schrieben, sondern auch in Haltung und ausserlichem Gebahren
ausgedriickt ist. So wird das Bildniss zu einem gemalten Ur-
theil tiber das Original, und ein solches Urtheil zu fallen, dazu
gehért ein reicher, gebildeter Geist und es ist wohl keine Frage,
dass man leichter und besser copirt, wenn man eine Handschrift
versteht, als wenn man ohne: Verstaéndniss nur die Linien und
Striche nachmalt. Leider aber giebt es viele Portraitmaler, die
man fragen kénnte: ,,verstehest Du auch, was Du liesest?“

In einem guten Portrait steckt immer ein Stick Historie,
so wie umgekehrt ein Historienbild voller Portraits sein muss.
Man stelle sich einmal alle die Hunderte von Magnus’schen Por-
traits neben einander hingehangt vor. Ich glaube, wahrend
manche Sammlungen anderer Bildnissmaler héchstens einen Bei-
trag zum Costiimstudium geben wiirden, so méchte bei Magnus
wohl ein Schluss erlaubt sein, welche Geschichte dieses Ge-
schlecht von Denkern, Kiinstlern, Fiirsten, Kriegern, Damen
und Herrn wohl zu machen im Stande wire. Der Meister hatte
die Ausstellung reich bedacht. Die meiste Freude erregte un-
sireitig das Bildniss der Grafin Rossi, in dunkelrothem Sammt-
kleide; der Hermelin gleitet nachlissig von der Schulter, sie
wendet sich eben gegen das Instrument mit einem offenen Buche
in der Hand. Man ist versucht zu sagen, es sei der Moment
dargestellt, wo die Grafin den Entschluss fasst, ecinmal wieder
die Saingerin der Welt zuriickzugeben, es ist Henriette Sonn-
tag in der Rolle der Grafin Rossi. Es ist ein Bild voll heiterer
Wahrheit und ernster Anmuth.

Vielen Zank erregte in den Tagesblattern ein Brustbild der
Prinzessin von Preussen, welches hauptsachlich wegen seiner
leichten, fast skizzenhaften Ausfihrung Tadel hervorrief. Wir
haben dartiber zu sagen, dass, wie viel oder wenig sich dabei
von einer solchen Behandlung sagen lasse, doch die Meister-
hand und der Meisterblick fir Farbenharmonie nicht im. Ge-
ringsten verlaugnet hatte. Von firstlichen Personen sahen wir
yon diesem Kiinsiler noch die Grossherzogin von Mecklenburg-
Schwerin in ganzer Figur. Ein geschmackvoll angeordnetes Bild.

Die Bemerkungen unseres Freundes am Eingange der heu-
tigen Nummer finden in den Magnus’schen Bildern einen Beleg.
Sie kénnen es tiberhaupt nur bei guten Portraits; denn nur dem
geistreichen Bilduissmaler wird der nothwendige Zusammenhang
z. B. der Handformen mit dem Charakter des Individuums auf-
gegangen sein, so dass, ahnlich wie jener Beinphysiognom in
Tieck’s ,, Aufruhr in den Cevennen“, der Maler ein Handphy-
siognom wird. Auch Schrader beweist in seinen Bildnissen,
dass er wohl wisse, wie sehr es auf die kleinen Ziige bei der
Charakteristik ankomme; dabei herrscht ein markiger Ton in sei-
nen Bildnissen. Das gelungenste unter ihnen war ohne Frage
das des Hofraths Fr. Forster.

Von Kriiger war das Portrait des Prinzen von Preussen
ausgestelit, ein sehr solides Bild, voll Realitét und Wahrheit,
	‘dem auch in seinem Hintergrunde die kriegerischen Andeutungen
	nicht fehlten, welche еше Beziehung auf die jiingste Thatigkeit
des Fiirsten bilden.

Mit ahnlichem kriegerischen Apparat versehen, aber durch-
aus ohne jene kraftige Realitat, war das lebensgrosse, in gan-
zer Figur ausgefiihrte Portrait des jungen Kaisers von Oester-
reich. Es ist von A. Einsle in Wien mit vieler Eleganz und
heiterem Farbenglanz gemalt und als Geschenk an das von dem
Fiirsten kommandirte Kaiser Franz Regiment hierhergekommen.

Frau Friederike O’Connell hat sich ganz und gar dem
Rubens ergeben, d.h. sie hat sich die Manier dieses Kinstlers
vollkommen angeeignet. Dariber kénnen wir ihr mit gutem

Gewissen das beste Zeugniss ausstellen. Aber eine andere Frage
ist, ob das ein Lob sein kann? Gewiss nicht. Wir haben es

schon an einem und demselben Kiinstler nicht gern, wenn er
	vollstandigen Abschluss gelangt. Der Eine Gedanke, welcher
sich vor seinen Blicken zur klarsten Anschauung gestaltet, hat
alle anderen zum Schweigen gebracht. Man pflegt gewohnlich
diese ganze Gestalt als cine trefflich behandelte Beigabe des
prachtreichen Bildes zu betrachten. Uns scheint sie im Gegen-
theil den Grundton anzugeben, aus welchem dann sich die
klangvollen Harmonicen entwickeln, die uns das unvergleich-
lich schéne Gemalde wic in himmlischen Klangfiguren mit Augen
vernehmen lasst. Dr. E. Braun.
	Die diesjihrige Berliner Kunstausstellung.
	(Fortsetzung. )
	Den kiinstlerischen Gedanken haben wir im Laufe unserer
Betrachtung genugsam als die Hauptsache bei jedem Gegenstande
der Darstellung proklamirt, ohne indess der technischen Aus-
fihrung ihr volles Recht zu versagen, vielmehr zugebend, dass
gerade sie oft bei sonstiger Anspruchlosigkeit des Stoffes den
eigentlichen Inhalt des Gemildes zu bilden vermag. Denn es
ist das Wesen der bildenden Kunst, dass sie nur durch den
sichtbaren Leib vorhanden ist und ein Rafael ohne Arme ist
trotz dem Maler Conti kein Maler. Sicht man auf den Ver-
brauch der Bilder fir das hausliche Leben, so sind es gerade
diejenigen, welche einen besonderen kiinstlerischen Gedan-
ken nicht zu enthalten, vielmehr als Diebstahl an der Natur,
blos auf deren getreue Nachbildung auszugehn scheinen, die
das grésste Publikum haben; denn es ist einmal eine geringere
Geistesarbeit, den Vergleich zwischen Original und Abbildung
anzustellen, als dem Kiinstler in seinen Intentionen nachzugehn.
Fir das Zimmer ist einmal das Portrait der fast nothwendige,
die Landschaft der ihm zunachst stehonde Schmuck. Die gros-
sen Galerien der Zeitgenossen und Zeitgenossinnen auf jeder
Kunstausstellung, die Privatankaéufe bei denselben bestatigen das.
Da hat denn die technische Virtuositaét, die Meisterschaft in der
Naturnachahmung Platz, sich auszubreiten. Was aber die Land-
schaft zu einem begehrten Artikel macht, das ist hauptsachlich
das Portrait in derselben, die Vedute. Man liebt es eben, seine
Erinnerungen und Hoffnungen gemalt zu sehen. Also iberall
Portrait und Abbildung, bei denen natiirlich der Affectionswerth
eine grosse Rolle spielt und wenn’s hoch kommt, der Werth
des technischen Machwerks in Anschlag kommt. Wo bleibt nun
hier zwischen Bestellung und Ausfiihrung, zwischen gegebenem
und geliefertem Abbild die freie Selbstbestimmung des Kiinst-
lers und der tiefere Inhalt seiner Werke? Ein sich frei be-
stimmender Portraitmaler scheint eine Unméglichkeit und doch
ist Magnus bis zu einem gewissen Grade ein solcher und da-
neben auch da Kiinstler, wo er nicht ganz zu waihlen hat. Vor
ihm ausgebreitet liegt die lebendige Flora des Menschengewach-
ses und sein Auge erkennt und winkt die schénsten Exemplare
zu sich. Rief er nicht das Blumenmidchen von der Strasse?
den Fischerbuben vom Strande? Wir glauben, dass Magnus
„Мет“ sagen und den Pinsel hinlegen kann, wenn ihm aus
einem Antlitze nicht entgegenleuchtet, was der Leinewand werth
ist; er ist ein Kiinstler nicht von Goldes, sondern von Geistes
Gnaden. Dafiir treten aber auch seine Figuren mit einer be-
wunderungswirdigen Sicherheit, und dabei so schlicht und na-
tirlich auf, dass man deutlich wahrnimmt, seinem Auge haben
sich die Seelen bewusst oder unbewusst enthiillt, seine Phan-
tasie ist so reich besaitet, dass weder das Weben des Gedan-
kens in dem Antlitz, noch die Dithyrambe des Genies, noch
	auch der Herzenston der Natur ohne Wiederklang bei ihm blei-
	ben. Und darin liegt eben der tiefere Inhalt der Portraitmale-
rei, dass sie die Schrift zu lesen versteht, in welcher das in-
nerste Wesen eines Individuums nicht nur auf das Gesicht ge-