quarte; und
das ganze System ist siebensaitig. Hingegen neunsaitig, indem
noch die Erde und der Fixsternhimmel zu der Harmonie zuge~
zogen werden, ist das System, welches Censorinus‘) unter
dem Namen des Pythagoras auffiihrt, mit folgenden (hier naher
bestimmten) Intervallen:
	Erd

Mo

Mercur

е

па

Venus

Sonne

Mars

Jupiter

Sat

urn

 

Ton

kleiner Halbton (Limma)
grosser Halbton (Apotome)
Anderthalbton (Trihemitonion)
Ton

kleiner Halbton (Limma)
grosser Halbton (Apotome)

kleiner Halbton (Limma)
	Fixsternhimmel.
Demnach sind von der Sonne
zur Erde . . . 3 Tone, das ist die Quinte
zum Monde . . 2+ , » » » Quarte
zum Fixsternhimmel 2; , » » » Quarte
und insgesammt von der Erde zum Fixsternhimmel 6 ganze Tone,
das ist die Octave. — Keines von beiden Systemen jedoch, we-
	1) Ausftihrlicher wird dieser Gegenstand behandelt in dem nichstens
erscheinenden zwéiten Theil meiner Mythologie und Symb, der christlichen
Kunst, §. 48, IIL.

2) Jamblich. Vit. Pythag. c. 15. §. 65. p. 134. 136, ed. Wiessl.

3) Bei Nicomach. Enchirid. harmon. Lib. Il. p. 33. ef. p. 57. ed. Mei-
bom. S. insbes. Boeckh Ueber die Bildung der Weltseele im Timéos des
	Piaton, in Daub und Creuzer s Studien. Bd. III, 8. 87 Е.
4) Censorin. De die nat. c. 13. p. 32. ed. O. Jahn. Vergl. Boeckh
	na. 0. §. 90 f. BBE.
	1) Уоп diesem Bilde sind zwei Wiederholungen, die eine im Besitz des
badischen Kunstvereins, die andere, wenn ich nicht irre, im Stédel’schen
Museum zu Frankfurt; cin Holzschnitt bei Raczynski Die neuere deutsche
Kunst Bd. Ш. $. 212.
2) Hebr. Original-Melodicen mit untergelegtem Text von Lord Byron,
mit Pianofortebegl. bearb. von Wilsing. No.3. Berlin, b. Bote u. Bock.
3) Schnaase Niederlind. Bricfe S. 30.
4) Dante Purgat. VII, 4—6. nach Kopisch:
Die Stunde war es, wo den neuen Pilger
Heimweh ergreift, hort er Geliut von ferne,
Das zu beklagen scheint den Tag, der hinstirbt.
5) Jac. Grimm Deutsche Mythol. 2. Ausg. §. 703.
6) Ad. Stahr Ein Jahr in Italien. Bd. IL S. 371.