wir der Furcht tberhoben worden waren, als wurde der Engel, der auf dem einen Bilde den Eltern den ersehnten Sohn bringt, ein Aergerniss nehmen an der Klio und Pallas. So ist Ver~ wirrung in das Mirchen gebracht, und diese darf, selbst im Marchen, nur geduldet werden, wenn sie der Zweck dessel- ben ist. A. v. Randow’s Wasser schépfendes Madchen ist sehr hiibsch in dem Wurf der Linien, minder gelungen in der Aus- fihrung, die an den Wangen zu viel gethan hat, was an den herzlich magern Aermchen versiumt ist. Das Madchen sieht in die Ferne mit vorgeschiitzter Hand. Wahrscheinlich erwartet sie noch die Allegorie, die sie ganz vergessen zu haben scheint, und der Kiinstler will doch durchaus, dass sie ,die Jugend, aus dem Quell des Lebens schépfend* reprisentiren soll. Die Dame Allegorie ist ganz klug, dass sie auf sich warten lasst, denn sie weiss, zu dieser Rolle das kleine Geschépf herauszuputzen, reicht ihre ganze Garderobe nicht aus. Der Kinstler mige sich trosten, sein Werk verliert nichts, wenn es ein einfaches Mad- chen bleibt. (Schluss felgt ) Ein Beitrag zum Leben des Lucas Cranach. Lucas Cranach der altcre, der bertihmte Verpflanzer der frinkischen Schule nach Sachsen, wurde zu Cranach 1472 ge- boren und starb zu Weimar am 16. Oktober 1553, woselbst er begraben und ihm ein Denkstein gesetzt wurde. Obschon die weit verbreiteten Werke dieses Meisters den -Kunstforschern zur Wirdigunge und Beschreibung seiner Male- reien, Handzeichnungen und Holzschnitte vielfache Veranlassung gegeben haben, und wir auch tiber sein Privatleben durch das Werk Joseph Heller’s und die Denkschrift Gunderam’s in Kennt- niss gesetzt sind, mag cs doch vielleicht den Verehrern der deutschen Kunst nicht uninteressant scheinen, mit einigen Ur- kunden, unsern Kiinstler betreffend, bekannt zu werden, die sich im Grossherzogl. Archive zu Weimar vorfinden und bisher noch nicht zur Ocffentlichkeit gelangt sind. Bevor wir indess dieselben wortgetreu folgen lassen, ist es nothwendig, die Zeitverhiltnisse festzustellen, unter denen der Kiinstler bei den verschiedenen Churfiirsten von Sachsen in Diensten stand, und unter denen vorliegende Manuscripte ent- standen sind. ‘ Wenn die Nachricht gegriindet ware, dass Lucas Cranach schon im Jahre 1493 den Churfiirsten Friedrich den Weisen auf seiner Reise nach Palastina begleitet, wie Miller in seinen sach- sischen Annalen angiebt und auch neuere kunsthistorische Werke berichten: so miisste er schon in seinem 20. oder 21. Jahre in sachsische Dienste getreten sein. Indess gedenkt Spalatin im Leben Friedrich des Weisen seiner nicht, wihrend Gunderam ausdricklich iber ihn ausspricht: »Da er in seinem Geburtsorte Cranach héchst bertihmt und ausgezeichnet war, so wurde derselbe nach dem bairischen Kriege im Jahre 1504 zum Herzoge und Churfiirsten von Sach- sen berufen, bei dem er nachher stets blicb und dessen er sich als seines wohlthatigsten Fiirsten zu erfreuen hatte.“ Cranach trat also in seinem 32. Jahre in die Dienste des Churférsten. In seinen Gemalden bemerkt man auch keine Er- innerung an Italien (der Churfirst ging tiber Venedig) oder _das Morgenland, und die Angabe Schréckhs, dass sich in der Schlosskirche zu Wittenberg eine Reisetafel aus Leinwand be- finde, worauf Cranach die merkwiirdigsten Oerter der Reise in Farben dargestellt, bedarf der Bestaligung. In den ersten Jahren scheint der Kiinstler zu Wittenberg, wo er seinen Wohnsitz nahm und wo der Churltirst 1002 die 95 * Werk ein volles Meisterwerk stelleng Rietschl’s Tageszcilen. Aber wir méchten den Leser nicht lange in dem Irrthum lassen, der sich ihm aus einem hingeworfenen Wort bilden kénnte, als ob wir tberhaupt an aller Symbolik verzweifelten. Insofern aber Symbolik die Kunst ist, durch Attribute, die an und fir sich schon bestimmte Vorstellungen von allgemeinen Begriffen erwecken, eine Figur zur Wiirde einer Personification zu er- heben, ist nur die Schwierigkeit zu tiberwinden, dass der Kinst- ler in Wahrheit bezeichnende Attribute finde, die in der von ihm beabsichtigten Bedeutung der Mehrzahl der Gebildeten gang und gebe sind oder doch auf den ersten Blick einleuchten. Auch darin wird nur zu oft noch gefehlt, dass die Attribute von zu- falligen Eigenschaften des zu bezeichnenden Begriffs, anstatt von seinen wesentlichen hergenommen werden. Das Rietschl’- sche Werk kann auch in dieser Hinsicht zum Muster dienen, wie es, was Licblichkeit der Form betrifft, von der héchsten Vollendung ist. Vier Knaben, einzeln in runden Einfassungen, mit kleinen Amorettenfliigeln schwebend, stellen die vier Tages- zeiten héchst sinnreich und sinnig dar. Der Morgen, indem er mit dem Fuss schalkhaft ein Kauzchen verjagt, wahrend zur andern Seite eine Lerche auffliegt; der Mittag, ein Bild aller hellen sonnigen Fréblichkeit, indem er mit Schmetterlingen im Fluge welteifert. Ueberaus holdselig ist der miide Knabe, der, wie vom leisen Abendwind getragen, das Haupt auf die eine Schulter neigt und die Fackel des Tages sinken lasst. Und nun das schlafende Kind mit den Mohnstengeln in der einen Hand, wihrend die andere das Gewand halb iiber das Képfchen ge- hiillt hat. (Nur diese Hand scheint uns noch zu viel Kraft zu haben, da doch der Schlummer die СПедег 165%.) Ueberall Un- mittelbarkeit des Ausdrucks, ungesuchte Naivetat und jener feine Tact, der aus dem Sinne der Aufgabe “jedesmal das grésst- mégliche Mass von Reiz der Formen entwickelt. G. Hartung’s allegorische Gruppe, die Vereinigung von Rhein und Mosel darstellend, ist fiir Coblenz bestimmt. Der Ort wird da hinreichend erklaren, was hier des Catalogs be- diirfte. Es ist gar hitbsch und launig, wie sich das lustige junge Weib dem alten Zottelbart in die Arme wirft, dass ihn auf seine alten Tage noch die Liebe anwandelt. Und das Kranzlein der Jungfrau, das sie in seine Wellen zerpflickt, scheint er sich wohl gefallen zu lassen, obwohl er ein zartliches Lacheln nicht mehr zu Stande bringen kann. Trefflich ist die Arbeit an die- sem Werk, bis auf die Nase der Neuvermiahlten, die tiberlang und spitz erscheint. Auch sag! es uns besser zu, wenn sie statt des etwas frivolen Lichelns einen schalkhaften Ueber- muth oder eine gewisse Innigkeit in den Zigen hiatte. Bei diesen Werken sind wir auf heimischem Grund und Boden. Deutsche Luft, deutsche Kranze, Vogel und Schmetter- linge. An des Altmeisters Rauch , drei Reliefs in Gipsmodellen, Beziehungen aus dem Leben Friedrichs des Grossen darstellend (fir das Piedestal des Bronzedenkmals)* zeigt sich manches Exotische. Die wundervolle Schénheit seiner Athenen und Mu- sen, die antike Hoheit und deutsche Lieblichkeit in sich verei- nigen, lasst uns ешеп Augenblick vergessen, wo wir dieser Schénheit begegnen, neben einer Kanone, am Rococco-Kamin, gegeniiber dem Helden des siebenjahrigen Krieges. Einen Augen- blick, sagten wir? Vielleicht ganz und gar. Denn so gross ist die Macht dieser naiven jungfriulichen Kiinstlerschaft, dass sie uns einbilden kann, was sie will, dass selbst wenn sie wun- derliche Verstésse gegen das machen sollte, was alle Welt weiss, wir mit jenem erquickenden Gefiihl] lacheln, wie tber ein Madchen, das in aller Unschuld Dinge sagt, die — nun die eben zeigen, dass sie unschuldig ist. — Hier hatlen wir nur Eins zu wiinschen gehabt, dass die Mythologie, die so unbefangen in unsere niichterne Geschichte tritt, Eine geblieben ware, dass