Und hehr vom Wipfel schaut, ein Aar und spritihte
Noch Weltverklarungsblitz’ aus morschen Krallen.

Noch ein Denkmal eines grossen Todten ist aus der Hand
Rietschl’s hervorgegangen, die Buiste Felix Mendelssohn - Bar-
tholdy’s. Es fehlt uns hier der Raum etwas mehr zu sagen,
als unsern Dank, dass R. uns den Kistler und den Menschen
gegeben hat. Was die tibrigen Portraits betrifft, so kénnen
wir nur noch die Arbeiten von Schievelbein, Fr. Die-
trich, Wichmann, Julius Franz, Carl Blaser und Emil
Wolf als gelungen anfithren, obwohl auch unter den Nichtge-
nannten viele aller Ehren werth sind.

Unter den Thierbildern zeichneten sich W. Wolf’s Ar-
beiten, wie immer, durch ihre grosse Lebendigkeit und Ener-
gie der Bewegung vor allen aus. (Er hatte leider weniger aus-
gestellt als in frithern Jahren.) Unseres Bediinkens ist die Art,
wie Wolf seine Thiere vorfiihrt, die einzige, die ihnen eine
kiinstlerische Seite abgewinnt. Denn das blosse Zurechtkneten
eines gutmtithigen Rehbocks, mit aller miihsamen Langweilig-
keit jedes Harchens, wie es Schindler gethan hat, gewinnt
uns nicht das geringste Interesse ab. Aber Kampf von Starke
und Gewandheit, michtigen Tatzen und fllichtigen Fiissen, das
fesselt, das empfinden wir mit. Und hier offenbart sich auch
der Reichthum von Schénheiten an der thierischen Natur, un-
gesucht aufs Hichste gesteigert. Man vergesse nirgend, dass
die Kunst fiir den Menschen ist, und, wo sie Stoffe aus ungei-
stigen Bereichen nimmi, Schein und Gleichniss des Geistigen
tiber ihr Werk zu verbreiten hat, um es dem Menschen ans
Herz zu bringen. WVineenz.
	Ein Beitrag zum Leben des Lucas Cranach.
	( Fortsctzung und Schluss. )
	bein rihmlich zu erwihnen, der mit einem Theil einer hochst
geistvollen ,Skizze zu einem Friese, den Untergang von Pom-
peji darstellend“ zu grossen Hoffnungen berechtigt. Der Ge-
danke ist in der That fruchtbar an den mannigfaltigsten Moti-
ven. Ob diese sich zu einem Ganzen runden, kénnen wir aus
dem Fragment nicht ganz beurtheilen. An diesem bewundern
wir aber eine frische Kihnheit, die den Schrecken des Ereig-
nisses ihr Recht anthut und doch mit feinem Tact die Wiistheit
und Verworrenheit einer so jah hereinbrechenden Bestirzung
nach kiinstlerischen Absichten ordnet. Unter den Gruppen der
Flichtenden sind wunderbar schéne Gestalten. Wir heben be-
sonders den bartigen Mann hervor, an den sich das junge Weib
angstlich anlehnt, das greise Paar, das von einem Kinde zur
Eile angetrieben wird, die Mutter, die ihre erschdpfte junge
Tochter vor den nachstiirmenden Reitern zu schiitzen sucht
(ein Anklang an den Amazonenfries von Phigalia ist hier nicht
zu verkennen), die jungen Priesterinnen, die sich um das Bild
der Géttin drangen, und den traurigen Helios, der einem Tag
des Unheils leuchten soll. Nur achte der Kimsiler bei der
Ausfihrung auf ein gleiches Maass der Kérper. Manche lie-
gende Figur wiirde, aufgerichtet, die anderen weit tberragen.
— Hassenpflug’s Absalon, so viel Verstésse gegen Linien-
gefthl und Wahrscheinlichkeit der Kiinstler begangen hat, er-
freut doch durch eine gewisse naturalistische Frische und Derb-
heit, an der es dem , Siegfried“ Hartung’s, der mehr ein
Siegfried der Redoute als der deutsche Sagenheld ist, nur zu
sehr gebricht.

An monumentalen Arbeiten im eigentlichen Sinne ist viel
Erfreuliches geleistet. Dankberg’s Statuetten der neun Ho-
henzollerischen Kurfiirsten in Gips prasentiren sich einfach
und wirdig, interessante Costiimbilder 4 la Schwanthaler. G.
Genschow’s Statuette des verstorbenen Direktor Schadow ist
charakteristisch und zierlich aufgefasst. R. Pieh] hatte eine
Statuette der Kénigin von Preussen ausgestellt, im edelsten
Stil und von vieler Anmuth der Linien. Aber auch auf diesem
Gebiete hat E. Rietschl allen Mithewerbern den Rang abge-
laufen. Wie hat er in seiner Statuette Lessing’s alle Zige in
dem Charakter dieses Gewaltigen vereinigt! Da ist im Blicke
der ,Scharfsinn, der sich zum Tiefsinn steigert“, der Witz
voll Giite und Menschlichkeit in dem scharfen Schnitt der Lip-
pen, die doch von allem Verachtlichen frei sind, Adel des
Poeten auf der hohen Stirn, und im ganzen Wesen jene Ela-
sticitat des Mannes, jene Schlagfertigkeit, jene Ehrenhaftigkeit
des Denkens und Handelns, mit der er selbst seine Neider be-
schimte. Der ist mit den Schauspielern umgegangen, der hat
die Franzosen verjagt, die Nester der Lichtscheuen und die
Stoppelfelder der Aufklarer gesaiubert, mit Winckelmann gerun-
gen — und der hat die Emilia und den Nathan schreiben kén-
nen. Da ist jeder Zoll ein Lessing, der Lessing der deutschen
Jugend, der Stolz einer ,Nation von Denkern*. Sinnig ist es,
wie er die Hand mit der Rolle auf dem Torso der griechischen
Saule ruhen lasst, und der Zopf und das franzésische Kleid
(das sich trefflich fiir die Plastik eignet) stehen dem Manne
wohl, der den Zwang der Mode durchbrach und unter dem
fremden Rock das deutscheste Herz trug; sie sind gleichsam
die Spolien seines Sieges. Bald wird dieses Bild tiber ganz
Deutschland verbreitet sein, das Studierzimmer jedes Gelehrien
schmiicken und jedes Studenten, der nicht allzudirftige Wechsel
bekommt. Nicht so der Goethe desselben Meisters, so hoch
und schén auch dieses Werk ist. Aber es ist zu gewaltig fir
ein Studierzimmer; diesem Zeus gebihrt ein Tempel oder ein
Marktplatz, wo sein emporgerichteter Blick keine niedre Decke,
sondern den Himmel trifft. Wir dachten dabei an die Worte
des herrlichen Sonetts unseres Riickert:
	Gehen wir jetzt zu den uns vorliegenden Urkunden selbst
tiber und ordnen dieselben nach der Zeit ihrer Entstehung, so
finden wir zunachst eine Rechnung tiber Tischlerarbeiten, deren
Lucas Cranach fir einige seiner Bilder bendthigt war. — Das
Blatt datirt sich vom Jahre 1518, also dem Zeitabschnilte, in
welchem der Kistler bei Churfiirst Friedrich dem Weisen in
Diensten stand. Auf der Rtickseite des Blattes befindet sich der
Name des Geld-Empfangers: Christianus Goldschmidt aus Al-

tenburg.
Wortlich lautet das Schreiben also:
	a.
{ fl. vor die lucrecia die ich gemacht hab vor das tafelein
	vom tischler und vom Zubereiter und zu vergulden.
11 0. vor die klein lucrecia.
x gl. vor die zwey futer darin sie verwart sein.
	Auf der Ruckselite:
Ich Cristianus Goldschmidt hab von Mstr. Lucas maler em-
	pfangen v fl. x gl. nach laud dysses 4ettel am auffaritag im 15.

jar zu Altenburg.
Lucas Malers Zettel bit er yetz zu betzalen.

Malherarbeit v fl. x gl. Meister Lucas Erhalten xviij.
	Die Besoldung, welche Cranach fir seine Dienste am Hofe
des Churfiirsten empfing, betrug jahrlich 100 Gulden und sollte
ihm halbjahrlich ausgezahlt werden. Unter b. folgt eine Quit-
tung, die der Kiinstler im Jahre 1545, also zu Lebzeiten seines
dritten Herrn, Friedrich des Grossmiithigen, tiber den Empfang
yon 50 Gulden halbjahrlicher Besoldung, von Pfingsten bis Crucis,
eigenhindig ausgestellt und unterschrieben hat. Das ihm ver-
lichene Wappen, der gefliigelte Drache, ist daruntergedruckt.
	р.
Vf Lebenlang Lucas Kranach Maler 1 fl. Michaelis 1545.
	Ich Lucas Cranach Maler zu Wittinbergk beken mit diesser