ien Jahren immer tiefer in der Achtung des gebildeten, dem
Fortschritte zugethanen Publikums sank; dadurch hofft man ein
regeres Leben in die Kiinstlerwelt zu bringen und den Ansprii-
chen des Publikums gerecht zu werden, das mebr, als irgendwo
der Fall ist, mit Warme Kunsteindriicke aufnimmt und gern
bereit und auch im Stande ist, Opler zu bringen.

Was nun speziell unsere heurige Kunstausstellung betrifft,
so war, wie es bei uns immer der Fall ist, auch diesmal das
Portrait, die Landschaft und die Blumenmalerei vorwiegend ver-
treten. Wo der Mensch mehr oder minder in den Vordergrund
tritt, wird Alles, sei es im Genrebilde oder in der Historienma-
lerei oder Skulptur, mehr oder minder in den Hintergrund ge-
drangt. Wohl tragt die Akademie der bildenden Kiinste zum
Theil Schuld an diesem Zustande, die, unfihig sich von Innen
heraus zu organisiren, einer Reorganisation von Aussen ent-
gegensieht, aber auch unsere Altere Kiinstlerwelt, die, fast ganz
verwachsen mit den alten Zusténden, sich sehr schwer und
langsam in die neuen Zustande hineinfindet, weiss nicht recht
sich mit der Welt und den Ideen, die diese bewegen, in Hin-
klang zu setzen, und unsere jiingere Kiinstlerwelt, wo sollte
sie jenen Grad von Bildung, von Einsicht in das Wesen der
Kunst erlangt haben, nachdem man in unseren Schulen jene
nicht lernte und von diesem auf der Akademie nichts erfuhr?
von wo sollte sie einen Impuls hekommen, sich an grdéssere
Gegensténde zu wagen, wo sie kennen lernen, nachdem man
sie seit Jahrzchenden auf einen geistigen Isolirschemel gestellt,
und in den Kreis altakademischer Anschauungen Jahre und Jahre
herumschleppte? — Unter den jingeren Kinstlern tritt fast al-
lein Dobyaschofsky, ein Schiler Kuppelwiesers, der sich
von der Vortragsweise seines Meisters emanzipirte, in einem
schén gedachten und gut durchgefiihrten Gemalde, ,der Traum
einer Nonne“ aus dem gewohnten Geleise heraus. Auch ein
anderes Gemilde, eine Scene aus dem Leben Herzogs Ernst des
Eisernen, hat seine guten Seiten, besonders in der Technik,
obwohl der sonst ganz bedeutungslose Gegenstand eine Erret-
tung der masovischen Prinzessin Cimburgis vor den Tatzen eines
	.Baren, nur der malerischen Effekte wegen gewahlt zu sein
	scheint. Nach Dobyaschofky haben noch Ferd.Schubert s ,hto-
meo und Julie,* Binder’s ,Romulus und Remus* und Schulz’s
» Herzog Ernst der Eiserne* mehr oder minder gelungene Mo-
mente. Besonders hervorzuheben ist die Verinderung in der
Technik bei mehreren unserer Historienmaler, die vordem ganz
der alten blut- und farblosen Technik der s. g. Nazarener zu-
gethan waren, jetzt aber sich sichtbar bestreben, Farbe und
Leben in ihre Gemilde zu bringen. Nicht zu umgehen ist wohl
die Anfithrung des Faktums, dass ein Gemilde von C. Hemer-
lein, das den Astrologen darstellt, der dem jungen Rudolf von
Habsburg und seinen ,spatesten* Nachkommen den Kaiser-
thron von Deutschland weissagt, fiir die kaiserl. Galerie im
Belvedere um 1600 Fl. Conv. Miinze angekauft wurde. — Erst
in den letzten Tagen kam ein Gemalde eines sehr begabten
Schitlers des Direktors der Prager Akademie Ruben zur Aus-
stellung, ,die Hussitenschlacht bei Lipan im Jahre 13434 von
Trenkwald, einem Deutsch-Béhmen, ein Gemilde, das so-
wohl in der Composition als in der Durchfiihrung tichtig, der
Wirksamkeit des Direktors Ruben ein ehrenvolles Zeugniss giebt.
Es geht von hier nach Miinchen, und da es eigentlich fir die
Minchner Ausstellung bestimmt ist, so mag ich ihrem dortigen
Referenten nicht vorgreifen. (Schluss folgt.)
	London, im Juni. Die schéne Sammlung italienischer , На-
mischer und hollandischer Gemalde, welche der verstorbene John
Noble besass, soll verkauft werden. Sie umfasst Werke von
Guido, Titian, Vasari, Giulio Romano, Carlo Dolce,
	 
	mal und Zeugniss des wissenschaftlichen Sinnes, des ernsten
Fleisses, dessen der Deutsche zu Zeiten sich wohl rihmen mag.
Die Stiirme der letzten Jahre haben bedrohlich auch diesem
Unternehmen gegeniibergestanden; aber die Herausgeber sind
bei allem Wechsel des Schicksals unbeirrt ihren Weg fortge-
gangen. So hoffen wir, bald die Vollendung des schénen Un-
lernehmens begriissen zu diirfen. Е. Kugler.
	Heitun:e.
	* Дей, 15. лш. Mit dem heutigen Tage ist die hie-
sige vom Kunstvereine veranstaltete Kunstausstellung zu
Ende gegangen. Ihre Leser werden nicht erwarten, dass ich
Ihnen die dreihundert sieben und vierzig Kunstwerke, die mit
wenigen Ausnahmen bloss von Wiener Kiinstlern herrtihren, der
Reihe nach exponire. Selbst enragirte Kunstfreunde haiten nicht
die Geduld, den Wust der Mittelmassigkeit im Detail durchzu-
sehen, und mit sichtbarer Hast hatten sich dieselben denjenigen
Bildern zugewendet, die aus der Menge herausragten. Wer die
hiesigen Kunsizustinde nicht genau kennt, der kann nicht be-
greifen, wie es da moglich ist, dass in einer Stadt, die Haupt-
und Residenzstadt einer grossen Monarchie, angefiillt mit Kunst-
mitteln und Kunstfreunden aller Art, die Mittelmassigkeit ein
solches Privilegium geniesse, wie es hier der Fall ist. Aber
	die Kunst ist bei uns noch ein vereinzelt stehendes Klement aer  
	biirgerlichen Gesellschaft. Der Staat weiss nicht recht, was er
damit anfangen soll. Die Baubtreaukraten lassen den Archi-
tekten, die —Akademiker von altem Schlag und Korn die Talente
in anderen Zweigen der bildenden Kunst nicht aufkommen, die
mittelnassige Kiinstlerwelt will die Konkurrenz mit der deut-
schen Kunst um alles in der Welt sich vom Leibe schaffen, und
manche gute Birger Wiens, wenigstens eine grosse Anzahl von
ihnen, die ebenfalls von Privilegien aller Art leben, unterstit-
zen das Kunstproletariat, wo sie nur konnen, und prophezeien
zum mindesten den Untergang der Kunst in Oesterreich, wenn
man der Mittelmissigkeit so recht an den Leib rtickt. Und so
wie der alte Biirgersmann irgend einen Kinstler in seinen Schutz
nimmt, und ein Bild, das sonst jedermann um den dritten Theil
des Preises kaufen wiirde, zur Verherrlichung seiner Wohnung
anschafft, so hat auch unser Adel keinen andern Begriff von
Férderung der Kunst, als dass er entweder fiir sein Privatver—
gniigen oder aus menschlicher Barmherzigkeit hie und da ein
Bildchen kauft. Dass er, der wenigstens in der Gesellschaft
eine gesonderte Stellung einzunehmen nicht verabséumt, sich
auf einen anderen Standpunkt zu stellen habe, als der ehrsame
Birgersmann: das ist unserem Adel (mit einziger Ausnahme
des béhmischen) noch nicht in den Sinn gekommen, und dess-
wegen geht hier alles so seinen schlafrigen Gang, und eine
Reihe von Gewohnheiten hat sich in dieser Beziehung in unserer
Kunstwelt eingenistet, die zwar einzelnen Kiinstlern zu Nutzen
kamen, der Kunst aber wesentlich Schaden brachten. — Aber
Gott sei Dank, man ist in diesem Jahre der sich immer mehr
und beangstigend steigernden Mittelmissigkeit mide geworden,
und mehrere Kunstfreunde und Kistler haben sich vereint, dem
alten Schlendrian endlich entschieden entgegenzutreten. Es hat
sich ein neuer Kunstverein gebildet, bei dessen Griindung vor~
ziiglich die Herren v. Arthaber, Artaria, Graf Waldstein und
Architekt van der Null mitwirkten, dem von Anfang an die Unter-
stitzung des Generals Baron Welden zu Theil wurde, und der
binnen kurzem ins Leben treten wird. Er beruht wesentlich
auf dem Grundsatze der Zulassung fremder Kiinstler
und dem der permanenten Ausstellung. Dadurch un-
terscheidet er sich von dem alten Kunstvereine, der in den letz-