Ubschon durch dieses letzte Schreiben dem Kiinstler das
Glick bereitet wurde, seine alten Tage in Ruhe und ohne Sor-
gen, verehrt und geliebt von seinem Herrn, zu geniessen, sollte
ihm doch dieses Gliick nur kurze Zeit zu Theil werden, indem
er, wie wir oben erwahnten, im Oktober 1553 verschied, also
nur ein Jahr lang der erwahnten Auszeichnungen sich erfreuen
konnte. О. у. Schorn.
	Von der Harmonie der Sphiren.
	Hin Vortrag, gehalten im wissenschaftlichen Kunstverein zu
Berlin am 15. October 1849,

von De. Ferdinand Piper.
		{Schluss.)
In der neuern Zeit.
	stehen bleiben, welche aus einer willktrlichen Speculation ver-
bunden mit einer irrthiimlichen Astronomie hervorgegangen war.
Demgemiss verspottet Keppler den gemeinen Haufen der Phi-
losophen, welcher mit dem Ciceronianischen Traumer (in dem
somnium Scipionis) die Ohren reckend sich hinstelle, um den
stissen Ton, dic Musik der Sterne, zu vernehmen, — auch mit
den Pythagoreern bei Aristoteles den Grund angebe, warum
der himmlische Ton auf Erden nicht gehért werde: das scien
pythagoreische Possen ); er erklirt ausdriicklich, dass keine
Тбпе im Himmel vorkémen, auch die Bewegung nicht so stiir-
misch sei, dass durch Reibung mit der Himmelsluft Gerdusch
entstehe*). Dagegen durch das Licht werde die Harmonie der
Planeten offenbart, die also nur in Zahlenverhaltnisse, welche
den musikalischen Consonanzen entsprechen, gesetzt wird. Diese
Harmonie kntipft er aber nicht an die Distanzen der Planeten
von der Erde, wie meist bei den Alten geschah, oder (dem
copernicanischen System zufolge) von der Sonne, da er die
Jetztern vielmehr nach einer frih von ihm durchgefiihrten
Idee durch die finf regelmissigen Korper bestimmt; sondern:
er bemisst sie theils nach dem Winkel, welchen die Gesichts-
linien der Planeten von der Erde aus bilden (den sogenannten
Aspecten)*), — das ist die Harmonie, wie sie auf Erden er-
scheint*); vornehmlich aber fir den Standpunkt von dem Mit-
telpunkt des Weltsystems, der Sonne aus’), nach Maassgabe
der taglichen Bewegung der Planeten in der Sonnennahe wie
in der Sonnenferne*). In diesen Bewegungen weiset er die
volistandige Tonleiter sowohl in dur wie in moll nach?) und
findet darin nicht allein einen melodischen Gang, wie ihn die
Musik der Alten kennt, sondern auch ein Vorbild des figurirten
Gesanges, der Harmonie, welche von den Neuern nach diesem
himmlischen Muster erfunden sei®). Das ist das kurze Ergeb-
niss der Rechnungen Kepplers, durch die er von dem Gedanken
geleitet ist, dass von dem weisesten Schépfer die Welt in der
vollkommensten Harmonie aufgebaut sein miisse, — freilich un-
eingedenk, dass diese Harmonie nicht gerade durch die Ver-
haltnisszahlen der musikalischen Consonanzen eben so wenig
	als durch die der regelmassigen Kérper nothwendig bedingt sei.
	Also ist die alterthiimliche Lehre von der Harmonie der
Sphéren von astronomischer wie von theologischer Seite ver-
worfen. Aber eine Zuflucht erhalt sie bei dem Dichter, der
die Ahndungen zu deuten weiss, womit der unsterbliche Zug
der Gestirne, gleich dem Hauch, der iber die Aeolsharfe geht,
das menschliche Gemith erfilit. So hat Shakspeare ihrer
sich angenommen nach einer Auffassung, die an Dante erin-~
nert, im Kaufmann von Venedig °):

Sieh, wie die Himmelsflur
Ist eingelegt mit Scheiben lichten Goldes!
Auch nicht der kleinste Kreis, den du da siehst,
Der nicht im Schwunge wie ein Engel singt
Zum Chor der hellgeaugten Cherubim.
So voller Harmonie sind ew’ge Geister:
	1) Ibid. Lib. IV. Praeamb. p. 106. vergl. Lib. V. Prooem. p. 178.
2) Ibid. Lib. V. ¢. 4. p. 197.

3) Ibid. Lib. IV. ¢. 5.6. p. 133 sqq. p. 150 sqq.

4) Ibid. Lib. IV. ¢. 4 р. 129.

5) Ibid. Lib. V. c. 3. p. 189.
6) Ibid. Lib. V. ¢. 4. p. 198 sqq.
7) Ibid. Lib. V. ¢. 5, p. 202 sqq.

8) Ibid. Lib. V. c. 7. p. 208. 212. Die Kepplersche Lehre yon der Har-
monie des Himmels wird ausfihrlich erértert von Apelt Joh. Keppler’s
Astronomische Weltansicht. Leipzig 1849. 4°. S. 76 ff. s. besonders S. 84. 85.

90 ff. 110 ff.
9) V. Aufz. 1. Scene. Shaksp. Werke von Schlegel und Tieck. Bd. VI.

S.230. Er erwahnt sie auch in » Was ihr wollt“, III. Aufz. 1. Scene. Bd. V.
		Um so weniger hat diese Lehre noch Glauben gefunden in
der neuvern Zeit, nach den Entdeckungen, wodurch die Astro-
nomie, zumal die Theorie der himmlischen Bewegungen, um-
gestaltet worden, —- obwohl sie noch haufig Gegenstand der
Erérterung geworden ist. Ich tibergehe jedoch, nachdem wir
die Zeugen aus dem Mittclalter gehért haben, die neuern ka-
tholischen Schriftsteller ), um noch unter den protestantischen
Schriftstellern die Reprasentanten der verschiedenen Standpunkte,
aus denen sie aufzufassen und zu beurtheilen ist, hervorzuheben.

Zuerst Luther leitet die griechische Lehre auch aus bi-
blischer Ueberlieferung ab*): Pythagoras, sagt er, rede von
einer tiberaus lieblichen Harmonie des Himmels, gleich als ob
er den Hiob gelesen hatte. Er erklart sich aber dartiber auf
folgende Weise, indem er die Gleichgiiltigkeit gegen die tag-
lichen Wunder der Schipfung riigt*): ,Gegen diese Werke alle
sind wir taub worden und achten ihrer nicht mehr; wie Py-
thagoras wohl gesaget hat, dass die gleiche und ordentliche Be-
wegung der Sphiren unter dem Firmament einen schénen und
lieblichen Gesang von sich gebe: weil ihn aber die Leute tag-
lich héren, werden sie dagegen taub: gleichwie die Leute, so
da nahe am Wasser Nilo wohnen, des grossen Rauschens und
Krachens des Wassers, weil sie es taglich héren, nichts achten,
das doch andern, die es nicht gewohnt sind, unleidlich wire.
Diesen Spruch hat Pythagoras ohne Zweifel aus der Vater Lehre
genommen, die nicht gewollt haben, dass die Bewegungen der
himmlischen Sphdren einen Laut oder Klang von sich geben:
das aber haben sie gewollt,. dass ihre Ordnung, Art und Eigen-
schaft sehr lieblich und ganz wunderbarlich sei; werde aber
von uns Undankbaren und Unempfindlichen nicht geachtet noch
gemerket. “

Mit grosser Liebe und Ausdauer hat Keppler den Unter-
suchungen tiber die Harmonie der Welt als einer Lebensauf-
gabe sich hingegeben, ja mit Andacht, um , die Herrlichkeit der
Werke Gottes den Menschen zu verkiindigen“, — wie er in
dem Gebet am Schluss seines so benannten Werks‘) erklart.
Da er dabei auf seine Entdeckungen tiber die Gesetze unseres
Planetensystems sich griindend, mit mathematischer Strenge zu
Werke ging; so konnte freilich von jener Lehre der Alten nichts
	1) Sixtus Senensis Bibl. sancta Lib. V. annot. 105. (zuerst 1566.)
Colon, Agripp. 1626. p. 457. Bolducii Comment. in libr. Job. Par. 1637.
T.IL p.825. Riccioli Almag. nov. Lib. IX. весь, 5. с.2 7—11. Вопоп. 1651.
Т. Г. Р.2. р. 501—504. §21—535. Bona Divin. Psalmod. с. 17. (zuerst 1663.)
in dessen Opp. omnia. Aunty. 1694. p. 534.

2) Luther Anm. ther den Evang. Matth. 15, 34. §. 82. Werke v. Walch
Th. VIL. S. 407.

3) Derselbe Ausleg. der Genes. 2, 21. §. 150. W. Th. I. S. 226.

4) Jo. Keppleri Harmonices mundi Libri V. Lincii Austr. 1619. fol p.243.